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Champions League

Oliver Fritsch | Mittwoch, 21. April 2004 Kommentare deaktiviert für Champions League

Deportivo La Coruña , in der Champions League Favorit, in Spanien noch immer ein „bescheidener Kleinstadtverein“ (BLZ); Javier Irureta , La Coruñas toleranter Trainer – AS Monaco besiegt den FC Chelsea 3:1 u. a.

Ein Verein, der keine besseren Voraussetzungen als Arminia Bielefeld oder Kickers Offenbach hatte

Ronald Reng (BLZ 21.4.) berichtet den steten Aufstieg Deportivo La Coruñas: “An der Plaza de Pontevedra Nummer 19, im ersten Stock über der Apotheke Der Pinsel, ist Deportivo La Coruña geblieben, was es in den ersten 85 Jahren seiner Geschichte war: ein bescheidener Kleinstadtverein. „Hier“, sagt Sportdirektor Eduardo Lopez und zeigt auf einen der mit grünem Leder überzogenen Stühle im Büro des Champions-League-Halbfinalisten, „hier sitzt der Präsident, wenn mal ein Fernsehteam zum Interview vorbeikommt. Wir müssen ihn dann daran erinnern, die Beine zusammenzuhalten.“ Sonst wäre im TV zu erkennen, dass das Polster des Stuhls, wie die Polster aller Stühle hier, voller Löcher ist. Das meiste Mobiliar der Geschäftsstelle ist noch dasselbe, das Augusto Lendoiro vorfand, als er 1988 Präsident von Depor wurde, eines damals mal wieder abstiegsgefährdeten Zweitligisten. „Fußball ist nur König, Dame, Ass. Du brauchst keine Neun, Zehn, Bube“, sagt der studierte Jurist Lendoiro, 58, um zu erklären, warum Depor viel Geld in die Mannschaft investierte, sich aber keine repräsentative Zentrale leistet. Die verschlissenen Stühle sind eine Erinnerung daran, wo Deportivo herkommt. Ein Verein, der keine besseren Voraussetzungen als Arminia Bielefeld oder Kickers Offenbach hatte, spielt an diesem Mittwoch gegen den FC Porto um den Einzug ins Finale, und sollten sie den Cup gewinnen, wäre es noch nicht einmal eine Überraschung. Im Jahr 2000 wurde Depor bereits Meister in Spanien und besiegte in den vergangenen Jahren in der Champions League alles, was Rang und Namen hat; jüngst, in Achtel- und Viertelfinale, waren es Juventus und der AC Milan. In der galizischen Kleinstadt mit 246 000 Einwohnern kam kein wahnsinniger Millionär vorbei, kein Wunder geschah. Ein Präsident, der finanziell die Grenzen des Erlaubten dehnt, ein Trainer, Javier Irureta, der stoisch seine Vision vom einfachen Spiel durchsetzt, und Spieler wie Stürmer Albert Luque, die nicht berühmt, nur gut sind, arbeiten einfach nur besser als ihresgleichen in hunderten von größeren Vereinen. „Du warst auf der Geschäftstelle?!“ Mauro Silva sitzt nach dem Training in seinem Auto und haut belustigt auf das Lenkrad. „Man erwartet etwas anderes bei einem Champions-League-Halbfinalisten, nicht wahr?“ Im zwölften Jahr spielt der Brasilianer in La Coruña, zuvor hatte er weder von der Stadt noch dem Verein je gehört, es war bloß sein einziges Angebot aus Europa. „Ich dachte, Depor wäre mein Trampolin“, um zu einem Großklub zu hüpfen. Mauro Silva wurde 1994 Weltmeister, bekam die erhofften lukrativen Angebote – und blieb. „Unerwartet stillte Depor meinen Durst nach Erfolgen.“ Mit 36 ist er noch immer der Wellenbrecher im defensiven Mittelfeld und ein Paradebeispiel für La Coruñas Erfolgsrezept. Lendoiro hat eine Kunst daraus gemacht, Klassespieler wie Silva zu entdecken. Zwei der besten Spieler der letzten 20 Jahre traten in Depors Trikot auf die große Bühne, Rivaldo und Bebeto. Solche Talente bekommen bei Depor dann ungewöhnlich lange Verträge von sechs oder sieben Jahren. Das ist Lendoiros Versicherung gegen den Tod jedes kleinen Vereins mit einer großen Elf: den Ausverkauf durch die reichen Klubs.“

Toleranz statt Autorität

Walter Haubrich (FAZ 21.4.) befasst sich mit dem Trainer La Coruñas: „Dem 56 Jahre alten Trainer Javier Irureta stehen für fast jeden Platz zwei etwa gleich gute Spieler zur Verfügung. So hat er das Prinzip der Rotation eingeführt – mit dem Vorteil, daß die Fußballprofis in der anstrengenden Saison mit drei Wettbewerben – Liga, Champions League und spanischer Pokal – sich hin und wieder ausruhen können. Allerdings gibt es manchmal auch Ärger, wenn Spieler selbst nach einer guten Leistung auf die Bank müssen. Gleichwohl, bei Irureta gibt es keine Stammplätze. Javier Irureta, geborener Baske und als Spieler in den 60er Jahren bei Athletic Bilbao und Atlético Madrid aktiv, ist ein nachdenklicher und vergleichsweise unauffälliger Trainer. Es fehle ihm an Autorität, sagen seine Gegner, weil er auf Proteste einzelner Spieler gegen ihn nicht gleich antwortet. Der Verein ist aber mit der Toleranz des Basken gut gefahren, und der Unmut der Profis dauert meist nicht lange. Irureta hat die Bedeutung des Balltechnikers Valerón schnell erkannt. Dieser hatte schon die meisten Tore für Makaay vorbereitet, jetzt profitieren Pandiani, Luque und Tristan von seinen Vorlagen. Unter Irureta ist auch der einst von Jupp Heynckes entdeckte Víctor, ein Mann an der Außenlinie, zu einem wertvollen Spieler geworden. Deportivo La Coruña, lange Zeit eines der wechselhaftesten spanischen Teams mit fast regelmäßigem Auf- und Abstieg, möchte jetzt den Aufschwung der vergangenen zehn Jahre, als der Klub Pokalsieger und Meister wurde, mit dem Sieg in der Champions League krönen.“

Die NZZ(21.4.) berichtet AS Monaco – FC Chelsea (3:1): „Seit sich die Standesunterschiede in der diesjährigen Champions-League-Saison bis zur Unkenntlichkeit verwischt haben, die Königlichen Madrids gestürzt worden sind und Londons Gunners über ein leeres Arsenal klagten, scheint alles möglich. Wer wundert sich da noch, dass auch auf die Statistik kein Verlass mehr ist? Alle fünf Auswärtsspiele in der „Königsklasse“ hatte der Chelsea FC heuer gewonnen und nur ein einziges Gegentor zugelassen. Im Stade Louis II in Monte Carlo wurde dieser Wert zur Makulatur. Taktische Geplänkel hatte Claudio Ranieri, der italienische Manager von Chelsea, im Vorfeld der Partie prognostiziert. Wer darunter Zurückhaltung und den Willen zur Spielkontrolle verstand, sah sich bald eines Besseren belehrt. Es entwickelte sich eine nervöse, zerfahrene Partie mit vielen Ungenauigkeiten und zahlreichen Ballverlusten auf beiden Seiten. (…) Didier Deschamps, seit Sommer 2001 auf der Trainerbank Monacos, stand in seinem langen, schwarzen Ledermantel wie ein Detektiv an der Seitenlinie und rätselte darüber, wie er den kniffligen Fall lösen könnte. Er, der als Spieler den Welt-, Europa- und drei Champions-League-Titel gewonnen hatte, sollte die Aufgabe hervorragend meistern.“

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