indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Der neue, alte Magath – Micoud, der Führungsspieler

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Der neue, alte Magath – Micoud, der Führungsspieler

Sonntagsspiele der Bundesliga – der neue, alte Magath – Micoud, der Führungsspieler – Portraits über Trier und Burghausen – Radiokünstler Günther Koch unter politischem Druck u.v.m.

Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 10.12.). „Wenn samstags zwischen 16.55 Uhr und 17.20 Uhr seine Stimme ertönt, spitzen Fußballfans in Deutschland die Ohren. Dann hört man Günther Koch in der Schaltkonferenz der ARD-Hörfunksender – der kommentiert meistens zwar nur die Spiele des stets abstiegsbedrohten 1. FC Nürnberg, aber wie er das macht, fesselt Millionen Hörer. „Die Stimme Frankens“ wird der 61-Jährige oft genannt, der so sehr mit seinen „Klubberern“ leiden kann, dass manchmal auch Unbeteiligte ein bisschen für Nürnberg zittern. Wie es aussieht, sind die Tage des beliebten Reporters nun gezählt. Dabei hat Koch nichts falsch gemacht: Nie bejubelte er ein Tor, das nicht fiel, kein „Schalke 05“ ging ihm über die Lippen. Er hat nur ein kleines Problem, genau genommen zwei: Erstens ist Koch Mitglied der SPD und kandidiert bei der Landtagswahl im nächsten Jahr. Zweitens ist sein Arbeitgeber der Bayerische Rundfunk (BR). Dem Sender darf getrost nachgesagt werden, dass er eine gewisse Nähe zur CSU pflegt – und dass die Regierungspartei sehr genau darauf achtet, wer was macht beim BR. Ein potenzieller SPD-Landtagsabgeordneter, der über die Tore von Stürmer Sasa Ciric oder die Paraden von Torwart Darius Kampa berichtet, passt nicht ins Weltbild der Christsozialen. So einer muss weg (…) Wie verhärtet die Fronten sind, verdeutlichte zuletzt, dass ein für den 1. Dezember geplantes Fernsehporträt über Koch kurzerhand aus dem Programm genommen wurde. Vido Voigt, Autor des Stücks, versichert: „Das ist von ganz oben abgebürstet worden. Intendant Gruber will nicht, dass der Beitrag läuft. Wie immer es ausgeht, auf seine geliebte Arbeit im Stadion wird Koch wohl auch zukünftig nicht verzichten müssen: Premiere hat Koch bereits ein lukratives Angebot unterbreitet.“

Drei weitere Links Netzzeitung FR SpOn

Wir hingegen fordern für Herrn Beckstein: Jörg Dahlmann live nicht unter drei Stunden!

Noch ein Magath-Portrait. Dieses Mal von Gerd Schneider (FAZ 7.12.). „Der neue Magath: Felix, der Gute. Als er noch bei Eintracht Frankfurt war oder beim 1. FC Nürnberg, rissen sich die Medien um ihn, weil er als eines der letzten Exemplare einer aussterbenden Gattung galt: Typ Schinderhannes. Immer neue Anekdoten wurden kolportiert über den Schleifer vom Dienst, immer neue Namen und Titel machten die Runde. Man nannte ihn Saddam. Oder Quälix, gemäß Magaths oft zitiertem Motto: Qualität kommt von Qual. Doch seit der frühere Nationalspieler in Stuttgart arbeitet, ist der Saulus unversehens zum Paulus geworden – angeblich (…) Magath selbst amüsiert die Überdosis Weichspüler, die man seinem öffentlichen Bild neuerdings verabreicht. Jetzt bin ich plötzlich Papa Felix, sagt Magath und schüttelt den Kopf. Das Bild von mir war damals übertrieben, und genauso übertrieben ist es heute. Allerdings trug der Neunundvierzigjährige zu seinem Ruf bei, indem er mit seinem Image als Menschenverachter kokettierte. Erst später fand er den Ruf störend. Als er vor knapp zwei Jahren zum VfB Stuttgart kam, wurde ihm klar, daß die Außendarstellung korrigiert werden muß. Seit er in Stuttgart arbeitet, hält sich Magath mit zynischen Äußerungen zurück. Er sagt, er sei umgänglicher und souveräner geworden. Aber eine Wandlung? Sein Naturell kann man nicht wie einen Mantel ablegen. Der ohne Vater in Aschaffenburg aufgewachsene Trainer arbeitet beim VfB so, wie er immer gearbeitet hat. Auch in Stuttgart beginnt der Arbeitstag der Profis nicht wie anderswo um zehn Uhr, sondern um neun. Es gibt nach wie vor keine Trainingspläne, damit die Spieler nicht allzu bequem ihre Freizeit planen können. Und wie früher schon schafft der einstige Mittelfeld-Regisseur eine Distanz zwischen sich und den Profis, als Schutz vor überbordenden Emotionen – wie alle Menschen, die die Kontrolle lieben, meidet Magath Gefühlswallungen. Genausowenig hat sich auch sein Arbeitsethos geändert.“

Richard Leipold (FAZ 7.12.) porträtiert den Bremer Trainer. „Gerade erst ins Profigeschäft eingestiegen, gibt Neubarth sich abgeklärt, kühl, hanseatisch. Und wie sieht der Vierzigjährige sich selbst? Fast genauso, wie andere ihn sehen. Kontrolliert, sagt er, und realistisch. Es sei nicht seine Art, die Fans aufzumischen oder bei dubiosen Schiedsrichterentscheidungen Zirkus zu machen. Ein kontrollierter Realist, kein Zirkusfan? Das klingt nicht unbedingt nach Schalke, eher nach Werder Bremen (…) Dreizehn Dienstjahre als Werder-Stürmer hat Neubarth unter Trainer Otto Rehhagel abgeleistet. Da färbt einiges ab. Aus dieser Zeit sei eine ganze Menge hängengeblieben, sagt er. Nicht zuletzt die Eigenschaft, Distanz zu halten. Sein Temperament prädestiniert den gebürtigen Hamburger nicht gerade für Schalke. Wie Rehhagel lehnt er es ab, sich anzubiedern. Dafür ist er zu sehr Kopfmensch, gewissermaßen das Pendant zum Bauchmenschen Assauer. Obwohl Neubarth vor seinem Wechsel nach Gelsenkirchen nur die B-Jugend und die Amateure von Werder Bremen trainierte, genießt er das Vertrauen des Managers. Im ersten halben Jahr fiel der Neuling, der auftritt wie ein Routinier, vor allem als Improvisationstalent und als Pragmatiker auf. In der Öffentlichkeit äußert sich Neubarth moderater als etwa der Manager, der seine Wut auf einzelne Spieler wie etwa Jörg Böhme öffentlich zur Schau stellt. Der Trainer geht dezenter vor, zumindest wenn die Kameras laufen. Hinter verschlossenen Türen soll auch der kontrollierte Herr Neubarth manchmal sehr laut werden.“

„Von seinem Neuzugang Micoud redet Allofs wie ein Meerestaucher von seiner kostbarsten Perle“, schreibt Michael Wulzinger (Der Spiegel 9.12.) über das Verhältnis der Bremer Führung zu ihrem Neuzugang. „Fest steht indes, dass die Verpflichtung des Mittelfeldspielers dem Club binnen dreieinhalb Monaten enormen Schub verliehen hat. Denn seit Micoud, der exzellente Passgeber (Le Figaro), beim SV Werder Regie führt, schöpfen Mitspieler wie der alternde Abwehrorganisator Frank Verlaat, der zuweilen lethargische Mittelfeldrenner Krisztian Lisztes oder der kapriziöse Stürmer Ailton ihr Potenzial aus – und die Mannschaft empfiehlt sich als ernsthafter Konkurrent des Bayern-Verfolgers Borussia Dortmund. Micoud hat seine Ansprüche von Beginn an kundgetan. Es sei nicht in Stein gemeißelt, befand er, dass Bayern und Dortmund immer vor Werder landen. Seither bekräftigen, ganz untypisch für Bremer Verhältnisse, auch die Clubbosse ihre gestiegenen Ambitionen. Manager Allofs, der es zu Beginn der Spielzeit schon mutig fand, überhaupt vom internationalen Wettbewerb zu sprechen, bekennt sich zu höheren Zielen. Wie Mittelfeldmann Fabian Ernst spricht er jetzt von der Qualifikation für die Champions League. Werder-Trainer Thomas Schaaf ließ sich unlängst im Fernsehstudio gar zu dem Bekenntnis hinreißen: Natürlich wollen wir Deutscher Meister werden. Dafür bekam der reservierte Coach mit dem staubtrockenen Humor donnernden Applaus. In der Ära des Trainers Otto Rehhagel hatte sich der SV Werder bis Mitte der neunziger Jahre schon einmal auf Augenhöhe mit dem FC Bayern gemessen. Die Rivalität der Clubs – rotes Bremen kontra schwarzes München – trug freilich auch folkloristische Züge. So karikierte der damalige Bremer Manager Willi Lemke seinen Widersacher Uli Hoeneß gern als Blut saugenden Manchester-Kapitalisten, der mit dem Scheckbuch in der Hand gezielt die besten Spieler der Konkurrenz abwerben würde. Seinen Verein hingegen pries Sozi Willi als Hort für alle, die sich von den bösen Bayern geknechtet fühlten. Die Masche zog – niemals war Werder bundesweit populärer. Dass die Bremer, deren neue Führung den Anti-Bayern-Affekt abgelegt hat, nach etlichen mittelmäßigen Jahren wieder oben mitmischen, war nicht unbedingt zu erwarten. Im Sommer hatten drei Spitzenkräfte den Club verlassen: Torwart Frank Rost wechselte zum FC Schalke 04, Mittelfeldmotor Torsten Frings wurde von Borussia Dortmund abgeworben, Stürmer Marco Bode beendete seine Karriere.“

Christian Eichler (FAS 8.12.). „Wer genauer hinschaut, kann lernen vom frankoflämischen Nachbarvolk: etwa die tätige Gelassenheit, das muntere Sicharrangieren, das leise Subversive gegen jene Staatsautorität, der ein Deutscher bis in den Staatsbankrott vertraut, während ein Belgier sich längst um sich selber gekümmert hat. Die Unterschiede der politischen Alltagskultur zeigt auch der Fußball auf. Zum Beispiel tat das kürzlich Schiedsrichter Gevaert, als er das Spiel zwischen Vladslo und Wiftschafte vorschriftswidrig schon in der 86. Minute beendete. Es stand 16:0 für Vladslo. Einigen Verlierern drohte ein Platzverweis. Die Jungs taten mir leid, sagte Gevaert, ich wollte keinen runterwerfen. Bei einer anderen Amateurpartie flog ein Heißluftballon über den Platz. Ein Zuschauer wettete mit dem Torwart, daß der den Ball beim Abschlag nicht so hoch bekäme. Der Torwart schoß den Ball in den Ballonkorb. Der Fall steht in keinem Regelbuch, man löste ihn ganz belgisch. Die überraschte Besatzung gab den Ball wieder her. Der Schiedsrichter dankte. Der Abschlag wurde wiederholt. Eine vorbildliche Interpretation des flexiblen Umgangs mit obrigkeitlichen Vorgaben bot einst auch Schiedsrichter Huyges im Erstligaspiel Charleroi gegen Geel. Torwart Lecomte von Charleroi verhinderte ein Tor per Hand außerhalb des Strafraums. Das mußte Rot bedeuten, aus Wut schoß Mitspieler Kere den Ball ins eigene Tor. Doch Huyges hatte gar nicht gepfiffen und sagte: Ich gebe das Tor, dafür braucht der Torwart nicht vom Platz.“

Thomas Kilchenstein (FR 7.12.). „Interessant ist der Fall, unabhängig vom obligatorischen und daher zu vernachlässigenden Gepolter aus München, schon, nicht nur juristisch. Kann ein Dritter Anzeige wegen Körperverletzung stellen, wenn der Geschädigte das nicht tut? Körperverletzung, heißt es, sei ein Delikt, das nur auf Antrag des direkt Betroffenen verfolgt wird. Geht die ganze Sache für Kahn also aus wie das Hornberger Schießen? Und was wäre, wenn dieses Beispiel Schule machte? Wenn Stürmer A. den Verteidiger B. anzeigte, weil der ihn vors Schienbein getreten hat? Wenn Schiedsrichter M. den Trainer S. anzeigte, weil der ihn beleidigt hätte? Das würde ein fröhliches Prozessieren geben, und den Gerichts-Soaps an trüben Nachmittagen vermutlich ordentlich Konkurrenz machen. Oliver Kahn jedenfalls weiß schon, wie er zu reagieren hat: Wenn nicht langsam Schluss ist, schlage ich zurück. Richterin Barbara Salesch, sofort übernehmen!“

„Nach Jahren des Niedergangs rackert sich Eintracht Trier ans Establishment der zweiten Liga heran“, berichtet Thomas Becker (SZ 9.12.). „Bewegte Zeiten beim SV Eintracht Trier. 21 Jahre lang hatten sich die schon als „unaufsteigbar verschrieenen Moselaner gemüht, wieder in Liga zwo mitzuspielen. Und jetzt das: Vor Spieltag 16 stand der Aufsteiger mit dem im Vergleich zum Vorjahr verdoppelten, aber immer noch bescheidenen Etat von knapp vier Millionen Euro nicht wie erwartet unten in der Tabelle, sondern auf dem ersten Nicht-Aufstiegsplatz, Rang vier – beachtlich für einen Verein, der in der Erfolgsstatistik neben zwei Amateurmeistertiteln Rekorde aus der Oberligasaison ’91 verbucht: zwölf Siege in Serie, 993 Minuten ohne Gegentor. Jenseits von Mosel, Saar und Ruwer machten die Blauweißen im DFB-Pokal von sich reden: Siege gegen Schalke, Dortmund und 1860 München in den Jahren ’98 und ’99. Vor drei Jahren geriet der 1000-Mitglieder-Klub dann so richtig in die Schlagzeilen: Klubpräsident und Caritas-Manager Hans-Joachim Doerfert wurde wegen Betrugs zu zehn Jahren Haft verurteilt, gegen den mit acht Millionen Mark verschuldeten Verein ein Insolvenzverfahren eingeleitet – die Eintracht hatte im Dezember 1999 praktisch aufgehört zu existieren.“

Lesenswert! Interview mit Christoph Daum FAS

Heiner Effern (SZ 9.12.) schreibt über den Zweitligisten Wacker Burghausen. „Der Club nimmt eine Rolle ein, die bisher die Unterhachinger spielten: Burghausen ist mit 18.000 Einwohnern die kleinste Stadt im deutschen Profi-Fußball. Bei Fußball-Fans jenseits des Weißwurstäquators löst die Planung der Anreise meist hektisches Wühlen nach passenden Landkarten aus. Sind sie jedoch erst mal im Stadion, sehen sie, dass man auch in der Provinz gepflegten Fußball spielt. Und dass man als Gastgeber auch den Großstadt-Vereinen etwas lehren kann, wie jüngst das Heimspiel gegen den FC St. Pauli bewies. Statt des üblichen Empfangs am Bahnhof durch uniformierte Polizei stand in Burghausen der Bürgermeister persönlich am Gleis. Die Totenkopf-Fahnen der Kiez-Anhänger schwangen zum Takt bayerischer Blasmusik. „Von denen hatten einige Tränen in den Augen“, sagt Stefan Rasch, Vorsitzender des Burghauser Fanclubs (…) Finanziell und strukturell stellt die zweite Liga für den SV Wacker keine Gefahr dar. Sie haben mit Rudi Bommer einen Trainer von Format, mit Kurt Gaugler einen umtriebigen Manager und ein mehr als 8.000 Zuschauer fassendes Stadion, das sich sehen lassen kann. Hinter dem Verein steht die Wacker Chemie, ein Weltkonzern, deren Manager auch die Führungspositionen im Verein einnehmen, nach dem Bayer Leverkusen-Modell: Kompetente Männer aus der Wirtschaft in der Verwaltung, die Trainer und Manager in Ruhe arbeiten lassen.“

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

117 queries. 0,433 seconds.