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Kaiser Franz, das ewige Glückskind – Ozeanien im Nachteil u.v.m.

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Kaiser Franz, das ewige Glückskind – Ozeanien im Nachteil u.v.m.

Jan Christian Müller (FR 8.12.) analysiert den Zusammenhang zwischen der WM 2006 und der deutschen Volkswirtschaft: “Vielleicht, hat der deutsche Präsident des Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, gesagt, vielleicht waren wir vor drei Jahren, als Deutschland die WM zugesprochen bekam, etwas zu euphorisch. Sie hatten geglaubt, es würde ein Ruck durchs Land gehen (Beckenbauer), aber es ruckte nirgends. Im Gegenteil: Die Blase ist geplatzt, die Wirtschaft kommt nur stotternd voran, das Land, das die WM 2006 austrägt, hängt durch. Was es im Übrigen mit seiner Nationalmannschaft verbindet. Das anhaltende ökonomische Tief über dem Land ist gewiss nicht Schuld der deutschen Organisatoren, die sich seinerzeit voller Tatkraft an die Aufgabe gemacht haben und sich in der Aquise von Werbepartnern noch bis vor kurzem auf einer Insel (OK-Vizepräsident Wolfgang Niersbach) wähnten. Mittlerweile hat es allerdings den Anschein, als müssten zwei halbstaatliche Unternehmen, Wettanbieter Oddset und die Deutsche Bahn AG, den ebenso umtriebigen wie fordernden Ausrichtern unter die Arme greifen. Zugmaschine Franz Beckenbauer behauptet zwar tapfer, auch mit vier der geplanten sechs nationalen Förderern sei der 450-Millionen-Euro-Etat zu stemmen: Das kriegen wir hin. Doch sein Stellvertreter Horst. R. Schmidt sieht die Angelegenheit weniger spielerisch: Da hat der Franz leider nicht Recht. Wir brauchen das Geld. Zumindest 30 Millionen Euro fehlen den Deutschen noch. Organisatorisch, niemanden verwundert das, steht Beckenbauers Mannschaft in geschlossener Perfektion. In der vergangenen Woche in Frankfurt wurde die derzeit 58-köpfige Mannschaft erstmals unter dem Brennglas der Weltmedien auf die Probe gestellt. Sie hat es dank geschickter Medienarbeit und hinreichender Unterstützung nicht nur der brav zuarbeitenden Bild-Zeitung geschafft, aus ein paar bunten Ballons, gefüllt allenfalls mit heißer Luft, ein veritables Spektakel zu zaubern. Ein Spektakel, das auch von ein paar Hundert vor der Festhalle gegen den Sparkurs der Landesregierung protestierenden Studenten und einem nur anfangs gegen ein niedrigeres Einstiegs-Preisniveau bei den Tickets opponierenden Fifa-Präsidenten Joseph Blatter nicht entscheidend gestört werden konnte. Es gehörte zur geschickten Inszenierung, dass Blatter ein paar Tage lang in die Rolle des bösen Buben geschlüpft war, der höheren Ticket-Preisen das Wort redete, ehe er klein beigab. Beckenbauer und seine Gefolgschaft, so wurde vermittelt, hätten sich durchgesetzt und verkauften dies auch als Erfolg ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den Fußballfans. Möglicherweise ist ein Einstiegspreis von 35 Euro aber auch der ökonomischen Vernunft und der schwindenden Kaufkraft geschuldet.“

Von der Festveranstaltung in Frankfurt berichtet Peter Heß (FAS 7.12.): “Die 34 Nationen der Nord- und Mitteleuropazone wurden nach einem derart komplizierten Modus aufeinander losgelassen, daß der erläuternde Filmbeitrag zur Realsatire geriet – das perfekte Sujet für einen Loriot-Sketch. Hochachtung für den ehemaligen mexikanischen Nationaltorhüter Jorge Campos und die amerikanische Nationalspielerin Brandi Chastain, daß sie im elfminütigen Losverfahren zwischen unzähligen Töpfen nicht einmal danebengegriffen. Die Veranstaltung stand halt unter einem glücklichen Stern. Nur die Vertreter aus Ozeanien meckerten. Ihnen war der zwischenzeitlich fest versprochene Startplatz für 2006 wieder weggenommen worden. Der Sieger dieser Zone muß erst noch ein Relegationsspiel gegen ein Team eines anderen Kontinentalverbandes erfolgreich bestreiten, bevor er nach Deutschland darf. Blatter darf sich in Australien nicht mehr blicken lassen, sagte der ehemalige Werder-Profi Wynton Rufer. Der Neuseeländer war als Ozeanien-Experte ein gefragter Mann. Australien könnte sich mit etwas Glück sogar in Europa qualifizieren, der Rest ist deutlich schwächer, beschrieb der 40jährige Rufer den weißen Fleck auf der Fußball-Landkarte. Rufer will Fußballschulen auf den Inseln des Südpazifiks aufbauen, damit die Entwicklung vorangeht. Vor einigen Jahren noch erlebte er auf Fidschi folgendes: Sie schalteten das Flutlicht erst im letzten Moment an, um Strom zu sparen. Wir liefen auf den Platz und traten auf etwas Weiches. Als wir auf unsere Schuhe schauten, hatten wir Frösche mit unseren Schraubstollen aufgespießt. Dergleichen wird in zweieinhalb Jahren bei der WM in Deutschland garantiert nicht passieren.“

Volker Stumpe (FAS 7.12.) meldet: „Die Fußball-WM im Jahre 2006 kommt im 16:9-Format ins Fernsehen. Also im Breitbandformat, so wie sich das im modernen DVD-Zeitalter auch gehört. Das bedeutet für all jene, die noch in eine 4:3-formatige Röhre schauen, daß sie sich entweder mit einem Trauerbalken oben und unten abfinden müssen oder daß sie sich eben einen neuen Fernsehapparat anschaffen müssen. Betrachten wir diesen Kaufanreiz als Beitrag des Internationalen Fußball-Verbandes zum Wirtschaftsaufschwung. (Es muß ja kein Gerät des offiziellen WM-Partners sein.) Und paßt Breitbildfernsehen nicht perfekt zum deutschen Spiel? Querpässe über das ganze Spielfeld, eine 16:9-Taktik in Cinemascope. Wunderbar! Doch was ist, wenn die Deutschen bis dahin das schnelle Spiel in die Spitze gelernt haben sollten und immer wieder übers Fernsehbild hinausschießen? Nicht auszudenken!“

Sein Stellungsspiel ist entscheidend

Jörg Hanau (FR 8.12.) feiert unseren Kaiser: „Wo Beckenbauer ist, ist oben. Alle wollen ihn sehen, jeder will mit ihm reden. Aus diesem Grund hat das Organisations-Komitee für die WM 2006 seinem OK-Chef einen persönlichen Assistenten zur Seite gestellt, der die vielen Termine und Anfragen sortiert, filtert und koordiniert. In der Woche vor der Auslosung der WM-Qualifikation am vergangenen Freitag seien beispielsweise allein rund 100 Interviewanfragen aus dem In- und Ausland an ihn herangetragen worden, erzählt der 30-jährige Höfl, den Beckenbauer bereits kennt, seit Höfl noch ein kleiner Bub war. Schließlich stand Papa Höfl einst in Diensten des Sportartikelherstellers Adidas in Herzogenaurach, für den Beckenbauer in seiner aktiven Zeit die drei Streifen zu Markte trug. Vom eleganten Kicker ist Beckenbauer längst zum honorigen Fußball-Manager gereift. Eloquent sagen die einen; andere, die Beckenbauer nicht wohl gesonnen sind, nennen ihn gerne einen Dampfplauderer, bei dem auf wundersame Weise aus der Sprachmüllkippe eine Fundgrube wird. Dass die geringe Halbwertzeit der Beckenbauerschen Ergüsse ebenso ohne negative Folgen geblieben sind wie seine privaten Liebeleien, verdankt er der engen Bande mit der auflagenstärksten Boulevardzeitung im Land. Die Bild-Zeitung kredenzt den Kaiserschmarrn als Stammessen. Beckenbauer gibt die Galionsfigur. Seiner Strahlkraft ist es zu verdanken, dass die weltbesten Fußballer im Sommer 2006 in deutschen Stadien ihre Kunst zelebrieren werden. Er jettete mehrfach um die Welt, um die Bewerbung anzuschieben. Mit Erfolg. Wie immer. Was Beckenbauer anfasst, möchte man glauben, wird zu Gold. Ein Glückskind? Nein. Aber auch kein akribischer Arbeiter. Sein Stellungsspiel ist entscheidend. Ob als Spieler oder Manager: Er rannte nie den unerreichbaren Bällen hinterher. Konzepte liest er, er entwickelt sie nicht. Den Job überlässt er – gerne – anderen. Beckenbauer ist ein Mann für die Scheinwerfer. Im gleißenden Licht liegen seine Stärken, aber auch im Paktieren und Koalieren hinter den Kulissen. Dabei verlässt er sich gerne auf seinen Instinkt. Seine Bauchentscheidungen sind ebenso gefürchtet wie legendär. Ich war immer ein Mensch, der alles auf sich hat zukommen lassen, sagt Beckenbauer, ich habe nie etwas geplant.“

(6.12.) Joseph Blatter kämpft plötzlich gegen Doping – die FR sorgt sich um gerechten Ticketverkauf

Fußball ist genauso clean wie ein Mülleimer an der Konstablerwache

Jan Christian Müller (FR 6.12.) referiert Joseph Blatters Doping-Anklage: “Bis vor kurzem will der Blatter-Sepp nicht gewusst haben, dass Doping im Fußball eine Rolle spielt. Zwar kommt er aus den Bergen, aber er lebt nicht hinterm Mond, er ist ein umtriebiger Mann mit wachem Blick, dem eigentlich nichts entgeht. Nur die Sache mit dem Doping hat er bislang nicht wahrhaben wollen. Aber bisweilen kann es passieren, dass der Herr Papa davon überrascht wird, wenn die Polizei mit dem vollgekifften Sohn vor der Türe steht. Es nützt nichts, sich rauszureden: Eltern haften für ihre Kinder. Blatter passt jetzt besser auf: Ich dachte immer, der Fußball ist clean. Jetzt weiß ich: Er ist nicht clean. Er ist ungefähr genauso wenig clean wie ein Mülleimer an der Konstablerwache. Die Situation im Doping hat sich geändert, sagt Blatter. Er hätte auch sagen können, sein Blickwinkel habe sich geändert. Im Weitwinkel sieht man mehr. Man sieht zum Beispiel, dass es noch immer eine ganze Menge Leute gibt, die das Thema genauso wenig ernst nehmen wie Blatter es jahrelang getan hat. Dass der Verteidiger Rio Ferdinand von Manchester United neulich einfach nicht zur Dopingkontrolle erschien, ist kein Bagatelldelikt. Blatter weiß das jetzt. ManU weiß das noch nicht. Die Verantwortlichen der Premier League wissen es nicht, die englischen Nationalspieler, die wegen Ferdinands Spielsperre mit Streik drohten, wissen es nicht, und Ferdinand selbst weiß es auch nicht. Der englische Verband weiß es wohl auch noch nicht. Ferdinand musste nur einmal aussetzen. So geht das nicht, sagt Blatter und fordert Disziplin und Respekt ein. Wenn sie nicht einsichtig werden, wird der Vater die bösen Buben verstoßen. Diesmal völlig zurecht.“

Die Macht verlagert sich an die Basis

Thomas Kistner (SZ6.12.) klärt auf über das Motiv Blatters, gegen Doping zu kämpfen: „Ein Dopingbekämpfer ist Blatter nicht. Vielmehr umwehte ihn beim Frankfurter WM-Gipfel heftiger als sonst die Realität einer Profibranche. Die Macht verlagert sich an die Basis, hin zu Klubs wie in der G 14, die das Gros der Gelder einspielen und daraus Mitspracherechte ableiten: bei TV- und Marketingfragen bis zur Spielplangestaltung. Überdies will die G 14 Geld für die Abstellung ihrer Nationalspieler, und dies notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof durchfechten – was Blatters Macht in den Grundfesten erschüttern würde. Der droht allen, die vor ordentliche Gerichte ziehen – bloß: womit? Rauswerfen geht nicht, also sucht Blatter Schutz in den Grenzen der Verbandsstatuten. Der Fußball sei universal, er müsse die Gerichtsinstanzen des Weltsports befolgen und dürfe nicht vor Zivilgerichte ziehen, verlangt Blatter. Weil er den Verbandsregeln aber bisher selbst nur dann strikte Bedeutung beigemessen hat, wenn sie seinen Interessen passten, muss er nun flott zum regeltreuen Funktionär mutieren. Und sogar mit der Wada marschieren, der just die Fifa bislang arges Kopfzerbrechen bereitete. Seinen zögerlichen Wada-Beitritt hatte Blatter ja gern mit Bedenken vor einer zivilen Prozessflut begründet. Für irgendeine Gerichtsinstanz aber, ob im Sport oder im Zivilleben, muss sich auch der Fifa-Boss entscheiden. Sonst gerät er zwischen Fronten, die noch den Flexibelsten zermalmen.“

Der Stimmung in den Stadien ist der Großaufmarsch der Oberen nicht gerade dienlich

Frank Hellmann Jan Christian Müller (FR 6.12.) sorgen sich um gerechte Ticket-Vergabe: „Mehr als die Hälfte der Karten ist weg, ehe zu Weihnachten 2004 der offizielle Vorverkauf beginnt. Je acht Prozent gehen an die beiden an einem Spiel beteiligten Nationen. Sofern der Antrag bei der EU-Kommission erfolgreich ist, werden zwölf Prozent in einer ersten Phase über deutsche Vereine verkauft – bevorzugt an Clubfunktionäre, Verbandsvertreter und Vereinsmitglieder. Mindestens fünf Prozent möchte Schmidt Reiseveranstaltern aus dem In- und Ausland überlassen, auch wenn das System seit der WM 1998 belastet ist. Da hatten dubiose Tour-Anbieter die Tickets dreist doppelt und dreifach verkauft. 350 000 Karten, weitere elf Prozent, werden von der Fifa für das so genannte Hospitality-Programm abgezweigt. Vip-Gäste können es sich in den zwölf WM-Stadien bequem machen: ein eigener Parkplatz, eine Loge oder ein Business-Seat, Verpflegung und Betreuung sind im Preis enthalten. Der beträgt rund 1000 Euro pro Person. Frei dem Credo von Fifa-Boss Sepp Blatter: Wer an etwas Besonderem teilhaben will, sollte auch einen besonderen Aufwand tätigen. Auch die nationalen Sponsoren sind vom OK noch zu bedenken. Die Hamburg-Mannheimer, die sich bei der Fifa-Sitzung in dieser Woche mit Repräsentant Uwe Seeler ins rechte Licht rückte, möchte 10 000 hochrangige Vertreter als Dankeschön mit Karten beglücken. Ein Wunsch, der dem WM-Versicherer kaum abgeschlagen wird. Auch Continental hat als einer von drei deutschen Fifa-Sponsoren (neben Telekom und Adidas) so seine Vorstellungen. Der Reifenhersteller aus Hannover, der 40 Millionen Euro bezahlt hat, wirbt mit Plakaten, Gewinnspielen und TV-Spots vehement für das WM-Event. Wichtigste Gegenleistung: WM-Karten. Ein maximales Kontingent im fünfstelligen Bereich, sei das beste Mittel für eine Kundenbindung und einen Reifenkauf, wie es aus dem Unternehmen heißt. Der Stimmung in den Stadien ist der Großaufmarsch der Oberen aus Firmen- und Funktionärsebene nicht gerade dienlich: Selbst bei Länderspielen in der ansonsten so stimmungsvollen Arena Auf Schalke ist es bisweilen mucksmäuschenstill – weil ein Event-Publikum die Tribünen erobert, das mit dem gemeinen Besucher bei Bundesligaspielen nicht identisch ist. Besorgnis erregend wird die Angelegenheit, wenn Sponsoren wie bei der WM 1998 in Frankreich, zwar ganze Karten-Pakete erwerben, jedoch nur die Top-Spiele besuchen und die anderen Karten verfallen lassen.“

Ich weiß, dass ich nach 2006 nicht mit jedem gut Freund sein werde

FR-Interview mit Horst R. Schmidt, verantwortlich für den Ticket-Verkauf

FR: Wann gelangt der Fan an Tickets?

HS: 2005 soll der Ticket-Verkauf beginnen, unser Wunsch ist, schon zum Weihnachtsgeschäft 2004 zu starten.

FR: Wie läuft das in der Praxis?

HS: Es wird einen öffentlichen Verkauf geben, vor allem übers Internet, aber auch auf dem Postweg oder per Fax. Das wird dann in einem Zeitfenster gesammelt und wahrscheinlich ausgelost. Es wird aber eine Limitierung geben.

FR: Das Bündnis Aktiver Fußball-Fans findet die Karten zu teuer.

HS: Für 47 Spiele in der Vorrunde sind es moderate Preise für Jedermann. Mit einem zu billigen Ticket verkehrt sich der Effekt ins Gegenteil – dann blüht der Schwarzmarkt. Deshalb sind die Preise zum Endspiel hin ziemlich hoch. Es ist ein Spagat: Der einfache Fan soll genauso eine Karte kaufen können wie der Besucher, der für mehr Komfort und Service bereitwillig mehr Geld ausgibt. Die Ticket-Verteilung ist ein ganz sensibler Bereich.

FR: Haben Sie Angst, 2006 der meistgehasste Mann in Deutschland zu sein?

HS: Ich weiß, dass ich nach 2006 nicht mit jedem gut Freund sein werde. Wir bemühen uns, fair zu verteilen.

(5.12.) Entscheidung über Ticket-Preise zugunsten des Gastgeberlands – beim WM-OK spielt Geld keine Rolle u.v.m.

Wo der Stehplatz seinen mythischen Rang hat

Roland Zorn (FAZ 5.12.) beschreibt die Diskussion um die Ticket-Preise der WM 2006: „Blatter stört sich keineswegs an den Spitzenpreisen, die bis zu 400 Euro beim Halbfinale und bis zu 600 Euro für eine Endspielkarte betragen werden. Blatter bekennt seine Vorbehalte gegenüber den moderaten Preisen in der sogenannten Kategorie 4. Schon mit 35 Euro ist der Kunde bei 47 der 48 Vorrundenbegegnungen – beim Eröffnungsspiel am 9. Juni 2006 kosten die billigsten Karten 65 Euro – dabei. Blatter, der aus einem wohlhabenden Land kommt, ließ sich nach einigen Diskussionen mit Franz Beckenbauer überzeugen, den günstigsten WM-Preisen zuzustimmen; einen Tag später folgte das FIFA-Exekutivkomitee den Empfehlungen des OK. Eigentlich bin ich nicht ganz zufrieden, sagt Blatter, denn jedes WM-Spiel ist etwas Besonderes, und besondere Spiele sollten auch einen besonderen Aufwand rechtfertigen. Er hat aber erkannt: In einem preisbewußten Land wie Deutschland, wo der Stehplatz seinen mythischen Rang hat und der Fußball als Volkssport auch unter Profis basisorientiert bleiben muß, ist das Thema Mindestpreis immer auch eine politische Frage. Sie wurde im Sinne des Ausrichters zufriedenstellend gelöst, auch wenn sich ursprüngliche Vorstellungen, WM-Spiele zu einem Einstandspreis unter 30 Euro anzubieten, nicht realisieren ließen. Dennoch kann sich das Ergebnis sehen lassen. Zum Vergleich: Das preiswerteste Ticket bei der WM 2002 in Korea und Japan kostete 51 Euro, für das in Hamburg aufgeführte Musical König der Löwen sind 65 Euro auf den billigsten Plätzen fällig, der Rockstar Eric Clapton läßt bei seinen Konzerten von 53 Euro aufwärts von sich hören.“

Die FR (5.12.) ergänzt: „Größere Kontingente von mehreren hunderttausend der insgesamt 3,2 Millionen Karten erhalten auch die 15 Fifa-Partner und die sechs nationalen Förderer. Über zehn Prozent der Tickets gehen darüber an zahlungskräftige Kunden, die sich in Logen einkaufen können. Kritik gab es deshalb vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (Baff). Der Zusammenschluss von über 200 deutschen Fanclubs hatte gefordert, dass nicht mehr als zehn Prozent der Tickets dem freien Verkauf vorenthalten werden dürften. Baff-Sprecher Wilko Zicht sagte der FR, er befürchte, dass allzu viele Firmenkunden sich in den Stadien befänden, Leute, die sonst niemals bereit wären, für ein WM-Spiel lange anzustehen. Er habe nichts gegen chaotische Zustände beim Schlangestehen, wenn dafür die wahren Fußballfans auch an die Karten kommen. Diejenigen, die bereit sind, einen großen Aufwand zu betreiben. Die Forderung von Baff, dass zumindest 30 Prozent der Tickets nicht mehr als 30 Euro kosten und dass auch der Großteil der übrigen Tickets preislich unter 50 Euro liegen, wurde nicht erfüllt. Freilich hätte in diesem Fall auch der ohnehin wohl nicht zu verhindernde Schwarzmarkt für das Top-Ereignis des Jahrzehnts floriert. Zicht räumte ein, er erwarte einen regen Handel im Internet.“

Das OK setzt sich über die gesellschaftlich verordnete Bescheidenheit hinweg

Peter Heß (FAZ 5.12.) stellt Gelassenheit bei den Organisatoren fest: “Streichen, einschränken, sparen, knausern. Ob in Politik, Wirtschaft oder Sport: Das Thema Finanzen wird im Moment von diesen vier Verben beherrscht. In Zeiten, in denen sogar die Werbung vermittelt, daß Geiz geil wäre, macht sich jeder verdächtig, der den Begriff Geld ausgeben zu benutzen wagt. Wenigstens das OK für die WM 2006 setzt sich über die gesellschaftlich verordnete Bescheidenheit hinweg. Die erste heiße WM-Woche, die in Frankfurt an diesem Freitag mit der Auslosung der Qualifikationsgruppen zu Ende geht, ist mit einer Opulenz begangen worden, die an die Zeiten des Börsen-Booms erinnert. Empfänge, Parties, Dinners, Pressekonferenzen, die Auslosungszeremonie in der Festhalle: alles aufs feinste ausgestattet, üppig inszeniert und aufwendig auf den Punkt organisiert. Warum auch nicht? Schließlich will Deutschland ein guter Gastgeber sein. Und Geld steht reichlich zur Verfügung. Am nationalen Prestigeobjekt muß nicht gespart werden. Wir sind ausfinanziert, sagt Theo Zwanziger, Vizepräsident des OK und Schatzmeister des Deutschen Fußball-Bundes, mit der Gelassenheit eines Mannes, der sich keine Sorgen machen muß (…) Nach einer Untersuchung des Allensbach-Instituts beabsichtigen derzeit 72 Prozent der Unternehmen, die WM 2006 in ihre Marketingplanung einzubeziehen. Diese Erhebung belegt den Eindruck, den OK-Präsident Franz Beckenbauer und sein für die Finanzen zuständiger Vizepräsident Zwanziger haben: Das schaffen wir schon mit dem sechsten nationalen Sponsor. Zumal Zwanziger noch längst nicht alle Ressourcen bei der Suche ausschöpfen ließ. Er hat so seine Lieblingskandidaten. Das kann sich ein OK leisten, das den wohlhabenden DFB im Rücken weiß, der Defizite ausgleichen könnte. Unsere Aufgabe ist es doch nicht, eine Firma bekannt oder bekannter zu machen. Wir wollen, daß die WM im ganzen Land verankert ist: also Partner mit einer politischen Dimension.“

Die FR (5.12.) glaubt, wie wir alle, an Fügung: „Es ist natürlich blanker Zufall, dass das Häuschen von Gerhard EmVau ziemlich nah am Daimler-Stadion liegt. Es ist nicht weit von Muckensturm zum Cannstatter Wasen, man könnte die Straßenbahn benutzen, aber die hat Mayer-Vorfelder zuletzt benutzt, als er noch in der D-Jugend spielte. In Muckensturm also, einem Stuttgarter Stadtteil der gehobeneren Klasse, steht das Anwesen der MVs. Das ist insofern wichtig, weil der Verdacht aufgekommen ist, Muckensturm könnte vielleicht über ein paar Ecken was zu tun haben mit der Gestaltung des offiziellen WM-Spielplans. Nun ist es so, dass auch in Sepps harmonischer Familie nicht alle gleich sind, manche, wie Berlin oder München, sind gleicher, und andere streiten sich ein bisschen darüber, wer die Nase unter Gleichen vorne hat. Gelsenkirchen oder Stuttgart zum Beispiel. Fünf Spiele kriegt jede Stadt, doch die, die was besonderes sind, kriegen eins mehr. Und Gelsenkirchen muss in die Röhre gucken. Wegen Muckensturm.“

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