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Ging es um ihn, ging es immer um Zukunft, Gegenwart wurde ihm nie gegönnt

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Ging es um ihn, ging es immer um Zukunft, Gegenwart wurde ihm nie gegönnt

sehr lesenswertes Deisler-Portrait (Zeit) – Ebbe Sand, Stürmer außer Form – Bundesliga kritisiert weiterhin die DFL – WM-OK hat Probleme, Sponsoren zu überzeugen und Geld zu erwerben (Spiegel) – der Werbewert der Bundesliga und ihrer Stars – Uwe Seeler, Ehrenbürger Hamburgs u.v.m.

Ging es um ihn, ging es immer um Zukunft, Gegenwart wurde ihm nie gegönnt

Sehr lesenswert! Henning Susebach (Zeit 27.11.) erklärt, selbstkritisch, die Ursachen der Leiden des jungen Deisler: „Längst ist aus Sebastian Deisler, 23, der stets nur um des Spielens willen spielen wollte, ein junger alter Mann geworden, den der Fußball krank gemacht hat. Obwohl: Es war vermutlich nicht der Fußball selbst, es war das Drumherum. Und genau genommen ist Sebastian Deisler seit längerem auch kein Fußballspieler mehr – seine wichtigste Partie hat er außerhalb des Platzes bestritten und verloren. Er hätte sie auch niemals gewinnen können, denn sein Gegner war das Anspruchsdenken seiner Trainer, seiner Fans, der ganzen Nation. Seit zwei Wochen wird Deisler wegen Depressionen behandelt. Das schockiert uns Fußballinteressierte, doch es überrascht uns nicht – und genau das verrät uns, überführt uns: dieses Wissen, über Jahre ebenso fasziniert wie vorausahnend einem beinahe zwangsläufig wirkenden Schauspiel beigewohnt zu haben. Im Nachhinein scheint alles so vorhersehbar: Ein junger Spieler, anfangs voller Unbekümmertheit, verzweifelt an der Überhöhung seines Tuns. Man würde Sebastian Deisler gerne selbst dazu befragen. Würde erfahren wollen, ob diese unverschämte – weil öffentlich und ohne Rücksprache gestellte – Mutmaßung stimmt. Doch das ging nie, geht vor allem jetzt nicht, da er sich auf unbestimmte Zeit ganz der Öffentlichkeit entzogen hat. Die Situation ist fast wie immer, nur zugespitzter: Deisler ist überall, im Fernsehen, in den Zeitungen, in den Köpfen, in den Bulletins der Ärzte – und ist doch nirgends. Er ist ein Phantom, frei, um gedeutet zu werden. Das war schon immer sein Pech. Versuchen wir es hier, sofern das geht, in seinem Sinne. Es gibt da eine Szene, von der Sebastian Deisler heute vielleicht sagen könnte, dass sie seinen Niedergang als Senkrechtstarter eingeleitet habe. Tragischerweise liegt auch diese Szene am Anfang seiner Karriere, wie sein schönster Satz: Es ist der 6. März 1999, als einem 19 Jahre alten Buben in Diensten des Erstligisten Borussia Mönchengladbach der Ball vor die Füße fällt. Es sind 60 Meter bis zum Tor. Der Bub senkt den Kopf. Rennt los. Lässt alle stehen. Und schießt den Ball mit Wucht ins Netz. Für Deisler war dieses Tor sein erster Treffer in der Bundesliga; für die Medien war es mehr. Mit seinem Solo war Deisler in ein Vakuum vorgestoßen, in einen freien Raum voll unerfüllter Sehnsüchte, den er unten auf dem Rasen gar nicht erahnen konnte. Da stand er nun und kam nicht mehr weg. Bei der Weltmeisterschaft 1994 war Deutschland im Viertelfinale ausgeschieden, gegen Bulgarien. Die WM 1998 war ebenfalls im Viertelfinale beendet, gegen Kroatien. Die Diagnose der ernüchterten Nation, die ihr Selbstbild nicht aus Königshäusern und zum Glück nicht aus Kriegen bezieht, sondern meist aus dem Fußball, lautete damals: Wir brauchen einen neuen Hoffnungsträger. Sofort. Und nun gab es endlich diese Szene, in die sich so viel Zukunft hineindeuten ließ. Die Sender wiederholten sie immer wieder, zerlegten sie in Stücke, fuhren sie in Zeitlupe ab. Deisler schoss und traf, schoss und traf, schoss und traf. Mit jedem Mal wurde er größer. Kommentatoren und Trainer verloren angesichts der präzisen Flanken und Freistöße des jungen Rechtsaußen die verbale Contenance und sprachen von „Brandbomben“, die Deisler in die gegnerischen Strafräume „werfe“. Er war schnell, kräftig, ging furchtlos in die Zweikämpfe – eine Spielweise, die neben Ballgefühl und Fitness vor allem eines brauchte: Zuversicht. Der stern schrieb gar, Deislers Stil künde von „genug Unverfrorenheit, die Welt aus den Angeln zu heben“. „Endlich ist da wieder ein ganz Großer!“, riefen alle und wollten nicht mehr sehen, wie klein er noch war (…) Deisler wurde nicht mit Kritik erschlagen, eher durch Zuneigung erdrückt. Zuneigung freilich, die weniger ihm selbst galt und mehr der deutschen Fußballvolksseele. Es ging eigentlich nie um ihn, es ging immer um die nationale Interessenlage (…) Ob einer wie er geeignet ist für diesen Sport? Für all die Vereinnahmung und Überhöhung, die den Profifußball umschließt? Er konnte es leider nicht heimlich ausprobieren. Am Ende erschrickt man, dass die ganze Zeit von einem Menschen des Jahrgangs 1980 die Rede war. Erwischt sich dabei, das Leben, das Spielvermögen eines 23-Jährigen in der Vergangenheitsform beschrieben zu haben. Das ist Deislers Problem: Ging es um ihn, ging es immer um die Zukunft. Gegenwart wurde ihm nie gegönnt. Auch nicht, als vor einigen Monaten vermeldet wurde, dass Deisler im Januar Vater werde. Er schoss fortan wieder Tore für den FC Bayern, zuletzt vor vier Wochen. Wir dachten, er sei zurück im Spiel. Wir dachten wieder nur an uns.“

Agali wird verhöhnt, Sand bemitleidet

Richard Leipold (FAZ 27.11.) schildert den Niedergang Ebbe Sands: “Wenn Fußballspieler auf ihren früheren Verein, treffen, geht es meist um mehr als den Tagessieg. Manchmal wollen sie die Gelegenheit nutzen, die Vergangenheit zu bewältigen oder ihre alte sportliche Liebe kickend zu vergessen. Gern würde auch der Schalker Mittelstürmer Ebbe Sand seiner eigenen Geschichte Fußball spielend begegnen – wenn der Trainer ihn denn ließe. Im UEFA-Pokalrückspiel treten die Schalker beim dänischen Spitzenklub Bröndby Kopenhagen an, für den Sand sieben Jahre lang gespielt hatte, ehe er 1999 ins Gelsenkirchener Fußballrevier wechselte. Doch in Kopenhagen wird der 31 Jahre alte Däne voraussichtlich nicht für die Startelf nominiert. Sieht so der politisch korrekte Umgang mit einem Spieler dieser Klasse aus, der sich um den Klub so verdient gemacht hat? Im Fußball geht es nicht um Politik, sagt Jupp Heynckes. Für uns geht es um den Einzug in die dritte Runde des Europapokals. Da wird die beste Mannschaft spielen. Die beste Mannschaft? Aus ihr war Sand jahrelang nicht wegzudenken. Doch vorerst gehört er offenbar nicht mehr dazu. Verletzungen und ihre Folgen haben ihn in ein lang anhaltendes Formtief gestürzt, aus dem er sich schon in der vergangenen Saison nur sporadisch hatte befreien können. Am meisten fällt es in der Bundesliga auf. Im Alltagsgeschäft hat Sand seit dem 20. April nicht mehr getroffen, 1258 Spielminuten lang. Eine Ewigkeit für einen Torjäger – und für seinen Trainer, der auch deshalb im Sommer nach Schalke gekommen ist, weil er annahm, dort besonders gute Stürmer vorzufinden (…) Als wahrscheinlich gilt, daß neben Mike Hanke, der im Hinspiel beide Schalker Tore erzielte, Victor Agali, ein Leidensgenosse Sands, eine neue Chance erhält. Während der dänische Nationalspieler zumeist gar nicht erst zum Schuß kommt, vergibt Agali die besten Möglichkeiten. Die Reaktionen der Fans fallen unterschiedlich und dennoch für die beiden verhinderten Torjäger ähnlich schmerzlich aus: Agali wird verhöhnt, Sand bemitleidet.“

Leserbriefe an die FR-Sportredaktion zum Thema Eintracht und die Schiedsrichter

Nur der Franz kann’s, doch sein Zauber ist verflogen

Jörg Schmitt Michael Wulzinger (Spiegel 24.11.) recherchieren Probleme des WM-OKs bei der Akquisition: „Angesichts von Massenentlassungen und Sparprogrammen in Milliardenhöhe können viele Konzernvorsteher weder Aktionären noch Mitarbeitern vermitteln, weshalb sie 12,9 Millionen Euro in ein Massenspektakel wie die Fußball-WM pumpen wollen – zumal die Firmen für die Werbung mit dem WM-Logo mindestens noch mal das Doppelte drauflegen müssen. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wies darauf hin, er müsse Kosten senken und Stellen streichen – da sei ein derart teures Engagement nicht zu rechtfertigen. Ähnliches bekamen die Organisatoren bei der Dresdner Bank zu hören: Wir können nicht 16 000 Mitarbeiter entlassen, das Weihnachtsgeld kürzen und gleichzeitig Millionen für die WM verpulvern. Selbst bei Unternehmen, die das Geld aus der Portokasse zahlen könnten, stoßen die WM-Planer auf Zurückhaltung. Leistung und Gegenleistung, heißt es in einem Gutachten, das ein großer Energieversorger zur WM 2006 in Auftrag gab, stehen in einem krassen Missverhältnis. Dass die WM-Macher bislang überhaupt Sponsoren zu präsentieren hatten, haben sie in erster Linie Beckenbauer zu verdanken. Nach der Devise Nur der Franz kann’s hatte die Kicker-Ikone die Postbank und EnBW geködert. Beiden Unternehmen ist Beckenbauer als Werbepartner verbunden. Doch sein Zauber, so scheint es, ist verflogen. Als Beckenbauer Mitte Oktober wieder mal persönlich von den Kitzbüheler Bergen herabstieg, um in der Düsseldorfer Metro-Zentrale vorzusprechen, bekam er einen Korb. Wenig attraktiv und zu teuer, befand Hans-Joachim Körber, Vorstandschef des Handelsriesen. Zuvor hatten bereits Ruhrgas, SAP und der Versorger GEW Rhein Energie abgelehnt. Selbst beim DFB-Sponsor Fujitsu Siemens blitzten die Frankfurter ab. Grund dafür ist auch: Was Beckenbauer und seine Drückerkolonne den potenziellen Förderern für jeweils 12,9 Millionen Euro bieten, ist mehr als dürftig: Laut Präsentationsunterlagen (Willkommen im Fußball-Land) umfasst das Rechtepaket neben der Nutzung des Logos lediglich Bandenwerbung in TV-freier Lage. Zusätzlich darf jede Firma ihre Produkte im Stadionumfeld präsentieren. Obendrauf gibt es ein paar Freitickets samt Parkausweisen. Das war’s.“

Frank Hellman (FR 27.11.) ermittelt Werbewerte: „Er taugt als Welttorhüter wie als Werbefigur. Als Sympathieträger taugt er nicht. Oliver Kahn ist auf einen Abstiegsplatz abgerutscht. Gerade 20 Prozent sympathisieren noch mit dem Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft. Neben dem Torwart kommt auch der Präsident des FC Bayern in der Gunst schlecht weg: Franz Beckenbauer bringt es nur auf 29 Sympathie-Prozentpunkte. Dagegen sind Steffi Graf und Rudi Völler die beliebtesten Sportler. Das sind erstaunliche Ergebnisse der vom Hamburger Vermarkter Sportfive in Auftrag gegebenen und in Frankfurt vorgestellten Markt-Media-Studie Affinitäten_2, in der das Allensbach-Institut 3175 Personen zwischen 14 und 69 Jahren befragt hat. Dass Kahn ein Idol für viele Kinder ist, er und Beckenbauer gefragte Botschafter für Handyanbieter, Schokoriegel oder Duftwässerchen bleiben, ist für Lars Reckwitz vom Sportfive-Marketing kein Widerspruch. Kahn soll in der Werbung zuerst polarisieren, Beckenbauer vermitteln, alles was er anfasst, wird zu Gold. Für den Imagetransfer ist nicht immer Sympathie vonnöten. In Deutschland steht nach wie vor ein riesiges Sponsoring-Budget zur Verteilung an: allein 3,5 Milliarden Euro, das sind 40 Prozent der europaweiten Ausgaben. Dabei greift der Fußball den größten Teil ab. Die Fußball-WM 2006, Sport-Event des Jahrzehnts (Reckwitz), wird die Summe noch erhöhen – Experten erwarten Sponsoring-Pakete von 650 Millionen Euro. Jedes dritte größere deutsche Unternehmen plant zur WM Marketing-Maßnahmen (…) Ziel eines Sponsors kann nicht sein, deutscher Meister zu werden, erklärt Thomas Röttgermann, Geschäftsführer des aus der Ufa Sports GmbH hervorgegangenen Sportrechte-Vermarkters. Es gehe zuerst darum, Image und Bekanntheit zu verbessern. Es zählt Glaubwürdigkeit, sagt Röttgermann, dazu gehört, dass sich der Sponsor nicht bei einem Abstieg verpieselt. Als abschreckendes Beispiel gilt der Bekleidungshersteller Trigema, der ist durch die Bundesliga gehüpft und hat jede Authentizität verspielt. Was der Sponsor wissen muss: Ein Absatzplus ist oft nur bedingt möglich. Der Energiekonzern Eon hat durch sein Engagement bei Borussia Dortmund kaum mehr Strom verkauft, der Internetanbieter AOL im Umfeld des Hamburger SV nur den Markenstatus gesteigert.

Trister Verwaltungsapparat und Egoismus der Klubs

Jörg Marwedel (SZ 27.11.) stellt fest, dass die Bundesliga mit der DFL unzufrieden ist: „Zweieinhalb Jahre nach ihrer Gründung wird die Vertretung des Profifußballs von immer mehr internen Kritikern als trister Verwaltungsapparat mit 26 Mitarbeitern wahrgenommen, der 7,2 Millionen Euro pro Jahr verschlinge, aber außer der Abwicklung des Spielbetriebs und des Lizenzierungsverfahrens wenig einbringe – schon gar nicht die Millionen, die man sich von der gemeinsamen Marke „Bundesliga“ versprochen hatte. Zum Jahresende verlassen in Michael Pfad und Heribert Bruchhagen gleich zwei Geschäftsführer die Frankfurter Zentrale. Auch, weil der „kleine DFB“ (Pfad) wie die Politik unter einem Reformstau leidet und Besserung kaum in Sicht ist. Die Suche nach den Ursachen führt nicht nur zu den widersprüchlichen Interessen der Vereine und falschen Strukturen, sie führt auch zu Wilfried Straub, 63. Über den Geschäftsführenden Vorsitzenden der DFL, von vielen als betonharter Apparatschik gefürchtet, gibt es viele Geschichten: etwa jene, dass es bei einer Taxifahrt keine fünf Minuten dauere, bis er dem Chauffeur zu verstehen gegeben habe, wer von den Fahrgästen der Koch und wer der Kellner sei. Auch wichtige Gespräche, etwa mit dem Fernsehexperten Günter Netzer, führe er lieber allein statt in Begleitung noch so kompetenter Kollegen. Straub sammelt diskret Herrschaftswissen, seit 35 Jahren. Auch deshalb kommt im Profifußball niemand an ihm vorbei, und das wird mindestens bis 2005 so bleiben, denn sein Vertrag wurde kürzlich um ein weiteres Jahr verlängert. Für die DFL ist dies trotz Straubs unbestrittenen Fähigkeiten kaum ein Segen, denn der diskrete Macher („Ich bin kein Weltmeister der Ankündigung“) steht nicht nur PR-Maßnahmen äußerst skeptisch gegenüber. Opfer seiner Machtfülle ist auch deshalb Michael Pfad, 39. Der Fernsehmann (Premiere) war geholt worden, damit er, so Hackmanns Vision, ein Liga-TV entwickele, das den Fußball unabhängiger mache von den Sendern. „Eine Nummer zu groß“, unkte der frühere Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff und behielt recht (…) Allerdings wäre es ungerecht, die Misere der DFL allein Straub und Kollegen anzulasten. Vor allem die großen Deals scheiterten bislang am Egoismus der Klubs. „Ein zweistelliger Millionenbetrag“, schätzt Pfad, sei der Liga verlorengegangen, weil Verträge mit potenziellen Sponsoren vom Veto einzelner Klubs gestoppt worden seien. Ein Generalsponsor, wie ihn Englands Premier League seit zehn Jahren hat, liege auch deshalb in weiter Ferne, weil mögliche Kandidaten aus den finanzstarken Branchen Automobile, Kommunikation, Energie und Versicherungen allesamt mit Werbepartnern der Klubs kollidierten, nach dem Motto: Telekom blockiert Vodafone.“

Ralf Wiegand (SZ 27.11.) porträtiert Uwe Seeler, Ehrenbürger Hamburgs: „Wenn irgendwo ein bekanntes Gesicht für diese oder jene Veranstaltung gesucht wird – ein Anruf bei Uwe Seeler lohnt sich immer. Mit etwas Glück bekommt man von ihm sogar ein Zitat von geradezu Herbergerscher Klarheit wie dieses: „Das Geheimnis des Fußballs“, sagte Uwe Seeler einmal, „ist ja der Ball.“ Der Mann der schlichten Wahrheiten wurde nun in einen Rang erhoben, der bisher Schriftstellern, Kaufleuten, Politikern, Verlegern, Senatoren, Komponisten und Kanzlern vorbehalten war – sie alle stehen auf der kurzen Liste der Hamburger Ehrenbürger. Seit 1813, als man dem russischen General von Tettenborn auf diese Art für die Befreiung von der französischen Fremdherrschaft dankte, wurde das Ehrenbürgerrecht der Freien und Hansestadt Hamburg erst 30 Mal verliehen, am Mittwoch eben an Uwe Seeler als ersten Sportler. Geehrt wird Seeler nicht für sein brillantes Spiel („einfach drauf“), auch nicht für seine Weitsicht als Funktionär, die er durchaus manchmal vermissen ließ, als er Präsident des HSV war, des Hamburger Sportvereins. Geehrt wird Seeler, weil er immer geblieben ist: in Hamburg, auch als ihn das Ausland lockte, was die Hamburger in den Michel trieb, zum Beten, dass er nicht gehen möge. Das war Anfang der sechziger Jahre, als Inter Mailand ihm 900 000 Mark für einen Wechsel bot, damals eine ungeheure Summe. Und doch, Seeler blieb daheim – allerdings nicht, ohne sich umgehend die adidas-Generalvertretung Norddeutschland zu sichern.“

Das Amtsgericht gibt bekannt: „Hausbesitzer haben keinen Anspruch auf ein Fußball-Verbot vor ihrem Gartenzaun. Mit diesem Urteil hat das Landgericht München II am Montag die Klage einer Grundbesitzerin weitgehend abgewiesen (Az.: 5 O 545403). Die Frau hatte einen Vater verklagt, dessen minderjähriger Sohn zwei Mal einen Fußball auf das Grundstück geschossen hatte. Beim ersten Mal hatte der Junge das rollende Leder rasch wieder vom Grundstück geholt, beim zweiten Mal kassierte die Frau den Ball. Sie verklagte den Vater vergeblich auf rund 700 Euro Schadenersatz, sie hatte dies unter anderem mit einer beschädigten Hecke begründet. Das Gericht gab dem Begehren der Frau auf Unterlassung jeglicher Grundstücksbetretung jedoch statt. Kinder dürfen Fußball spielen, aber dabei nicht fremde Sachen beschädigen oder fremden Grund betreten, befand die 5. Zivilkammer. Der Junge muss also bei künftigen Fehlpässen gegebenenfalls bei der Frau klingeln und um Herausgabe des Balles bitten. Zugleich verurteilte die Kammer die Frau zur Herausgabe des Balles, wie dies der Vater des jungen Fußballschützen in einer so genannten Widerklage verlangt hatte. Von den Kosten des Verfahrens bleiben 75 Prozent an der streitbaren Grundbesitzerin hängen, 25 Prozent muss der Vater des Jungen zahlen.“

Stadien sind Orte großer Tragödien gewesen

Christoph Biermann (taz 27.1.) sorgt sich um die Sicherheit von Stadionbesuchern – und damit auch um seine eigene: „Seit meiner Fahrt nach Gelsenkirchen am September 11 frage ich mich, warum Fußballspiele bislang verschont worden sind. Neben dem Terror, der sich Ziele mit symbolischer Bedeutung wählt – ob nun das World Trade Center oder zuletzt in Istanbul eine britische Bank, das britische Konsulat und eine Synagoge –, gibt es schon lange Anschläge, die auf solche Bedeutung verzichten und die Bevölkerung an sich treffen wollen. In Israel geschieht das in Einkaufsstraßen, Busbahnhöfen, Restaurants oder Discos, wo sich Selbstmordattentäter in die Luft sprengen. In Moskau waren die Besucher eines Rockkonzerts betroffen. Warum aber keine Fußballspiele? Stadien sind Orte großer Tragödien gewesen, bei denen Hunderte von Menschen starben. Immer wieder hat es Massenpaniken gegeben, nach Ausschreitungen auf den Rängen, enthemmter Aggression von Polizisten oder plötzlich losbrechenden Unwettern. Teile von Tribünen sind eingestürzt oder ganze Stahlrohrkonstruktionen, und so viel Augenmerk diesen Fragen eingeräumt wird, können Stadien nie ein ganz sicherer Ort sein. Doch terroristische Akte gab es dort noch keine. Ich würde gerne zu dem Schluss kommen, dass Fußballstadien, selbst der dunkelsten Logik von Terroristen folgend, etwas haben, das sie sakrosankt macht und als Ziel des Terrors ausschließt. (Dabei meine ich nicht das seltsame Gerücht, nach dem Ussama Bin Laden angeblich Anhänger von Arsenal London sein soll oder sich zumindest gelegentlich Spiele der Gunners angeschaut hat.) Nicht einmal die Taliban in Afghanistan haben Fußball verboten, sondern nur, in kurzen Hosen zu spielen. Das Spiel steht offensichtlich in keinem Widerspruch zu Ideologie, denn Fußball ist ideologisch, nicht östlich oder westlich, kapitalistisch oder sozialistisch, christlich, islamisch oder buddhistisch. Andererseits kann Fußball und die Umstände, unter denen er gespielt wird, für alle Ideologien benutzt werden. Doch ist das wirklich ein Schutz vor Terror? Wenn immer ich im Stadion sitze und die Motoren eines Flugzeugs höre, blicke ich nervös zum Himmel.“

Das Streiflicht (SZ 27.11.) verrät uns: „Gerade veranstaltet eine Brauerei, gemeinsam mit der Bild-Zeitung, ein Gewinnspiel für kleine Fußball-Vereine. Der Preis ist Beckenbauer – als Ehrengast auf der Weihnachtsfeier. Dahinter verbirgt sich eine allgemeine Tendenz in dieser sensationsgierigen Gesellschaft. Nicht mehr Häuser und Reisen werden als Preise ausgelobt, weder Bock noch Hammel. Die Erfüllung aller Träume ist das Treffen mit einem Promi, einem leibhaftigen. Da ist vieles denkbar. Mit Stefan Effenberg sauteuere Cowboystiefel kaufen und dann ordentlich alle Betrunkenen aus dem Stadtpark kicken. Oder Gesprächsschule mit Johannes B. Kerner: Wie kriege ich keine Antwort auf Fragen, die ich nie gestellt habe? Oder: Sich mit dem ungeratenen Sohn von Uschi Glas so richtig in einem Bordell die Nase bügeln. Der moderne Hauptgewinn ist also ein Event, und dass da auch mal was aus dem Ruder laufen kann, ist nicht nur einkalkuliert, sondern vorgesehen. Franz Beckenbauer schließlich ist Präsident des „FC Patient“, wie gerade die Bild geschrieben hat, und dieser FC Patient, weiß ebenfalls die Bild, ist ein zur Zeit besonders heißgelaufener „Champion in der Schnacksel-League“. Hitzfeld und Kahn, jetzt der brave Kalle Rummenigge – lauter wilde Männer auf den Spuren ihres Kaisers (fünf Kinder mit drei Frauen). Diesen übrigens ausgerechnet auf eine Weihnachtsfeier einzuladen ist – nach allem, was man weiß – so vielversprechend, als gewänne die Feuerwerker-Innung bei einer Lotterie als ersten Preis den Besuch eines Pyromanen.“

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