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Ballschrank

S.S. Napoli

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für S.S. Napoli

„Das einstige Fussballwunder S.S.Napoli befindet sich am Rande des finanziellen Ruins und des sportlichen Untergangs“, berichtet Peter Hartmann (NZZaS 6.4.) in einem wunderbaren Artikel. „Im fernen Rom hat sich der Schriftsteller und Philosoph Luciano De Crescenzo, der das neapolitanische Fussballwunder zu heiter-lakonischen Geschichten um Diego Maradona verdichtete, mit dem Verfallszustand abgefunden: Im Corriere della Sera stellte er sein ironisches Lamento unter den Titel «Gesucht wird ein Millionär (auch Gebrauchtversion) für Napoli“. Aber er hatte der verklärenden Fussballfolklore, die vorübergehend das Klischee der Volksliedseligkeit von „O Sole mio“ ablöste, schon damals misstraut. „Diese Fussballbegeisterung wirkt wie eine Kopfwehpille – einige Stunden. Neapels Kreuz ist, wie im ganzen Süden Italiens, die Kriminalität, dieser Staat im Staat mit eigenen Gesetzen, mit eigenem Verhaltenskodex, dem sich auch nichtkriminelle Bereiche unterordnen. Es genügt nicht, einfach Geld nach Neapel zu pumpen.“ Der 17. März 1991 war der Tag, als Diego Armando Maradona aus seiner verbunkerten Betonvilla in Posillipo verschwand. Nach dem Spiel Napoli – Bari war er als Kokainkonsument entlarvt worden. Seither ist er nie zurückgekehrt, und die Nummer 10 wird in Neapel nicht mehr vergeben. Die Heiligenbildchen mit dem schwarzen Wuschelkopf in den Schaufenstern zwischen der Piazza dei Martiri und den kleinen Läden von Spaccanapoli sind längst vergilbt, aber vielleicht bringt es noch mehr Unglück, wenn sie jemand entfernt. Zu den Andenken, die er hinterliess, gehört auch der mittlerweile 17-jährige Diego Armando Maradona jr. Der Sohn aus einer Liaison mit der Friseuse Cristina Sinagra, spielt mit dem Napoli-Nachwuchs. Ein weiteres Andenken: eine Steuerschuld von 28 Millionen Euro, von der ihn eine Sympathisantengruppe bestehend aus 130 einheimischen Anwälten und Treuhändern unter Honorarverzicht zu entlasten sucht. Alle Wunder sind in dieser Stadt möglich, die Meistertitel mit Maradona 1987 und 1990, das Blut von San Gennaro, das zuverlässig am Namenstag in die Ampulle in der Hand des Erzbischofs rinnt, und am letzten Montag tauchten im Stadio San Paolo aus dem Nichts 65.000 Zuschauer zum Match gegen Vicenza auf. Manche fürchteten, dies könnte das letzte Spiel gewesen sein, denn was nicht fliesst in Neapel, trotz dieser immer wieder vulkanisch ausbrechenden Begeisterung, ist Geld, flüssiges, echtes, handfestes, unbelastetes, kontengesichertes Geld. Die Napoli S. S. S. p. A. liegt in der Agonie, auf dem viertletzten Platz der Serie B. Auch nach dem 2:1-Sieg über Vicenza ist die Gegenwart unerträglich und die Zukunft ein Albtraum (…) Diego Maradona würde die Stadt nicht mehr erkennen, und wo sind seine Freunde geblieben? Im alten Palast der Camorra-Familie Giuliano in Forcella, berühmt geworden durch die Fotos mit „Dieguito“ in der goldverzierten Badewanne, hat die Polizei kürzlich eine Razzia durchgeführt. Die Räume waren vergammelt, die einzigen Bewohner 28 illegale Pakistaner.“

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