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Ballschrank

Schalke 04 – Bayern München 2:0

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Schalke 04 – Bayern München 2:0

Stuttgarts unproblematische Entwicklung begeistert – Bayern fürchten das Mittelmaß – nichts Neues in Berlin: Hertha verliert, Fans fordern Stevens’ Entlassung – Lauth jubelt wieder – D´Alessandro, kleiner Nachfolger Maradonas – Bremen spielt mit Frankfurt – Marcel Koller, der Neue in Köln u.v.m.

Schalke 04 – Bayern München 2:0

Welche Mittel hat Hitzfeld jetzt noch?

Jörg Hahn (FAZ 3.11.) kommentiert die Lage bei den Bayern: „Zu gut ist schlecht, nicht gut genug ist auch schlecht. Die Fußball-Bundesliga braucht keinen erdrückenden Branchenführer, aber einen FC Bayern, der seinem eigenen Anspruch gerecht wird. Zwischen den Polen einsame Spitze und beunruhigendes Mittelmaß muß es doch einen Platz geben für die Münchner. Auf der einen Seite dürfen die nationalen Konkurrenten ja nicht gleich jede Hoffnung verlieren; auf der anderen Seite sollte das Selbstwertgefühl der Bayern doch so groß bleiben, daß überdurchschnittliche Leistungen normal und herausragende Spiele möglich sind. Wie vor Jahresfrist ist der Klub in ein herbstliches Tief geraten. Damals zeichnete sich in der Champions League das frühe Scheitern ab, und in der Bundesliga zeigte der Trend trotz Tabellenführung vorübergehend nach unten. Ist diesmal alles gar nicht so schlimm? Weder auf europäischem noch auf heimischem Terrain ist schon irgend etwas endgültig verspielt. Doch die Indizien verstärken sich, daß sich die Bayern mit grundlegenden Schwierigkeiten und nicht bloß mit einer temporären Schwäche herumplagen. Welche Mittel hat Hitzfeld jetzt noch? Wenn er die bekannte Formel Nerven bewahren und Charakter zeigen bemüht, wirkt er damit – wie das ganze Team – ohne Esprit und Entschlossenheit. Das paßt zur Jahreszeit, aber nicht zu den Herausforderungen für seine Mannschaft. Wie kürzlich sein Dortmunder Kollege Sammer muß Hitzfeld fürchten, in der Liga den Anschluß zu verlieren. Aus gerade mal sechs Punkten Rückstand kann schon bis zum Advent eine höchst brenzlige Situation werden. Ein schlechter Zeitpunkt für eine Krise.“

Katrin Weber-Klüver (BLZ 3.11.) ergänzt: „Vielleicht fragen Sie sich, was aus dem Superklub geworden sein mag, der in der vergangenen Saison schon bald nach der Winterpause Meister wurde. Und dann entdecken Sie den FC Bayern München: Da ist er ja, und spielt hier und heute in der Bundesliga nur eine Nebenrolle. Nicht viel größer als die des Ortsnachbarn 1860, des Mittelmaßes schlechthin. Mit Stuttgart, Leverkusen und Bremen gibt es gleich drei Protagonisten in der Liga, die seit Wochen zuverlässig und jeder nach eigener Art weit besseren und erfolgreicheren Fußball bieten als der FC Bayern. Für diese Bayern müsste die Platzierung auf einem Uefa-Cup-Rang mit schon reichlich Abstand zur Tabellenspitze per se eine Krise darstellen. Und müsste daher auch einen Schmaus für Scharen schadenfroher Antibayern bedeuten. Nur: Wo es zum einen durch die Hildebrand, Kuranyi, Micoud, Ailton und Schneider unterhaltenderen Fußball gibt – und zum anderen in den tiefen Tiefen der Liga bewegendere Krisen um Trainer, Manager und Varianten befristeter Vereinbarungen, da können temporäre Augenprobleme eines Nationaltorhüters, Zickereien unter eifersüchtigen Stürmern und muskuläre Zwickereien hochtalentierter Mittelfeldspieler als thematische Highlights einfach nicht mithalten.“

Leicht und locker wird es bei den Bayern nie aussehen

Thomas Kilchenstein (FR 3.11.) vergleicht die Bayern mit der Konkurrenz: „Dass die glorreichen Bayern, mittlerweile die große Kleinigkeit von sechs Punkte in Rückstand auf Platz eins, in eine ihre üblichen saisonalen Krisen hineinzutaumeln scheinen, merkt man meistens daran, dass Oliver Kahn den Proleten in ihm freien Raum lässt: Seine verbalen Flachpässe (Wir brauchen Eier, wenn Sie verstehen, was ich meine) werden dann gerne von wohlmeinenden Journalisten als Ausbruch des Vulkans geadelt oder als die Meinung eines besessenen Fußballverrückten, der nie, nie, nie verlieren kann (…) Sicherlich haben die Bajuwaren, angesichts des frühen Aus in der Champions League im vergangenen Jahr, dieses Mal gesteigertes Augenmerk auf die Königsklasse gerichtet, doch bemerkenswert ist, dass sie die Doppelbelastung deutlich schlechter wegstecken als etwa der VfB Stuttgart. Den Schwaben scheint alles zuzufliegen, nichts sieht nach Mühsal oder gar Arbeit aus: Leicht und locker schweben sie von Sieg zu Sieg, bisweilen reichen ihnen schon 180 flotte Sekunden. Leicht und locker wird es bei den Bayern nie aussehen. Das ist nicht ihr Stil. Sie bevorzugen die Zweckmäßigkeit. Wenn sie so weitermachen, wird es dauern, ehe sie wieder da stehen, wo sie gemäß des großmäuligen O. Kahn hingehören: Wir fühlen uns nicht wohl, wenn wir nicht auf Platz eins stehen. Wir befürchten das Schlimmste.“

Nach gut einer halben Stunde gaben die Bayern sich geschlagen

Richard Leipold (Handelsblatt 3.11.) berichtet vom Spiel: “Die Abgebrühtheit, die sonst den FC Bayern auszeichnet, verkörperte in der Schalker Arena der niederländische Mittelfeldspieler Niels Oude Kamphuis, der die Fäden der Handlung auf der Rasenbühne jederzeit fest in Händen hielt: als Spielgestalter, Provokateur und Torschütze. Vor allem Thomas Linke, dem soliden Münchner Verteidiger, wurde die unheimliche Begegnung mit dem Schalker, der nach viermonatiger Verletzungspause ers t sein zweites Pflichtspiel bestritt, zum Verhängnis. Erst setzte Oude Kamphuis im Zweikampf mit Linke so geschickt zum Flug an, dass der zuständige Schiedsrichterassistent seinen Chef Edgar Steinborn mit einem spontanen Wink dazu aufforderte, Strafstoß zu pfeifen. Hajto vollendete vom Elfmeterpunkt, was der Schwalbenkönig so gerissen eingefädelt hatte. Der zweite Zusammenstoß mit Oude Kamphuis, diesmal im Schalker Strafraum, verlief für Linke noch dramatischer, folgenschwerer als der erste. Weil der lästige Widersacher ihn festhielt, verlor Linke die Nerven und streckte Oude Kamphuis mit dem Ellenbogen nieder. Dieser Treffer war so klar gesetzt, dass Steinborn ohne Fahnenschwenk von der Seitenlinie seine Entscheidung treffen konnte und dem Täter die Rote Karte zeigte. Nach gut einer halben Stunde gaben die Bayern sich geschlagen.“

Für die Schalker seien die Bayern, laut Holger Pauler (taz 3.11.), der „ideale Aufbaugegner“ gewesen: „Der Rekordmeister trat in Gelsenkirchen selbstgefällig auf. Arrogant in der Spieleröffnung und überhart in den Zweikämpfen. Emotionen beschränkten sich auf das Spiel ohne Ball. Oliver Kahn rannte über den halben Platz, um Rudi Assauer seine Meinung zu sagen. Uli Hoeneß ließ sich auf Diskussionen mit dem Publikum ein, und Co-Trainer Michael Henke bearbeitete abwechselnd Schieds- und Linienrichter. Die anfangs zehn, nach Linkes Platzverweis nur noch neun Feldspieler mochten dem auf dem Platz nichts Adäquates entgegensetzen. Wir haben nicht alles aus uns rausgeholt, was möglich ist, sagte Oliver Kahn. Alibierklärungen, wie sie angesichts des umstrittenen Elfmeter zu hören waren, brächten nichts. Eine einzige Torchance gab es – in der ersten Halbzeit durch Roque Santa Cruz. Roy Makaay zeigte, dass das Spiel ohne Torschuss nicht zu seinen Stärken zählt. Die wenigen Aktionen liefen an ihm vorbei. Unterstützung gab es allerdings kaum. Auch nicht von Michael Ballack, der sich in zahllosen Zweikämpfen verlor. Wir sind nur Mittelmaß. Ich habe Angst, dass wir den Anschluss ganz verlieren, kommentierte Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld die blutleere Leistung seines Teams.“

Philipp Selldorf (SZ 3.11.) beschreibt Münchner Verkrampfung: „Einen Moment lang konnte sich Uli Hoeneß ein Lächeln nicht versagen; ein kleines triumphales Grinsen darüber, dass all die Reporter all ihre Fragen nicht stellen konnten, die ja doch nur einen Kern haben würden: Wie tief der FC Bayern in der Not steckt, da er nach dem 0:2 beim FC Schalke hinter die Konkurrenz zurückgefallen ist und die Leistungen der Mannschaft von Spiel zu Spiel nachlassen? Hoeneß mochte das partout nicht kommentieren, er zwängte sich durch die Menge, die den Ausgang versperrte, und presste zum Zeichen seiner Entschlossenheit die Lippen aufeinander, dass es weh tun musste. Zumindest vor dem Spiel hatte Hoeneß bei Premiere noch ausführlich über die sensationsgierige Gesellschaft und ihre verkommene Medienkultur geschimpft. „Mir geht das langsam auf den Sack, dass jede Woche ein anderer Trainer durchs Dorf getrieben wird“, hatte er gewettert, und erst als sich Jupp Heynckes zu ihm gesellte, hellte sich sein grimmiges Gesicht ein wenig auf. Und war nicht Heynckes – von einer aggressiven Boulevardpresse bereits von „Don Jupp“ zu „Don Flop“ degradiert – das beste Beispiel für das böse Spiel? Nach der Partie jedoch konnte es Hoeneß auch nicht mehr trösten, dass sein Freund aus alten Münchner Zeiten eine Etage höher erzählte, die Arbeit für Schalke bereite ihm „einen Riesenspaß“. Mit Riesenspaß hat das Spiel des Meisters nichts mehr zu schaffen, und Hoeneß muss nun annehmen, dass als nächstes Objekt der Häme sein FC Bayern durchs Dorf getrieben wird. In Schalke setzte sich für die Münchner ein angekündigter Niedergang fort.“

VfB Stuttgart – SC Freiburg 4:1

Die VfB-Vereinsmitgliedschaft wirkt derzeit wie ein Antidepressivum

Peter Heß (FAZ 3.11.) preist die Stuttgarter: “Bedenkenträger wegtreten ,Miesmacher, Mund‘ zu, Pessimisten und Besitzstandswahrer, trollt euch! Alles wird gut. Mit dem VfB als Wahlkampfhelfer könnte sogar die SPD eine Volksabstimmung gewinnen. Die Stuttgarter Fußballprofis bilden zur Zeit einen lebendigen Gegenentwurf in kurzen Hosen zu einer Gesellschaft voller Zukunftsangst. Der Gegner überraschend stark? Na und. Die Beine schwer? Macht nichts. Der eigene Torwart leitet den Ausgleich zum psychologisch ach so ungünstigen Zeitpunkt unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff ein? Wird schon werden. Und siehe da – es wurde was. Nach einer holprigen ersten Halbzeit besiegte der VfB den SC Freiburg noch 4:1. Drei wunderschöne Tore von Tiffert, Hleb und wiederum Kuranyi in nicht einmal vier Minuten versetzten die schwäbische Anhängerschaft in Verzücken. Die VfB-Vereinsmitgliedschaft wirkt derzeit wie ein Antidepressivum – es sollte sie auf Krankenschein geben. Acht Siege, drei Unentschieden, null Niederlagen lautet mittlerweile die Bundesligabilanz des VfB, der letzte Spielverlust liegt fünf Monate zurück. Eine Serie, die dem Potential der Mannschaft durchaus entspricht, die aber auch ihre Tücken hat. Aus Niederlagen zieht man die beste Motivation, wir haben lange nicht verloren, sagt Trainer Magath, der damit die mäßige Leistung seiner Spieler in der ersten Halbzeit erklärte. Kein Tempo, kein Risiko, keine Aggressivität: Das Stuttgarter Spiel schien von der Einstellung geprägt, wieso sollen wir uns übermäßig anstrengen, bis jetzt ist es noch immer gutgegangen? Magath nahm sich seine Profis in der Halbzeitpause so zur Brust, daß Torwart Hildebrand von einem Anschiß sprach. Die Nummer eins des VfB hatte durch ihren übermotivierten Einsatz gegen Berner (Das war ein bißchen blöd), den Schiedsrichter Janßen zu Recht mit einem Foulelfmeter ahndete, die von Magath beabsichtigte Tonlage noch verschärft.“

Martin Hägele (Tsp 3.11.) fügt hinzu: „Für häufige VfB-Beobachter kündigte sich das Tor-Gewitter an. Nur, dass es so heftig und oft im Freiburger Strafraum einschlagen würde, ließ sich nicht vorhersagen. Selbst Magath war überrascht, in welchem Tempo Tiffert, dann Hleb und als Krönung der Stuttgarter Spielwut Kuranyi das Tor von Richard Golz zur badischen Schießbude degradierten. Nicht einmal der Stadionsprecher konnte dem Jubel-Protokoll folgen; es war ihm kaum möglich, die Geschichte der fantastisch herausgespielten Tore chronologisch nachzuerzählen – schon war das nächste unterwegs. Vom 1:1 zum 4:1 hatte es insgesamt 195 Sekunden gedauert. Fast genauso schnell wie der Hurrikan „Junge Wilde“ über die dezimierten Freiburger gekommen war, legte er sich wieder. Unter Magath hält sich das Stuttgarter Ensemble nicht lange mit regionalpatriotischen Parolen auf. Von Tiffert wurde zwar der Satz überliefert, „dass es unheimlich geil war, wie Hinkel bei seinem Solo vor dem 4:1 alle Freiburger verarscht hat“. Doch dieses Lob galt der Klasse des Kollegen, es hatte absolut nichts mit der landsmannschaftlichen Rivalität im Südweststaat zu tun. Die VfB-Profis hakten den Derby-Erfolg und die momentane Tabellenführung als Selbstverständlichkeit ab.“

VfL Wolfsburg – Hertha BSC Berlin 3:0

Manndeckung? Das ist Fußball von 1954!

Javier Cáceres (SZ 3.11.) meldet nichts neues in Berlin: „„Stevens raus!“, gellte es aus der Kurve, in der die mitgereisten Fans des Hauptstadtklubs standen. Eine Woche lang hatten sie den Ruf heruntergeschluckt, um ihren Teil zur Beruhigung der Lage beizusteuern. Und nun? Nun hat Stevens wieder die Gewissheit, dass ihm seitens der Sympathisanten des Vereins eine Fehlertoleranz nahe Null eingeräumt wird. Die Lage ist also wieder so ultimativ wie vor den beiden Visiten in Rostock. Dort hatten ihm zwei Siege hintereinander den Arbeitsplatz gesichert, durch Tore von Stürmern (Nando Rafael, Luizão), die über ein Jahr lang nur deshalb keine Spinnweben von ihren Beinen fegen mussten, weil sie sich dann und wann aufwärmen durften. Rostock ist vergessen, der Bocksgesang findet Fortsetzung, mit der brachialen Gewalt der Schicksalsträchtigkeit. Als hätte eine faustische Hand das Drehbuch verfertigt. Denn die Niederlage, die in das da capo der Stevens-Raus-Gesänge mündete, hatte tatsächlich tragische Momente – so sehr man die Berechtigung des Wolfsburger Sieges nur bei selektiver Wahrnehmung in Abrede stellen konnte. Denn Wolfsburg war die bessere Equipe; vor allem, weil ihr argentinischer Regisseur Andrés D’Alessandro einen heroischen Tag hatte – und darauf hinwies, dass er eines nicht allzu fernen Tages zu den großen Tenören des Weltfußballs zählen wird. Wenngleich er sich durchaus darüber wundern durfte, wie viel Raum ihm Herthas defensive Mittelfeldkräfte Pal Dardai und Niko Kovac („Manndeckung? Das ist Fußball von 1954!“) einräumten. Als Hertha noch mitspielte, nach rund 20 Minuten, schwang sich D’Alessandro mit einem Kunststoß zum Deus ex Machina der Partie auf: der Ball drehte sich vor Herthas Torwart Gabor Kiraly weg wie ein intelligentes Geschoss.“

Der Fan ist nicht loyal, sondern ein Scharfrichter, der auf den Rängen steht

Christoph Biermann (SZ 3.11.) findet keinen Gefallen an neuer Direkt-Demokratie: „Wir schreiben das Jahr, in dem die Busblockade zur Herbstmode wurde. Wo immer spielerische Krisen heraufdämmern, jämmerliche Niederlagen fabriziert werden oder schlicht die Punkte fehlen, rollt sich ein Teppich erboster Menschen in Vereinsfarben vor den Bussen aus. Das sieht auf den ersten Blick wie Mutlangen oder Gorleben revisited aus, also nach tollem basisdemokratischem Widerstand, mit dem Teilhabe an den Geschehnissen gefordert wird. Meistens kommen Spieler, Trainer und Manager auch angetrollt, versprechen unter den Augen der Kameras brav Besserung, und hinterher wird von reinigenden Prozessen gesprochen. Die Marotte des Bundesliga-Sitzstreiks mag in seltenen Fällen angemessen sein, sollte aber nicht mit den legitimen Fanprotesten der vergangenen Jahre verwechselt werden. Etwa gegen die Zerstückelung des Spielplans oder gegen wachsende Polizeiwillkür in den Stadien. Der Busblockierer hingegen ist in aller Regel ein renitenter Kleinbürger. Er gibt einem deprimierenden Weltbild Ausdruck, das nur aus Leistung und Gegenleistung besteht. Meistens schreit er: „Wir woll’n euch kämpfen sehen.“ Damit meint er, dass die Spieler auf dem Platz so viel malochen sollen wie er selbst. Oder eigentlich: 50 Mal so viel malochen, weil sie schließlich 50 Mal so viel verdienen. Der Busblockierer bringt sich damit um jeden Spaß. Er will Fußballprofis nicht als Künstler sehen, die sie längst sind, sondern als Arbeitskollegen. Er ist nicht loyal, sondern ein Scharfrichter, der auf den Rängen steht und Schulnoten verteilt: ungenügend, weitere Unterstützung gefährdet.“

Herthas Stimmung ist jetzt schon wieder abstiegsreif

Auch Katrin Weber-Klüber (FTD 3.11.) blickt nicht mehr durch bei der „vereinsinternen Entscheidung, die man außerhalb des Vereins Ultimatum für den Trainer nannte. Aber innerhalb des Vereins wurde das Wort zum Unwort erklärt, man entschied sich für die Formulierung Vereinbarung, sozusagen ultimativ, nur eben ohne diesen fiesen Forderungscharakter. Der Vorgang wurde dadurch aber auch nicht besser, er blieb weiter eine Gaukelei und sorgte für Verwirrung. Eine Berliner Boulevardzeitung wurde davon erfasst, sie titelte: „Hertha BSE – Ihr seid doch irre!“ Naja, funktioniert hat die heimlich ultimative Vereinbarung zwischen Herthas Manager Dieter Hoeneß und Herthas Trainer Huub Stevens dann trotzdem, ein bisschen. Die zwei ersten Saisonsiege waren im Schicksalswochenplan vorgegeben. Sie wurden erreicht. Aber Herthas Aufschwung dauerte nur ungefähr so lange wie die Prognosen halten, die allwöchentlich die Wende in der Wirtschaftskrise ankündigen. In Wolfsburg gab es für die Berliner jetzt erneut vorne nichts und hinten ein paar Gegentore. Herthas Stimmung ist jetzt schon wieder abstiegsreif. Aber, gemach. Sie muss es ja nicht ultimativ sein. Denn es ist dies eine Saison, in der ein Verein mit acht Punkten aus elf Spielen tatsächlich auf einem Nichtabstiegsplatz steht. Und zwar sogar noch hinter der Frankfurter Eintracht, die bekanntlich nur aus Versehen aufgestiegen ist und auch spielt wie ein verirrter Zweitligist. Nach jetzigem Stand, immerhin knapp einem Drittel der Saison, müsste eine Mannschaft jedenfalls nur in jedem zweiten Spiel einen Punkt einsammeln, nur jedes zehnte Spiel gewinnen – und hielte trotzdem die Klasse. Kurz gesagt: In dieser Saison aus der Ersten Liga abzusteigen, ist richtig schwer. Noch schwerer als zu verstehen, was der Unterschied zwischen einem Ultimatum und einer ultimativen Vereinbarung ist. Aber so bedeutende Dinge können eh nur Fachleute wie Stevens und Hoeneß begreifen.“

Michael Rosentritt (Tsp 3.11.) ergänzt: „Dieter Hoeneß dürfte nicht entgangen sein, dass die Angelegenheit weder für ihn und Stevens noch für die Mannschaft einfacher geworden ist. Das Ultimatum ist erfüllt worden, aber erfüllt sich auch die Hoffnung auf eine Zukunft frei von Störungen? Zudem wurde in Wolfsburg erneut deutlich, wie es um die Qualität des kickenden Personals bestellt ist. Die Mannschaft ist einfach überschätzt“

Peter Unfried (taz 3.11.) gratuliert dem „Mann des Spiels“: „Wolfsburg ist – zumindest zu Hause – einfach eine Klasse besser als Hansa Rostock und derzeit auch Hertha. Kein Spitzenteam, aber mit einer Spitzenoffensive gesegnet – und mit Andrés dAlessandro (22). Der Argentinier wurde für neun Millionen Euro im Zuge der Kooperation von VfL-Besitzer VW und VW Argentinien von River Plate Buenos Aires geholt. Er ist ein Spieler, der den Unterschied ausmachen kann – und gegen Hertha ausmachte. Während drüben Spielmacher Marcelinho längst nicht wieder fit ist – und von Sarpei nahezu komplett aus dem Spiel genommen wurde, führte DAlessandro den VfL zum Sieg. Selbstverständlich verbieten sich alle Vergleiche mit Diego Maradona. Der, sagt DAlessandro, war der Größte von allen. Er selbst hat zunächst mal sein bestes Spiel in Wolfsburg gemacht. Ist bis auf Weiteres ein junger, eher schüchterner Mann, dem seine Jugendlichkeit im Gesicht steht. Auf dem Platz ist er – ohne die übliche Akklimatisierungszeit – sofort zum kleinen König von Wolfsburg geworden. DAlessandro kann mit seinem perfekten linken Fuß und dem schnellen Antritt aus dem Stand selbst eine gestaffelte Doppeldeckung abschütteln. Wohl auch eine, die besser funktioniert als jene von Hertha.“

Borussia Mönchengladbach – Hansa Rostock 1:1

Ausdauernder, schöner und chancenreicher Fußball ohne Tore

Ulrich Hartmann (SZ 3.11.) beklagt Gladbacher Mängel: „Das war falsch. Ein kapitaler Fehler. Mitten in der Saison, tief unten im Tabellenkeller und geradewegs in die prägende Phase einer jungen Spielzeit hinein hätte dieser wichtigste Personalposten bei Borussia Mönchengladbach nicht vorschnell neu besetzt werden dürfen. Ausgerechnet vor dem wegweisenden Kellerduell gegen das Schlusslicht Hansa Rostock haben sie in das mannsgroße Pferdekostüm des Vereinsmaskottchens Jünter einfach den Gewinner eines Preisrätsels gesteckt. Tapfer warf der vor dem Spiel die Hufe in die Luft und wieherte dem Bökelberg munter zu. Doch das Glück lässt sich nicht täuschen. Am Ende haben die Gladbacher nur 1:1 gespielt und dabei so viele und so gute Torchancen vergeben, dass man daraus eine lehrreiche Videoanalyse anfertigen könnte. Natürlich haben alle das fehlende Glück beklagt. Man sei aber trotzdem auf dem richtigen Weg, sagte der Trainer Holger Fach tapfer. Die Spielfreude sei das beste Indiz dafür, dass der Trainerwechsel sich gelohnt habe, sagte Manager Christian Hochstätter trotzig. Nur aus einem Mund klangen Zweifel: „Bei so vielen vergebenen Chancen weiß ich gar nicht, ob man das noch Pech nennen kann“, sagte der Abwehrspieler Bernd Korzynietz. Das klingt ein bisschen nach Aufbegehren, doch der Mann hat erstens Recht und zweitens die Gabe, in einem Satz die beiden maßgeblichsten Aspekte der neueren Gladbacher Spielkultur unterzubringen. Seit Holger Fach Trainer ist, spielt die Mannschaft einen ausdauernden, schönen und chancenreichen Fußball. Aber die Spieler schießen zu wenig Tore.“

Alexander Schäffer (FAZ 3.11.) fasst die Reaktionen zweier siegloser Trainer zusammen: „Fortschritt? Stillstand? Rückschritt? Bei der Bestandsaufnahme der immer noch sieglosen Trainer entschied sich Juri Schlünz für die erste Variante. Unsere Niederlagenserie ist gestoppt, das zählt. Sechs Spiele in Folge hatte Hansa zuvor verloren, da war Schlünz schon froh, in seinem vierten Spiel als Cheftrainer zum ersten Mal nicht als Verlierer vom Platz zu gehen. Für seinen Kollegen Holger Fach bedeutete das Unentschieden dagegen einen Rückschritt. Sein fünfter Versuch in der Bundesliga, den ersten Sieg unter seiner Regie zu feiern, schlug fehl. Je länger man kein Spiel gewinnt, desto größer wird der Druck, sagt Fach. Worte, die beim Blick auf die Tabelle an Gewicht gewannen.“

1860 München – VfL Bochum 3:1

Solitär Lauth steht für die Zukunft der Löwen

Klaus Hoeltzenbein (SZ 3.11.) applaudiert: „Wenn ein Bundesligist 999 Tore zu Stande gebracht hat, wie wünscht er sich das nächste? In einem guten Licht natürlich – weshalb der Hausmeister des Olympiastadions zur Halbzeit ahnungsvoll die Strahler einschaltete. Da höhere Mächte ebenfalls die Bedeutung des Bevorstehenden erahnten, setzten sie ein makelloses Himmeldunkelblau darüber, gerade so, als hätten es die Verstorbenen vom Ehrenrat des TSV 1860 München höchstselbst abgemischt. Die letzten Sonnenstrahlen, die durch die Decke brachen, vereinten sich mit dem Kunstlicht, und so war der Rahmen für den großen Kitsch gesetzt: in gülden-herbstlichem Glanz erstrahlten die Pfeiler der Zeltkonstruktion, als sich der Mann in den weißen Schuhen auf die Reise machte. Wie man sich das 1000. Tor erträumt? Einfach, aber eindrucksvoll, als Dreisatz aus der Fibel des Fußballs, etwa so: Abschlag vom Torwart, Kopfball-Verlängerung am Mittelkreis, und dann ein 50-m-Sprint, bei dem die Gratulanten so brav Spalier stehen wie Sören Colding und Frank Fahrenhorst vom VfL Bochum. Eigentlich hätten die beiden noch Beifall klatschen müssen, hat doch alles prima gepasst in dieser Inszenierung um kurz nach halb fünf. Die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlug ausgerechnet Benjamin Lauth jener Profi, der seit der D-Jugend bei 1860 ist, und der als Solitär für die Zukunft der Löwen steht. Da er seine Rolle zuletzt aber anders ausfüllte als geplant, nämlich auffälliger bei Bravo im Starschnitt denn als Terminator vor dem Tor, hatte sich die Kritik zum Pokal-K.o. bei Zweitligist Alemannia Aachen auf die Person des Stürmers konzentriert (…) Honoriert wird es kaum, dass die Löwen, zunächst als Abstiegskandidat gehandelt, höher finanzierte Teams wie Schalke, Hamburg oder Hertha hinter sich wissen. Auch der Trend zur Jugend findet wenig Anhang – gegen Bochum kamen 18 000. Die brachten ein blocküberspannendes Plakatband mit: „1000 Tore hin oder her – Erfolge müssen her! 11 Flaschen auf dem Platz, gebt uns unser Pfand zurück!“ Einiges muss also kaputt gegangen sein bei den Sechzigern, nicht nur in Aachen, länger schon, zwischen Tor 1 und 1002. Deshalb zur Pfandregel nur eines: Fußballer sind, wenn überhaupt, Einwegflaschen. Zurück gibt es da gar nichts.“

Detlef Dresslein (FAZ 3.11.) hat das Spiel gefallen: „Die Ansetzung München 1860 – VfL Bochum wird normalerweise gerne auf den Wühltisch der Bundesliga gepackt. Unattraktiv und langweilig, irgendwie übriggeblieben, keiner will sie wirklich sehen. Und so besuchten nur 18 000 Zuschauer am ersten Tag des Trauermonats das im November besonders gruselige Olympiastadion. Jedoch: Sie bereuten es nicht. Alle anderen verpaßten einen 3:1-Sieg der Münchner, ihr 1000. Tor in der Bundesliga, Benny Lauths Hattrick, und sie wurden nicht Augenzeugen eines großen Schritts nach vorne. Daß das Spiel für gute Laune sorgte, das hatten auch die Bochumer mit zu verantworten. Mutig und turbulent wollten sie spielen, so wie zuletzt gegen die Branchengrößen Schalke und Dortmund, als überzeugende Siege gelangen. Bezeichnend die mitunter kopflose Offensive, die VfL-Trainer Peter Neururer nach dem Spiel einräumte: Wir wollten nach dem 2:1 bedingungslos nach vorne stürmen, ich habe alles gebracht, was als Stürmer bei uns unter Vertrag steht. Das ist mutig, wenngleich etwas naiv (…) Erstaunlich ist, daß Falko Götz, den immer noch nicht alle mögen in München, fast jede Woche einen neuen Spieler herbeizaubert. Nach dem Motto: Was einmal klappt, funktioniert noch öfters. Im Sog von Lauth erarbeitete sich erst Andreas Görlitz als starker Außenbahnspieler einen Stammplatz, dann kam kürzlich Daniel Baier aus dem Nichts daher, gegen Bochum debütierte Matthias Lehmann, Götz meinte, daß Lehmann gespielt hat wie ein Alter, er hat allen viel Spaß gemacht. Und weil es derzeit so schön ist mit dem Stuttgarter Modell, brachte Götz schließlich noch den bis dahin völlig unbekannten Marcel Schäfer ins Spiel und damit den fünften Perspektivspieler aus dem eigenen Nachwuchs.“

Detlef Dresslein (FAZ 3.11.) porträtiert den „Mann des Tages“: „Seine Augen sind so hellblau und weiß wie die Farben seines Arbeitgebers. Sie strahlen manchmal Kühle aus, und wenn die Lider etwas tiefer rutschen, dann wirkt er abweisend, verschlossen und etwas arrogant. Was einem halt auch gerne unterstellt wird, wenn man weiß, was man will, und sich nicht gleich mit allen anfreunden mag. Dennoch ist er ein balltretender Popstar, wird von Knirpsen und Pubertierenden angehimmelt. Und wegen ihm wird auch an der Grünwalder Straße beim Training gekreischt. Er ist einer aus der Generation Kuranyi: selbstbewußt, frech, mit sicherem Auftritt, ein wenig eitel, aber auch zu klug, um wirklich abzuheben. Er hat einen eigenen Internetauftritt, läßt sich alle paar Monate neu stylen, weil mir immer die gleiche Frisur langweilig wird, und ist auch bei Kleidung und Musik stets stilsicher. Nun hat Benjamin Lauth die erste Krise seiner kurzen Karriere überstanden. Er hat drei Tore nacheinander in einer Halbzeit, somit einen Hattrick erzielt, einen lupenreinen, wie es dann immer sprachlich unrein heißt. Zumal ein Hattrick im originären englischen Sinne nur bedeutet, daß ein Spieler überhaupt drei Tore innerhalb eines Spieles erzielt hat. Sein erstes Tor, der Ausgleich kurz nach der Pause, war außerdem das 1000. Bundesliga-Tor des TSV München von 1860. Das fanden dann alle schön, daß ausgerechnet er es erzielte. Denn Lauth spielt seit 1992, seit der D-Jugend, bei den Löwen.“

1. FC Köln – Hannover 96 1:2

Christoph Biermann (SZ 3.11.) stellt den Neuen vor: „Mit der Verpflichtung von Koller setzt Manager Rettig viel auf eine Karte. Der Vertrag mit Koller wurde bis zum 1. Juli 2006 abgeschlossen und gilt auch für die Zweite Liga. „Er steht für eine bestimmte Spielauffassung, die mir selbst gefällt“, sagte Rettig. Koller soll nicht einfach der Retter in der Not des Abstiegskampfes sein. „Ich liebe den Offensivfußball“, sagte der neue Coach, und auf dieser Basis soll er einen neuen 1. FC Köln formen. Die Möglichkeit dazu besteht vor allem zur nächsten Saison, wenn zwölf Verträge auslaufen und der Kader neu zusammengestellt werden kann. Ganz ohne Risiko ist das nicht, denn in Koller kommt ein Trainer nach Köln, der fast sein ganzes Leben bei einem Klub war. Schon als Zwölfjähriger kam der gelernte Sanitärinstallateur zu den Grasshoppers Zürich. Im Laufe seiner Karriere als Profi gewann er siebenmal die Schweizer Meisterschaft und fünfmal den Pokal. Er spielte am Hardturm unter Trainer Hennes Weisweiler und wurde später Assistent von Leo Beenhakker. 1997 wurde Koller Cheftrainer beim FC Will, gewann 2000 beim FC St. Gallen mit Gladbachs heutigem Keeper Jörg Stiel den Titel. Im Januar 2002 kehrte Koller dann zu seinen Grasshoppers zurück und wurde in diesem Sommer Schweizer Meister. Unterstützung für die Verpflichtung von Koller kam am Sonntag aus München. „Er ist ein exzellenter Trainer mit viel Fußball-Sachverstand und taktisch sehr gut geschult. Ich bin überzeugt, dass er Köln weiterbringt“, sagte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld. Das dürfte Rettig gern gehört haben.“

Viel Glück, Marcel Koller!

Claudio Klages (NZZ 3.11.) gibt seinem Landsmann die besten Wünsche auf die Reise ins nördliche Nachbarland: „Kompliment, Marcel Koller, der Karriereschritt ist ehrenvoll und bemerkenswert. Der 42-Jährige taucht damit in eine völlig neue Fussballwelt ein, so wie zuvor Gross in London, Fringer in Stuttgart oder Andermatt in Ulm und Frankfurt. Von einem Schritt durch die Pforte des Fussballparadieses Bundesliga zu sprechen, wäre zwar reichlich übertrieben, aber Koller und damit auch der Schweizer Fussball dürfen sich künftig in einem grösseren Schaufenster präsentieren. Entsprechend hoch ist der Erwartungsdruck zu veranschlagen, jener der Fans wie der Medien und der Klubleitung, obwohl deren Sportchef und Headhunter Andreas Rettig „seinem“ Wunschtrainer mit Sicherheit den Rücken längerfristig stärken wird. Die beiden hängen nun am gleichen Fallstrick. Der 1.FC Köln dümpelt gegenwärtig in seichten Tabellenregionen, weit entfernt von ehrgeizigen Ambitionen. Koller muss entsprechend eine Mannschaft aus dem Sumpf ziehen und auf Vordermann bringen. Etwas völlig Neues für den beschaulichere Szenen im Schweizer Alltag gewohnten, kommunikativ nicht gerade brillanten Zürcher. An seinem Mut zu Veränderungen, Resultaten und Taten wird er vom knallharten deutschen Boulevard gemessen, rascher, als ihm vielleicht lieb sein wird. Nicht nur der Anhang am Geissbockheim wird schnell die Messer wetzen. Viel Glück, Marcel Koller!“

Jörg Stratmann (FAZ 3.11.) warnt Koller: „Ob ihm das fähige Personal, das er für seine moderne Spielauffassung benötigt, tatsächlich zur Verfügung steht, muß der neue Trainer erst noch herausfinden. Bislang hat er die Kölner nur einmal leibhaftig spielen sehen. Was er sah, konnte ihm noch nicht vollständig gefallen. Zwar zeigte dabei sogar der spielstarke Kapitän Dirk Lottner, daß er auch grätschen kann. Doch solche Bereitschaft, Drecksarbeit zu leisten, hält Koller ohnehin für die selbstverständliche Basis, auf der sich alles andere aufbauen lasse. Derart kernige Ankündigungen verdecken etwas, daß dem Schweizer auch der Ruf des sensiblen Umgangs mit Menschen vorauseilt. Darüber hinaus verfüge er über eine ausgeprägte Motivationsfähigkeit, heißt es. Was er darunter versteht, konnte er beim ersten Training nur in Ansätzen vermitteln. Zum Beispiel beim Torschußtraining, bei dem jeder Fehlschuß mit fünf Liegestützen bestraft wurde. Dem ersten Anschein nach werden die Kölner Profis zumindest mit ausgeprägtem Trizeps in die nächsten Spiele gehen.“

Werder Bremen – Eintracht Frankfurt 3:1

Bremen scheint für die Frankfurter so weit weg wie eine ferne Galaxie

Jan Christian Müller (FR 3.11.) resigniert: „Es war eine bezeichnende Szene, die sich nach einer halben Stunde vor der Gegentribüne des Weserstadions abspielte. Längst stand es durch Ailton und Baumann 2:0 für die turmhoch überlegenen Bremer, als der Frankfurter Markus Kreuz auf der linken Seite an den Ball kam. Kreuz schaute zur Mitte. Doch niemand bot sich an. Er hastete ein paar unsichere Schritte Richtung Mittellinie, wo er von drei Bremern attackiert wurde. Niemand half ihm. Dann schaffte er es irgendwie, einen Einwurf herauszuholen. Das war an diesem Nachmittag schon ein Erfolgserlebnis. Selten zuvor hat sich in der höchsten deutschen Spielklasse ein Gegner in Bremen vorgestellt, der ähnlich ängstlich, zaudernd und bescheiden auftrat wie diese Frankfurter Eintracht. Es waren ja auch zwei Welten, die sich da am Weserufer trafen. Hier die vor Selbstvertrauen fast platzenden Torproduzenten aus Bremen, dort eine von Selbstzweifeln geplagte Eintracht. Die Schere hat sich breit geöffnet, seit Bremer und Frankfurter sich im April 1999 an gleicher Stelle trafen. Damals noch auf Augenhöhe. Die Eintracht gewann 2:1, schaffte am Ende den Klassenerhalt, genau wie die Bremer, die sich einen Tag nach der Niederlage gegen die Eintracht von Felix Magath trennten. Viereinhalb Jahre später scheint Bremen für die Frankfurter so weit weg wie eine ferne Galaxie.“

Ernstzunehmenden Größe in der Spitzengruppe

Michael Eder (FAZ 3.11.) erkennt den Unterschied: „Kühl und mit beeindruckendem Selbstbewußtsein hatten die Norddeutschen ihrem Gegner aus Hessen eine Lehrstunde erteilt, die der Frankfurter Torhüter Oka Nikolov treffend zusammenfaßte: Das war für Bremen nur ein Trainingsspiel, mehr kann man nicht sagen. (…) Die Gewißheit, eine Spitzenmannschaft zu sein, die im Spiel jederzeit den Rhythmus und das Tempo wechseln kann und auf Rückschläge und Gegentore mit einer kollektiven Leistungssteigerung reagiert, macht die Bremer so selbstsicher – und nebenbei zu einer ernstzunehmenden Größe in der Spitzengruppe der Bundesliga. Daß die technisch besonders wertvolle Bremer Mannschaft im Gefühl der eigenen Stärke bisweilen zur brotlosen Schönspielerei neigt und dabei den Gegner immer wieder mal so ins Spiel bringt wie die Frankfurter, sieht man ihr nach, solange sie ohne sichtbare Anstrengung die Verhältnisse wieder zurechtrücken kann (…) Während die Bremer den Sieg als selbstverständlich hinnahmen, war bei den Frankfurtern Trainer Willi Reimann bemüht, den Unmut des hessischen Anhangs auf den Tribünen mit dem Hinweis zu relativieren, mehr als das Gebotene könne man von seiner Mannschaft wohl kaum erwarten. Kleiner Etat, kleine Namen, insgesamt schlechte Voraussetzungen. Sollen wir als Aufsteiger Werder wegputzen? fragte Reimann. Das würden die Frankfurter Fans nicht verlangen, aber wohl ab und zu einmal einen Auftritt ihrer Mannschaft, der ein wenig offensiver, ein wenig mutiger, ein wenig ansehnlicher ist. Reimann will in dieser Saison den Catenaccio offenbar als hessische Spezialität etablieren. Trotz der teilweise grauenhaften Spielweise seiner Mannschaft, die am Mittwoch im Pokal dem Zweitligaverein MSV Duisburg unterlegen war, ist sein Arbeitsplatz noch sicher, was zweierlei Gründe hat. Zum einen hat Reimann als Aufstiegstrainer in Frankfurt noch immer Kredit, zum zweiten ist der Verein organisatorisch in einem Zustand, verglichen mit dem die Mannschaft reif für die Champions League ist. Es gibt weder einen Vorstandsvorsitzenden noch einen Manager, Reimanns vorgesetzter ehrenamtlicher Sportvorstand ist ein Rentner, der, wenn er nicht gerade Golf spielt, manchmal bei den Spielen und beim Training vorbeischaut. Der Chef ist Reimann, und der läßt die Eintracht spielen, wie er will, meist so wie in Bremen.“

Bremer Torwart-Virus

Jörg Marwedel (SZ 3.11.) befasst sich mit „jener sonderbaren Krankheit, die längst als Bremer Torwart-Virus bekannt geworden ist und für die es offenbar kein Gegenmittel gibt. So lassen sich einstweilen nur die Symptome beschreiben, unter denen die Bremer Torhüter in unregelmäßigen Abständen seit bald 20 Jahren leiden: eine kurzzeitige partielle Lähmung von Hirn, Armen oder Beinen, die zu einer weit überdurchschnittlichen Häufung von kuriosesten Gegentreffern bei ansonsten weitgehend uneingeschränkter Leistungsfähigkeit führt (der jüngste Fall war am Samstag am Beispiel des aktuellen Patienten Andreas Reinke zu besichtigen, der eine harmlose Flanke in der Manier eines kurzsichtigen Rheumatikers durch die Hände gleiten ließ); ihre Ursache aber liegt weiter im Dunkeln. Zu vermuten ist, dass das Virus in den achtziger Jahren durch einen jungen Mann namens Oliver Reck aus Offenbach eingeschleppt wurde. Auch in insgesamt 14 Jahren konnte Reck, den sie bald „Pannen-Olli“ tauften, nie restlos geheilt werden.“

1.FC Kaiserslautern – Bayer Leverkusen 0:0

Martin Hägele (NZZ 3.11.) hat Stil-Unterschiede festgestellt: „Anfangs klangen die frechen Chöre der Pfälzer Fussballfreunde noch wie das berühmte Pfeifen im Wald. „Ihr werdet nie Deutscher Meister“, höhnten die FCK-Fans aus der Westkurve. Dort, wo das Herz des Fritz-Walter-Klubs schlägt, während ihre Lieblinge auf dem Rasen von den Spielern des Leaders nach allen Regeln der Kunst vorgeführt wurden. Nur zum entscheidenden Torschuss konnten sich die Virtuosen aus dem Bayer- Ballett nicht entschliessen. Und so kam es, wie es immer kommt, wenn sich eine haushoch überlegene Mannschaft mit ihrer optischen Dominanz begnügt. Mit zunehmender Zeit zogen die „roten Teufel“ die Asse von Coach Augenthaler auf ihr erbärmliches Niveau herunter, und mit gestärktem Selbstvertrauen nach der Pause entwickelten die Hausherrn auf einmal ordentliches Niveau. Am Ende konnten sich die Bayer-Spieler bei ihrem Keeper Butt bedanken, dass es beim 0:0 blieb – die Tabellenführung waren Nowotny und Co. allerdings los.“

morgen auf indirekter-freistoss: mehr zu den Sonntags-Spielen in Kaiserslautern und Dortmund, Auslandsfußball u.v.m.

Europas Fußball am Wochenende: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen, Zuschauer NZZ

Christian Eichler (FAS 2.11.) schaut hin, wo’s weh tut: „Die Unterhose: das unterschätzte Kleidungsstück des Sports. Dem nützlichen Utensil verdankt die Fußballwelt jene unsterbliche Szene aus Nick Hornbys Klassiker Fever Pitch, in der der Held seine Angebetete in der ersten Liebesnacht mit einem rot-weißen Slip von Arsenal London überrascht – als frühzeitiges Signal dafür, daß die Macht des Fußballs auch da nicht endet, wo die Frau ganz nah ist. In England macht derzeit ein Amateurteam Furore, das nach einer Niederlagenserie neue Glücksbringer suchte. Die Mannschaftssitzung führte zur Idee, unter der Fußballkleidung Damenunterwäsche zu tragen. Nun ist das Team von Moneyfields Sports aus Portsmouth seit vier Spielen mit BH und Damenslip ungeschlagen. Dem Kapitän wird die Sache langsam lästig: Ich hoffe, wir verlieren bald wieder, das Zeug ist einfach zu unbequem. Noch unterschätzter als die gemeine Unterhose ist im Sport ihre langbeinige Unterart. Radioreporter Manfred Breuckmann entwickelte sogar eine Fußballtheorie von der abnehmenden Bedeutung der langen Unterhose. Ein Bedeutungsverlust, der die schleichende Verweichlichung des Volkssports durch übertriebenen Komfort trefflich illustriert. In frühen Jahren, etwa auf dem Aachener Tivoli, kam Breuckmann im Winter nie ohne die Langversion aus: Die Reporter waren damals ungeschützt auf einer Holzbank untergebracht, und eiskalt pfiff der Wind ins Hosenbein. Winddicht und überdacht sitzen heute Fan und Reporter in kommoden Arenen wie auf Schalke, wo man den Supermini Königsblau locker auch im frostigen Winter trägt. Doch Hochmut kommt vor der Blasenentzündung.“

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