indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Vergabe der Fernsehrechte

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Vergabe der Fernsehrechte

Bei einer Fifa-Sitzung im Jahre 1996 stand die brisante Entscheidung um die Vergabe der Fernsehrechte auf der Agenda. Das damalige Exekutivmitglied DFB-Präsident Mayer-Vorfelder erschien als einziger nicht. Daran erinnert Thomas Kistner (SZ 20.6.). „Tatsache ist, dass bei der wichtigsten Fifa-Sitzung aller Zeiten just der Deutsche abgetaucht war – zufällig der einzige, der Kirchs peinlich gehütete Pay-TV-Pläne kannte. Sieht man, dass damals das Allgemeingut Fußball an ein privates Einzelinteresse verramscht wurde und dieses Interesse kein globaler Konzern ausübte, sondern ein deutscher Fernseh-Hasardeur, dem MV eng verbunden war, dann darf, wer hier an ein bedauerliches Termin-Missverständnis glaubt, auch gleich weiter an den Weihnachtsmann glauben. Weil sich nun alle Welt zu empören beginnt darüber, dass die besten Spiele dieser WM wie der morgige Viertelfinalschlager Brasilien-England nicht frei zu sehen sind, muss daran erinnert werden, dass diese Plage keineswegs vom Himmel gefallen ist, sondern das Resultat eines fein eingefädelten deutschen Geschäftsdeals, protegiert vom DFB.“

Völkerverbindende Ambitionen der WM stellt Ralf Wiegand (SZ 8.6.) in Abrede. „Vielleicht hatte ja jemand in der Fifa insgeheim darauf gehofft, für den Friedensnobelpreis in Betracht gezogen zu werden durch diese WM. Es ist nämlich in der Sportpolitik eine populäre Schwärmerei, die einigende Kraft des Sports möge auf Länder wirken, die ein paar Probleme mit sich selbst oder mit anderen haben. Auf diese Weise gelangte China an die Olympischen Spiele 2008, deshalb flatterten Friedens-tauben durchs schwerst- kommunistische Moskau, und gerne glauben die Sportführer der Welt, der Ausschluss Südafrikas vom Rennen, Laufen und Springen habe geholfen, die Apartheid zu überwinden. Friedensstifter Sport – welch’ eine Vision.“

Roland Zorn (FAS 2.6.) über Fifa-Präsident Blatter, der bei seiner Eröffnungsrede von den Stadionbesuchern in Seoul ausgebuht wurde. „Der Mann genießt kein Vertrauen mehr, nicht einmal beim gemeinen Fan auf der Tribüne, der im Vorstandsvorsitzenden der Weltfirma Fifa längst nur noch den Strippen ziehenden Sachwalter eines auf Zuwendungen, Absprachen und Begünstigungen ruhenden Systems eines sinnfreien Gebens und Nehmens erkennt.“

Nach dem Wahlsieg Blatters fragt Felix Reidhaar (NZZ 30.5.) nach dessen künftiger Amtsführung. „Wie geht Sepp Blatter mit dem demonstrativen Vertrauensbeweis der Basis um? Nimmt er ihn zum Anlass, eigenmächtige und anrüchige Praktiken endlich zu überdenken und einen neuen, offenen Führungsstil zu entwickeln? Nimmt er seinen potenziellen Kritikern endlich den Wind aus den Segeln und pflegt Transparenz und Demokratie nicht nur als Worthülsen? Es gibt auch für ihn keinen Anlass, einfach zur Tagesordnung überzugehen; dazu haben Anschuldigungen und Enthüllungen der letzten Woche zu viel Aufsehen erregt.

Den unterlegenen Herausforderer Issa Hayatou beschreibt Martin Hägele (taz 30.5.) als „Leichtgewicht“ und „Strohmann der Europäer“. „Was soll man von einem Kandidaten halten, der von einer Sportagentur bezahlt und vom Kontinentalverband Uefa gefüttert wurde, in den drei Tagen seiner Wahlkür nicht einmal als Mitläufer auffiel, seine Präsentation vom Blatt haspelte und nach einer debakelartigen Niederlage noch seinen Dank in die Mikrofone sprach für die 56 Stimmen.“

Nach der Schmierenkomödie beim Fifa-Sonderkongress in Seoul sorgt sich Felix Reidhaar (NZZ 29.5.) um das Image des Fußballs und der Sportpolitik. „Wie vor vier Jahren in Paris wirft der Kampf um die Macht im Weltfußball auch in Asien einen langen Schatten auf die zugkräftigste Sportveranstaltung der Welt. Noch stärker als im Juni 1998 sorgt man sich diesmal allerdings um den Ruf des Fußballs, der in den letzten Wochen und Monaten massiven Schaden genommen hat durch die persönlichen Feindseligkeiten in der Fifa-Exekutive. Gewöhnt an Unzimperlichkeit im Verhalten von Funktionärsriegen wie anlässlich des Duells Johansson contra Blatter in Paris, stellt man heute gar noch stärkeren Sittenzerfall fest. Die Parteien gehen vor den Richter, Strafanzeigen sind eingereicht oder in Anfertigung, und der Anstand und Respekt sind längst abhanden gekommen – wohin hat es die Fifa-Führung gebracht?“

Martin Hägele (Tsp 29.5.) kommentiert die Vorgehensweise des Fifa-Chefs. „Blatters Führungsstil gleicht dem des DDR-Politbüros. Auf die Bühne bat der Boss vor allem Abgesandte aus Jamaika, Libyen oder den Seychellen, die Blatter auf fast peinliche Art priesen.“

Wolfgang Hettfleisch (FR 29.5.) meint dazu. „Blatter muss es als Alarmzeichen werten, dass selbst sein Parteigänger Gerhard Mayer-Vorfelder nicht umhin kam, den Maulkorb für Will zu kritisieren. Wird dem DFB-Chef doch zu Recht ein feines Näschen dafür nachgesagt, woher der Wind weht, in dem das schwarz-rot-goldene Fähnlein stramm flattern soll. Doch der Fifa-Präsident und seine Gegner, die längst seine Feinde sind, haben Maß und Ziel verloren. Sie ringen um die Macht um der Macht willen, nicht um seriöse Konzepte für die Zukunft des Weltfußballs.“

Thomas Kistner (SZ 29.5. ) über die Motive des DFB-Vize-Präsidenten, Blatter bei der Präsidentschaftswahl die Treue zu halten. „Die Ansicht, dass sich Blatter nichts habe zuschulden kommen lassen, vertritt auch Beckenbauer. Allerdings ist auch er nicht frei von Eigeninteressen. Dass er mit Blatter schon die Thronfolge im Weltverband am Vorabend der WM 2006 verabredet habe, ist in der Fußballbranche weit mehr als ein Gerücht. Es wäre ja nur die konsequente Krönung eines denkwürdigen Fußballerlebens.“

Bei der „Diskussion“ in Seoul hat Roland Zorn (FAZ 29.5.) nicht die Spur demokratischer Attitüden entdecken können. „Mag auch Joseph Blatter an diesem Mittwoch wie vor vier Jahren aufs neue zum Präsidenten seiner Organisation gewählt werden, war der mutmaßliche Gewinner am Dienstag doch der einsame Verlierer. Beim in der Tat außerordentlichen Fifa-Kongress verriet Blatter mehr über sich und sein ichbezogenes Demokratieverständnis als jemals zuvor. Drei Tage bevor derselbe Schweizer zur Eröffnung der 17. Weltmeisterschaftsendrunde das gewohnt Hohelied auf unvergängliche Werte wie Fair play, Anstand und Sitte singen wird, versuchte der frühere Mittelstürmer des FC Visp alles abzugrätschen, was sich ihm in den Weg zu stellen drohte. Ein Hauch von Nordkorea durchwehte den Saal, in dem Blatter von ihm persönlich ausgewählten Fragestellern gern das Wort erteilte. Einäugiger und einseitiger hätte dieser Einmannparteitag nicht inszeniert sein können.“

Zur Kandidatur des Kameruners Issa Hayatou um die Fifa-Präsidentschaft bemerkt Kisito Ngalamou in der Kameruner Tageszeitung Ouest Echos (27.5.).„Zum ersten Mal versucht Afrika, mit der Kandidatur des Präsidenten des CAF (afrikanisches Pendant zur Uefa) zur Fifa-Präsidentschaft den Vorteil auf seine Seite zu ziehen. Die medialen Touren, die die Kandidatur des Afrikaners Issa Hayatou begleiten, offenbaren das bekannte Problem des Ungleichgewichts zwischen den Ländern des Nordens – entwickelt genannt – und den Nationen des Südens – unterentwickelt genannt. Für die erstgenannten Länder, die sich nicht scheuen, ihren erwiesenen Egoismus zu zeigen, ist Afrika, welches nun den Wichtigtuer spielt, weit davon entfernt, sich mit einer solchen Ambition brüsten zu dürfen. Am wenigsten zu diesem Zeitpunkt. Wenngleich „die Atmosphäre in der Fifa nicht gut ist und ein schlechtes Bild des Fußballs abgibt“, wie der Präsident des CAF mit Bitterkeit konstatieren muss. Issa Hayatou will diesen Mythos zerstören und systematisch den Graben verkleinern, der den Norden und den Süden trennt. Er kann und wird zum Präsidenten gewählt werden. Und das Tüpfelchen auf dem „i“ könnte dann eintreten, wenn die „Unbezähmbaren Löwen“ bei der WM weiter kommen als 1990. Ein Traum? Wir werden sehen!“

Thomas Kistner (SZ 28.5.) bemerkt vor dem Fifa-Gipfel. „Das Misstrauensvotum gegen Sepp Blatter ist einmalig im Weltsport. Man kann den Widerstand getrost auf den wahren Fifa-Vorstand reduzieren, Blatters Parteigänger darin verfolgen ja erkennbare Eigeninteressen: die von der Justiz traktierten Latinobarone Teixeira und Grondona, der spendable Wahlhelfer Bin-Hammam aus Katar, der symbiotisch Fifa- verstrickte Rechtedealer Warner (Trinidad) oder der mit 100.000Dollar umgarnte Russe Koloskow. Dass es neben deren (mit viel Aufbauhilfe befriedeten) Hintersassen auch wichtige Verbände wie den DFB gibt, die Blatter stützen, zeigt, wie nachrangig rechtsstaatliches Empfinden ist in der Günstlingswirtschaft Fifa.“

Über die Allianz zweier Brüder im Geiste berichtet Michael Ashelm (FAS 26.5.). „Die vielen Stürme um seine Person, die Steherqualitäten verbinden den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (Gerhard Mayer-Vorfelder, of) mit Blatter, dem Oberhaupt des Weltfußballs. Je härter beide angegriffen werden, um so mehr Kampfgeist scheinen sie zu entwickeln. Angeschlagen durch schwere Vorwürfe bis hin zur Korruption, sieht es plötzlich so aus, als könnte Blatter die Kurve wieder kratzen, wenn er sich an diesem Mittwoch in Seoul beim Kongress des Internationalen Fußball-Verbandes (Fifa) gegen seinen afrikanischen Widersacher Issa Hayatou zur Wiederwahl stellt. Einiges spricht dafür, unter anderem die treue Gefolgschaft des DFB. Dessen Funktionärsriege konnte der 69 Jahre alte Mayer-Vorfelder trotz aufkommenden Widerstandes diese Woche auf Linie trimmen.“

Fifa-Präsident Blatter sieht sich seitens seines Generalsekretärs Zen-Ruffinen unter anderem massiven Bestechungsvorwürfen ausgesetzt. Blatters Verteidigungsrede kommentiert Roland Zorn (FAZ 21.5.). “In seinem ausführlichen Schreiben versucht Blatter, seinen Gegenspieler in der Fifa-Administration Punkt für Punkt zu kontern, und erklärt sich dabei selbst zum K.-o.-Sieger. Allerdings fällt beim Lesen der Erwiderung auf, dass die Argumentation des Fifa-Präsidenten im Fall der ihm von Zen-Ruffinen zur Last gelegten Zahlung eines Bestechungsgeldes an einen ehemaligen afrikanischen Fifa-Schiedsrichter viel Goodwill in die mitmenschliche Wärme Blatters voraussetzt (…) Über sein gelegentlich selbstherrliches Handeln vorbei am Exekutivkomitee, über seine diktatorisch verfügte Suspendierung des internen Untersuchungsausschusses zur Prüfung der Fifa-Finanzen und über die Bildung eines nur ihm verpflichteten Beraterteams an der klassischen Fifa-Administration vorbei erfahren Blatters Leser nichts bis wenig. Und wenn, dann in Form einer geschönten Darstellung.”

Felix Reidhaar (NZZaS 19.5.) referiert die Verteidigungsrede Blatters. “Der Generalsekretär habe sich durch sein Verhalten disqualifiziert, wisse offensichtlich nicht, was er unterschrieben habe und kenne die Materie etwa des Sportmarketings nicht. Die Infragestellung der Führungsqualität der Fifa sei abwegig. Sein Vorwürfe dokumentierten letztlich schlicht mangelhafte Kenntnisse und Fähigkeiten sowie fehlendes Interesse. Zen-Ruffinens zusammenhangslose und irreführende Äusserungen würden darauf schließen lassen, dass der Generalsekretär die betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhänge der angesprochenen Punkte nicht verstanden habe. In vielen Fällen kenne er zudem die Fakten nicht. Er betreibe damit “reinste Polemik””.

Nach der öffentlichen Distanzierung des englischen Fußballverbands von Fifa-Präsident Blatter bemerkt Thomas Kistner (SZ 15.5.). “Längst dringt Korruptionsgestank aus allen Winkeln der Fifa-Zentrale; wenn Blatter bleibt, bleibt auch der Ruch. Das schadet dem Fußball, dem die Mittel künftig ohnehin spärlicher zufließen. Zudem aber wird nun das Publikum für dumm verkauft, wenn abgebrühte Funktionäre so tun, als wäre der Sepp das Opfer einer Intrige. Dies bringt den DFB unter Druck. Präsident Mayer-Vorfelder und WM-Chef Beckenbauer sollten dem Beispiel der Briten folgen; die Verharmloser von heute werden die Vertuscher von morgen sein. Der DFB richtet die WM 2006 aus, auf deren Kosten die Fifa ja bereits lebt. Erweist er sich weiter als Blatters Trutzburg, wird bald auch ihn ein strenger Geruch umwehen.”

Michael Wulzinger (Spiegel 13.5.) berichtet von den an Blatter Korruptionsvorwürfen des Fifa-Generalsekrtärs Michel Zen-Ruffinen. “Mehr als zwei Stunden referierte der Fifa-Generalsekretär in eisigem Ton, was er in einem 21 Seiten umfassenden Dossier über Blatters Amtsführung zusammengetragen hatte. Darin zeichnete Zen-Ruffinen das Bild eines Präsidenten, der die Schaltstellen des Milliarden bewegenden Verbands systematisch mit einer Hand voll ausgewählter Vertrauensleute besetzte, seiner so genannten F-Crew – und der die Fifa, seitdem alle Kritiker in der Verwaltung ausgehebelt sind, regiert wie ein absolutistischer Despot. Zum Höhepunkt des explosiven Papiers geriet Paragraf acht: Korruption. Laut Zen-Ruffinen, der dem Exekutivkomitee als Beweismaterial fünf Aktenordner mit kopierten Dokumenten zur Einsicht mitgebracht hatte, soll Blatter einem Schiedsrichter aus Niger einen Scheck über 25 000 Dollar überreicht und weitere 25 000 Dollar in Aussicht gestellt haben. Bedingung für die großzügige Gabe: belastende Aussagen des Referees über Farah Addo. Der frühere somalische Verbandsboss hatte behauptet, bei Blatters Wahl 1998 seien Delegierte bestochen worden (…) Zen-Ruffinens brisanter Report verleiht dem Machtkampf um die Führung des Weltfußballs eine neue Dimension. Schließlich galt es als Geschäftsgrundlage auf dem Zürcher Sonnenberg, dass der Fifa-Präsident sich der Loyalität seiner engsten Mitarbeiter sicher sein konnte. Blatter indes hat diesen Corpsgeist mit seinem Machtstreben ausgehöhlt – und sich damit vor seiner angestrebten Wiederwahl am 29. Mai in Seoul angreifbar gemacht wie nie zuvor.”

Felix Reidhaar (NZZ 13.5.) kommentiert die derzeitige Situation an der Führungsspitze der Fifa. “Man kann von Joseph S. Blatter und seinen eigenwilligen Führungsprinzipien an der Spitze des Weltfußballverbandes halten, was man will. Sie sind bzw. sie waren noch nie zur Vertrauensbildung angetan, förderten unter Leuten streng demokratischer Gesinnung noch immer Verdachtsmomente und mussten eine Körperschaft von Sportfunktionären derart verschiedenartiger Herkunft und Denkweise zwangsläufig polarisieren. Das Fifa-Exekutivkomitee spiegelt deshalb nicht zufällig einen himmeltraurigen Eindruck. Dass die seit Jahren zerfahrene und von gegenseitigen Animositäten geprägte Situation in diesem 24-köpfigen Gremium nun gar in eine Strafanzeige gegen den eigenen Präsidenten mündete, offenbart heillose Zerstrittenheit und lähmende Ohnmacht vor den herrschenden Zuständen.”

Roland Zorn (FAZ 06.05.02) über die Lage Blatters. “Dass ihn ausgerechnet kurz vor der lange sicher scheinenden Wiederwahl an die Spitze des Weltverbandes zwei konkrete Korruptionsvorwürfe schwer treffen, hat auch mit der Panik zu tun, die sich Blatters in diesen Wochen bemächtigt. Da sind die alten, nie ganz genau belegten Schmiergeldgeschichten, die der somalischeVerbandsvizepräsident Addo neu belebt hat; da ist der von Blatter in einer diktatorischen Anwandlung suspendierte interne Buchprüfungsausschuss, der dem Fifa-Präsidenten zu schaffen machte; da sind Gerüchte, nach denen die früheren Freunde der in Konkurs gegangenen Firma ISL/ISMM Blatter demnächst noch offene, peinliche Rechnungen präsentieren könnten; und da ist Zen-Ruffinen, der als erster Mann der Fifa-Administration genug weiß, um dem Präsidenten nachhaltig schaden zu können. Dass Blatter sich nun persönlich einem der schlimmsten Vorwürfe ausgesetzt sieht, die man einem Ehrenmann, für den er sich unbeirrt hält, machen kann, verschlimmert seine Lage noch: der Fifa-Präsident verstrickt in zwei Fälle von aktiver Korruption? Bitterer hätte es für den kugeligen, umtriebigen Mann, der sich gern als der größte Liebhaber des Fußballs überhaupt präsentiert, kaum kommen können.”

Felix Reidhaar (NZZ 06.05.02) berichtet vom Machtkampf zwischen Blatter und dem Fifa-Generalsekretär Zen-Ruffinen. “Als Tag der Wahrheit für den Weltfußballverband Fifa war der Freitag auf dem Zürichberg affichiert worden. Der Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen hatte in diesem Zusammenhang gar den Ausdruck Bombe für angebracht gehalten. Seine Enthüllungen, die den Hauptgegenstand des mehr als zehnstündigen Sitzungsmarathons des Fifa-Exekutivkomitees bildeten, versah er gegenüber der Öffentlichkeit aber mit einem Zeitzünder. Hatte er in der Pressekonferenz mit leichenblasser Miene noch auf die “strenge Vertraulichkeit” seines mehr als 20-seitigen Katalogs gesammelter Anschuldigungen gepocht, so trat er wenig später in anderen Räumlichkeiten aus der Reserve. In einem vorsorglich reservierten Zimmer eines Luxushotels fütterte er eine Journalistenschar mit Details aus diesem Papier und beging damit gegenüber der gesamten Exekutive einen krassen Vertrauensbruch. Das wiederum gehört in der Fifa-Geschäftsstelle freilich längst zum Alltag.”

Felix Reidhaar (NZZ 06.05.02) beschreibt die öffentliche Wahrnehmung über das Verhalten Zen-Ruffinens gegenüber seinem langjährigen Weggefährten und Landsmann Blatter. “Der Generalsekretär handelt, lässt er wissen, zum Wohle der Fifa und nicht explizit gegen dessen Präsidenten. Von der Außenwelt wird dies anders wahrgenommen. Sie glaubt, einem Hahnenkampf beizuwohnen, der über das Wochenende zur Peinlichkeit mutiert ist. Peinlich für die Schweiz und ihre vielen hier domizilierten Sportinstitutionen, peinlich für den Obmann, aber auch für dessen schärfsten Kritiker des mächtigsten internationalen Sportverbandes, peinlich vor allem für die Fifa, die den Eindruck einer Bananenrepublik hergibt – und dies knapp 14 Tage bevor ein großer Teil der Belegschaft des Hauptsitzes nach Asien disloziert, wo die größte administrative Herausforderung alle vier Jahre bevorsteht.”

Michael Horeni (FAZ 07.05.02) berichtet von der Situation eines der letzten Freunde Blatters. “Während sich der internationale Fußball in heller Aufregung befindet, lebt der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes weiter wie im stillen Winkel. Solange er nicht das Dossier gelesen habe, werde er sich zur Causa Blatter nicht äußern, ließ der sonst so fixe Gerhard Mayer-Vorfelder ausrichten. Es hätte dem Präsidenten des größten europäischen Nationalverbandes, der Sitz und Stimme sowohl in der Exekutive des Europa- wie des Weltverbandes besitzt, nicht einmal detektivischen Eifer abverlabgt, sich ein ganz und gar nicht mehr geheimes Dossier zu beschaffen und sich unverzüglich ein genaues Bild der Lage zu machen. Mit dem Rückzug auf eine rein formale Position setzt sich der treue und damit in Europa ziemlich einsame Blatter-Anhänger Mayer-Vorfelder dem Vorwurf aus, sportpolitisch nur noch plump auf Zeit zu spielen.”

Christoph Albrecht-Haider (FR 26.04.02) wundert sich, dass Fifa-Präsident noch im Amt ist. “Blatter hat einfach mal so die Arbeit einer Kommission gestoppt, die das Finanzgebaren der Fifa (und damit Blatters) untersuchen soll. Im politischen Alltag demokratischer Staaten wäre allein ein solcher Vorgang Grund zur Demission.”

Thomas Kistner (SZ 25.04.02) hat ein sicheres Gespür für TV-Quoten. “Warum sind es immer nur die Fußballspiele, die im Fernsehen übertragen werden? Längst verdienen die Vorgänge im Fußballweltverband einen festen TV-Sendeplatz zwischen den anderen Krimis und Seifenopern. In der Fifa jagt ein Streich den nächsten.”

Helmut Schürmann (Tsp 25.04.02) über die Chancen des DFB-Präsidenten Mayer-Vorfelder, ins Fifa-Gremium wählen zu lassen. “Die Chancen stehen gut, dass er scheitert. Das hängt vor allem mit seiner Nibelungentreue zusammen, mit der er dem Fifa-Präsidenten Joseph Blatter die Stange hält. Der ist nun selbst in ansonsten wenig zimperlichen Funktionärskreisen als machtbesessener und korrupter Potentat untendurch und wird von den bei Wahlen entscheidenden europäischen Delegierten heftigst attackiert. Mayer-Vorfelder aber weicht nicht von Blatters Seite, was aber nur er selbst als Zeichen großer Loyalität deuten dürfte. Es sind wohl alte Geheimbünde, die die Herrschaften miteinander verschweißen: das Geben und Nehmen, als es darum ging die Fernsehrechte für die Fußball-Weltmeisterschaften nach Deutschland zu Leo Kirch zu verschachern; wohl auch das Geben und Nehmen, als Deutschland um die WM 2006 kämpfte.”

Über Mayer-Vorfelders Dilemma – stellt er sich auf die Seite Blatters oder auf die Seite des Uefa-Präsidenten Johansson – lesen wir bei Roland Zorn (FAZ 25.04.02). “Gerhard Mayer-Vorfelder schlug sich in diesem Fall auf die Seite des Schweden, obwohl er sich längst erklärt hat, am 29. Mai Blatter wiederwählen zu wollen. In Stockholm saß dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) das Hemd näher als der Rock, da der Stuttgarter Multifunktionär heute als Vertreter Europas in die Fifa-Exekutive gewählt werden will. Um unbedingt dabei zu sein, kann sich Mayer-Vorfelder vorstellen, notfalls auch als Diener zweier Herren in den entscheidenden Zirkeln des Fußballs mitzureden. Der Deutsche spielt in Stockholm aber nur eine kleine Rolle. Auf der großen Bühne rechnet die UEFA mit Blatter ab.”

Zu den wenigen Unterstützern des weltweit in scharfe Kritik geratenen Fifa-Präsidenten Blatter zählen – neben den Redakteuren des kicker – die DFB-Funktionäre Mayer-Vorfelder und Beckenbauer. Thomas Kistner (SZ 24.04.02) weiß, warum. “Franz Beckenbauer und der skandalerprobte DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder vernehmen weiter nur vage Gerüchte, obwohl sich längst juristische Stäbe in die Problemkreise vertiefen. Da wirkt die Ahnungslosigkeit gewollt. Zumal der Schmusekurs der DFB-Vertreter (den Uefa- Offizielle als „blinde Loyalität“ bezeichnen) nachvollziehbar ist, wenn man persönliche Interessenslagen berücksichtigt. MV und Sepp sind seit langem diskret vernetzt, ob über den havarierten Medienzaren Leo Kirch, dem sie 1996 in einem offenkundig abgekarteten Coup die WM-Fernsehrechte zuschanzten, oder über private Fäden. Beckenbauers Ambitionen auf den Fifa-Thron 2006 hängen allein von der Frage ab, ob Blatter noch der Amtsinhaber ist, den es dann abzulösen gilt. Dessen Herausforderer Issa Hayatou (Kamerun) wird den Platz im Erfolgsfalle nicht nach vier Jahren räumen, erst recht nicht für die DFB- Freunde, die so wenig mitkriegen vom Affären-Gewitter um Blatter.”

Über die Aussichten des Fifa-Präsidenten, Ende Mai wiedergewählt zu werden, schreibt Roland Zorn (FAZ 23.04.02). “Lange schien es ein leichtes Spiel für Joseph Blatter, aufs neue zum Präsidenten des Internationalen Fußball-Verbandes gewählt zu werden. Das galt sogar noch, als der kamerunische Präsident des Afrikanischen Fußball-Verbandes, Issa Hayatou, erklärte, am 29. Mai in Seoul gegen den Amtsinhaber antreten zu wollen. Inzwischen aber scheinen sich Blatters Aussichten, weiter der erste Mann des Weltfußballs bleiben zu können, dramatisch zu verschlechtern. Dass der Fifa-Präsident am 12. April eigenmächtig den vom Fifa-Exekutivkomitee eingesetzten internen Ausschuss zur Klärung der Finanzen des Weltfußballverbandes suspendierte, hat eine Kettenreaktion hervorgerufen, die der Dauertaktiker aus der Schweiz nicht für möglich gehalten hätte.”

Zum selben Thema äußert sich Sven Astheimer (FR 23.04.02). “Joseph Blatter versteht sich ebenfalls auf die hohe Kunst des politischen Handwerks. Der Verbandsmann manövrierte sich vor vier Jahren in Paris vorbei am favorisierten Schweden Lennart Johansson auf den Thron des Weltfußballs. Alle Verdächtigungen, er habe sich die notwendigen Stimmen in einer Nacht- und Nebelaktion zusammengekauft, prallten am kleinen Schweizer ab wie der Ball von der Querlatte – ihn aus dem bequemen Präsidentensessel am Zürcher See zu verdrängen, schien lange Zeit unmöglich. Ausgerechnet vor der geplanten Wiederwahl im Mai in Seoul bläst Blatter nun der Gegenwind der Kritiker frontal ins Gesicht.”

Oliver Trust (Tagesspiegel 10.04.02) kommentiert die Situation des DFB- Präsidenten Mayer-Vorfelder, der sich erneut in einer rechtlichen Affäre befindet. “Verteidigungsplädoyers musste der 69 Jahre alte Mayer-Vorfelder oft schreiben, seitdem er DFB-Präsident ist und stets neue Vorwürfe aus seiner Vergangenheit als Landesminister, Abgeordneter und Vereinschef des VfB Stuttgart ans Tageslicht kommen. Trotzdem regte er sich über jeden neuen Vorwurf fürchterlich auf (…) Seit Monaten lässt Mayer-Vorfelder keinen Fettnapf aus. Einmal hagelt es Kritik wegen unbedachter Äußerungen, die politisch fragwürdig klingen. Dann forscht der VfB in seinen Archiven und entdeckt dabei Aufwandsentschädigungen an Mayer-Vorfelder von monatlich 12 500 Euro für zwei Jahre, wobei auch ein zinsloser Kredit des Klubs im Geheimen “umgewandelt” wurde. Seit Februar wird gegen den Multifunktionär wegen Steuerhinterziehung ermittelt, und in den Zeitungen in Stuttgart tauchen abenteuerliche Geschichten über Feste im Anwesen Mayer-Vorfelders und sein teures Büromobiliar auf, das erst der VfB und dann der DFB kauften.”

DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder ist in die Fifa-Exekutive gewählt worden. Christoph Albrecht-Haider (FR 26.04.02) zu diesem Thema: “Man übergeht den Vertreter des wichtigsten Einzelverbandes nicht so ohne weiteres, und es wäre der Arbeit der Fifa auch nicht dienlich, wenn der DFB dort keine Stimme hätte. Soweit ließe sich die Wahl des Schwaben vernünftig erklären, aber rationale Kriterien lassen sich auf das Wahlverhalten ehrenamtlicher Sportfunktionäre häufig nicht anwenden. Wie wollte man sonst etwa begründen, dass der Südkoreaner Kim bei der Kür des IOC-Präsidenten die zweitmeisten Stimmen bekam, obwohl doch zum Beispiel seine Verwicklung in den IOC-Bestechungsskandal aktenkundig ist? Sportfunktionäre schauen häufig auf den eigenen Vorteil und überlegen, wer ihnen unter diesem Gesichtspunkt am meisten nützt.”

Thomas Kistner (SZ 26.04.02) über MVs politische Vita: “Affären pflastern seinen Weg, weshalb es eine hübsche Pointe ist, dass dieser ihn an die Fifa-Spitze zurück führt. Dort wirkt sein letzter großer sportpolitischer Beitrag noch immer nach: Die diskrete Hilfe, die er 1996 Leo Kirch gewährte, indem er die Fifa-Abstimmung über die Vergabe der WM-Rechte schwänzte. Der DFB hat „gute Vorarbeit“ (Vize Horst Schmidt) geleistet, um den Boss wieder in die Fifa-Regierung zu hieven. Die war dringend nötig, denn MV hat seine freundschaftliche Nähe zu dem Skandal umtosten Fifa-Chef Blatter nie verhehlt. Wie solche Vorarbeit im Einzelfall ausschaut, bleibt der Fantasie des Beobachters überlassen; vielleicht ist es gerade für kleinere Verbände attraktiv, bald einmal die dicke TV-Gage aus einem Freundschafts-Länderspiel gegen die DFB-Elf einzustreichen. So goldene Argumente haben die Funktionäre aus Malta oder Norwegen nicht.”

Fifa-Präsident Blatter hat eine Finazkommission kurzerhand abgesetzt, die ihn und seine Finanzpolitik kontrollieren sollte. Dafür musste er Kritik von Öffentlichkeit und Opposition einstecken. Thomas Kistner (SZ 13.04.02) kommentiert. “Die Opposition gegen Blatter in der Exekutive wertet dies als klaren Beleg dafür, dass der Verbandschef eine erhebliche Schieflage des Verbandes zu vertuschen versucht. Andere Erklärungen böten sich nicht an, zumal Blatter seine despotische Maßnahme selbst nur vage mit „Vertrauensbruch“ begründete.”

Die NZZ (13.04.02) über das “Cabaret Rotstift”. “Ob die Spielregeln der Ad-hoc-Kommission verletzt worden sind, lässt sich in diesem Possenspiel von Laiendarstellern mit Rotstift in der Hand schwer abschätzen. Ebenso schwierig zu beurteilen bleibt die Frage, ob sich Blatter mit dieser Verfügung selbstherrlich über sein Exekutivkomitee hinwegsetzen durfte und ob er sich damit in der gegenwärtig diffizilen Situation einen Dienst erwiesen hat. Einsichtig ist für Außenstehende nur, dass eine ziemlich peinliche Geschichte im Schoße eines führenden Sportverbandes fast täglich ihre Fortsetzung findet – zu welchem und wessen Nutzen? Zur Erinnerung: Ab 31. Mai lässt die Fifa in Seoul auch den WM-Ball wieder rollen. Man sehnt sich nach anderen Darstellern.”

Jörg Winterfeldt (Die Welt 13.04.02) über den Führungsstil des Schweizers. “Der Fürst vom Zürcher Sonnenberg steht für die alte Garde diktatorischer Sportführer. Lange durfte er unter dem gestrengen Brasilianer Joao Havelange als Generalsekretär lernen, nun müht er sich, dessen absolute Herrschaft fortzuführen. Doch offensichtlich entgleiten ihm die Dinge: Wenn er seiner Opposition mit fragwürdigen Mitteln Kontrollmöglichkeiten entzieht, wenn in seiner Zentrale interessante Akten mit dem Schriftverkehr seiner loyalsten Wahlhelfer verschwinden müssen, scheint was faul im Staate Blatter.” (

Gewinnspiel für Experten

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

111 queries. 0,810 seconds.