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Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Themen

Themen: Dortmund bangt nach schwachem Spiel um die Teilnahme in der Champions League – Premier League vor dem Saisonstart – Lehmann in England angekommen – unseriöse Finanzpolitik in der Serie A

„Borussia Dortmund droht an Selbstzufriedenheit zu scheitern“, beschreibt die Financial Times Deutschland die schwache Leistung der Dortmunder beim Champions-League-Qualifikationsspiel in Brügge, nachdem die Borussen in der Liga vier Tage zuvor 4:0 gewannen: „Immer wieder eine andere Borussia“, liest man in der Schlagzeile der FAZ.

Ein typischer Dortmunder Stimmungszyklus

Christian Eichler (FAZ 15.8.) diagnostiziert die Dortmunder Krankheit. „Es ist die Psychologie der Laufwege, die im Fußball oft Bände spricht: Wer glaubt, nun laufe alles von allein, läuft weniger, und irgendwann läuft gar nichts mehr. Es ist nicht nur so, daß Sammers Mannschaft seit dem Meistertitel 2002 immer wieder jenen Faden verliert, der das Kämpferische und das Spielerische, die Arbeit und die Kunst des Fußballs zusammenhält – sie verliert ihn sozusagen auf Ansage. Fast jeder überzeugenden Leistung folgt schon bei der nächsten Gelegenheit ein Rückfall, der kein Zufall mehr sein kann. „Wir sind zu manipulierbar“, klagte Verteidiger Christian Wörns in Brügge und meinte im aktuellen Fall die Loblieder, die nach dem Sieg gegen Wolfsburg auf die neue Dortmunder Fußballkunst angestimmt worden waren – so lange, bis man offenbar glaubte, nach einer spielerisch gelungenen Darbietung gehe nun alles ganz spielerisch weiter. „Mozart hier, Weltklasse da, Schulterklopfer überall“, umschrieb Wörns die Selbstverblendung. Doch „Mozart“ Rosicky und sein zu filigranes Kammerorchester waren gegen die mit Pauken und Trompeten aufspielende Stimmungskapelle der Belgier kaum zu vernehmen. So sieht wohl ein typischer Dortmunder Stimmungszyklus aus: erst Klagen über zu wenig Glanz – dann eine Leistung, die Begeisterung auslöst – dann eine, die Entsetzen auslöst – anschließend die nötige Schadensbegrenzung – und abschließend alles wieder von vorn. Dabei haben sie Glück, daß ihr Sport Fußball heißt und nicht etwa Profiboxen: In dem hielte man solch einen Pendelverkehr kaum mehr als einmal durch. Denn im Ring steht auf mangelnde Beinarbeit die Prügelstrafe.“

ABC: all but Chelsea

Endlich geht´s los! Vor dem Saisonstart der Premier League zählt Martin Pütter (NZZ 15.8.) die Favoriten auf. „Die an diesem Wochenende beginnende englische Fussballmeisterschaft in der Premier League steht im Zeichen der Übernahme des Chelsea FC durch den russischen Ölmilliardär Roman Abramowitsch. Das Duell der zuletzt dominierenden Teams von Manchester United und Arsenal verspricht sich so auf einen Dreikampf auszuweiten – Zwiespältig, so lassen sich die Gefühle von Chelsea-Manager Claudio Ranieri gegenwärtig umschreiben. Auf der einen Seite ist der Italiener im Moment bestimmt einer der glücklichsten Fussballtrainer. Er fühle sich wie in einem neuen Klub, sagte er kürzlich vor den Medien. Seit der schlagzeilenträchtigen Übernahme des Vereins durch den jungen russischen Industriellen Roman Abramowitsch hat sich vieles geändert an der Stamford Bridge. „Das alte Chelsea konnte sich nur ein oder zwei neue Spieler pro Saison leisten. Nun ist alles komplett anders“, führte Ranieri aus, nachdem sein Kader durch sieben neue Professionals – Wayne Bridge, Geremi, Damien Duff, Glen Johnson, Joe Cole, Juan Sebastian Veron und Adrian Mutu – und für 75 Millionen Pfund ergänzt worden ist. Auf der anderen Seite ist der Chelsea-Manager allerdings auch nicht sorgenfrei. Wie alle Kollegen der Trainergilde weiss er, wie viel Zeit es braucht, bis eine dermassen neu formierte Mannschaft zusammenwachsen kann. Zeit, die er sich nicht kaufen kann, denn von ihm und Chelsea werden rasch Resultate erwartet. Sonst ist er seinen Job los (zumal er trotz unbestrittenen taktischen Kenntnissen zunehmend von den englischen Medien als sogenannter Stuhlwärmer für Sven-Göran Eriksson betrachtet wird). Dass ihm dies bewusst ist, verdeutlichte er diese Woche gleich selber. Wenn sein „All-Star Team“, wie es mittlerweile auch schon genannt wird, vor dem Champions-League-Qualifikationsspiel gegen den slowakischen Club Zilina nervös sei, „dann muss ich mich erschiessen“, sagte der Italiener. Die ernsthafte Seite des etwas unglücklichen Versuchs eines Scherzes: Im übertragenen Sinn ist ihm eine Pistole an den Kopf gerichtet. Allerdings erwarten nur die eigenen Fans schon in der ersten Saison Wunderdinge. Erste Erfolge prognostizieren den „Blues“ sämtliche Zeitungen Englands erst in der Saison 2004/05. Eine weitere Konsequenz von Abramowitschs Ankunft in London ist Chelseas neue Rolle in der Meisterschaft: Die „Blues“ sind nicht mehr nur Jäger, sondern auch Gejagte. Statt wie bisher „ABU“ (all but United: alle ausser der United) lautet ein neues Motto für Fans und Premiership-Klubs nun „ABC“ (all but Chelsea). Strengte sich die Konkurrenz bisher vor allem gegen den Meister an (um ihm einen neuerlichen Titelgewinn zu verwehren), wird Chelsea Ähnliches erdulden müssen. Von Manchester United und Arsenal mag damit ein gewisser Druck fallen. Diese beiden Favoriten verfügen zudem über den Vorteil gut eingespielter Mannschaften. Ein weiterer Unterschied liegt im personellen Bereich. Jeder andere Manager mit demselben Blankocheck hätte wohl andere Spieler als Johnson, Duff, Bridge, Geremi, Cole, Veron und Mutu verpflichtet. Gemäss Spekulationen englischer Medien sieht so eher die Einkaufsliste von Sven- Göran Eriksson aus.“

Über den Empfang Jens Lehmanns in London lesen wir von Martin Pütter (FR 15.8.). „Bei den englischen Sportjournalisten herrschte leichte Verwunderung darüber, dass Arsenal diesen Sommer als neuen Torhüter Jens Lehmann verpflichtete. Seit Arsène Wenger Trainer der Londoner ist, hatten sie nämlich Mühe mit der Disziplin auf dem Feld. Vergangenen Sonntag im Supercup gegen Manchester United war Francis Jeffers der 50. Spieler, der in sechs Jahren unter dem Elsässer die rote Karte sah – und nun holen die Gunners einen Torhüter, der selber in seiner Karriere schon fünf Mal vom Schiedsrichter vorzeitig in die Kabine geschickt worden war. Aber kaum war Lehmann zu Arsenal gestoßen, versuchte er gegenüber englischen Journalisten, dies zu relativieren. Ich habe mehr als 400 Mal in der Bundesliga gespielt, hatte fünf Platzverweise, aber nur zwei davon waren berechtigt, wurde er vom Londoner Evening Standard zitiert. Da muss er sich wohl zu seinen Gunsten verzählt haben. Am Pressetag von Arsenal vor einer Woche schien es dem ehemaligen Dortmunder Torhüter etwas unwohl dabei zu sein, noch einmal auf seine fünf roten Karten angesprochen zu werden. Ich habe noch nie einen verletzt, sagte er und versuchte, seinen Ruf als vermeintliches Raubein unter den Torhütern zu korrigieren. Er habe gar den Eindruck gewonnen, dass für ihn die Regeln geändert worden seien. Lehmann wird aber auch wissen, dass im englischen Fußball Torhüter von den Schiedsrichtern weniger geschützt werden als in anderen Ländern. Der letzte Mann wird von den gegnerischen Stürmern oft als Freiwild betrachtet.“

Es wird weiter geklotzt

Über die Finanzpolitik in der Serie A schüttelt Wolfgang Hettfleisch (FR 15.8.) den Kopf. „Der Untergang des AC Florenz vor zwei Jahren, dessen damaliger Boss Vittorio Cecchi Gori, ein Westentaschen-Berlusconi, nach Landessitte Stars heuerte und feuerte, bis er pleite war, gab kein ausreichend abschreckendes Beispiel ab. Bei Transfers und Spielergehältern wurde weiter geklotzt, obwohl sich die Schulden in der Serie A hoch und höher türmten. Irgendwie würde es schon weitergehen. Tat es. Notfalls behalf man sich mit gefälschten Bankbürgschaften. Die sicherten dem AS Rom und Zweitligist SSC Neapel trotz miserabler Bilanzen die vom Verband Federcalcio (Figc) im ersten Anlauf noch verweigerte Lizenz. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen dubiose Finanzdienstleister. Die Zahl der Clubs, die mit der faulen Deckung ihre schiefen Etats absicherten, stieg inzwischen auf zehn. Fortsetzung folgt. Natürlich gibt es nur Betrogene. Das Gewissen der zwei Verbandsfunktionäre, die den Clubs die halbseidenen Helfer in der Not empfohlen haben sollen und gegen die nun ebenfalls ermittelt wird, ist so rein wie frisch gefallener Schnee. Roma-Präsident Franco Sensi, ein greiser Patriarch, findet nichts dabei, wenn sich sein klammer Club bei einer Provinzkasse rückversichert, die das mangels notarieller Befugnis noch nicht mal darf.“

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