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Oliver Fritsch | Donnerstag, 22. April 2004 Kommentare deaktiviert für Sonstiges

FC Villareal , unbekannter Uefa-Cup-Halbfinalist – Operation „Goldene Pfeife“, ein Schiedsrichterskandal belastet Portugal – Uefa erlaubt Israel , Heimspiele auszutragen

Walter Haubrich (FAZ 22.4.) stellt uns FC Villareal vor, Uefa-Cup-Halbfinalist: „Der Fußballklub Villarreal ist international noch kaum bekannt. Vor viereinhalb Jahren stieg er, auch für viele Spanier überraschend, in die erste Division auf. Dort hat er sich gehalten, hin und wieder auch den einen oder anderen der vier Spitzenvereine (Madrid, Barcelona, Valencia und La Coruña) besiegt und schließlich im vorigen Sommer einen Platz für die UEFA-Cup-Spiele erobert. Im ersten Jahr seines internationalen Auftretens hat Villarreal gleich Vereine mit großer Tradition in europäischen Wettbewerben wie AS Roma und Celtic Glasgow ausgeschaltet. Die Mannschaft, zur Zeit Zehnter unter den zwanzig Vereinen der Ersten Spanischen Division, setzt sich zusammen aus sehr jungen Spielern vom eigenen Nachwuchs und von Nachbarvereinen sowie einigen internationalen Stars. Der Vorstand in Villarreal hat offenbar eine Reihe von guten Spähern in einigen Fußball-Ländern. So wurden im vorigen Herbst eine Reihe von erfahrenen Ausländern verpflichtet, die aus ihren viel bekannteren Klubs ausscheiden wollten, unter ihnen der Argentinier Riquelme, der beim FC Barcelona keinen Stammplatz fand, und der brasilianische Torjäger Sonny Anderson, der nach einem Abstecher beim FC Barcelona zu Olympique Lille wechselte, wo er nicht mehr länger bleiben wollte. Der kämpferische Verteidiger Coloccini, der wie der Spanier José Mari dem AC Mailand gehört, kam nach Villarreal nach einer Zwischenstation beim Chaosverein Atlético Madrid.“

Operation „Goldene Pfeife“

Thomas Klemm (FAZ 22.4.) kommentiert den Schiedsrichterskandal in Portugal: „Die Hoffnung auf Glanz und Gloria wird in Portugal überschattet von einem möglicherweise weitreichenden Bestechungsskandal, der Liga und Land erschüttert. Die Ermittlungen drehen sich zwar zunächst nur um den Drittligaklub FC Gondomar: doch zieht die Operation „Goldene Pfeife“ schon dadurch weite Kreise, weil der Hauptbeschuldigte Valentim Loureiro nicht nur Vereinschef von Gondomar ist, sondern als Präsident der Profiliga zu den einflußreichsten Männern im portugiesischen Fußball gehört. Befürchtet wurden Enthüllungen, wie sie nach der Polizeirazzia und den 16 Verhaftungen wohl bevorstehen, schon lange – auch rund um Renommierklubs in der „SuperLiga“. Daher ist es keine Überraschung, daß sich die großen Vereine aus Lissabon und Porto mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhalten. Auch gegen die etablierten Erstligaklubs wurden, erstmals 1959 und dann immer wieder aufs neue, Vorwürfe laut, auf Schiedsrichter zumindest enormen Druck auszuüben. Ob auf die Operation „Goldene Pfeife“, die sich auf den nördlichen Teil Portugals konzentriert, nun ein landesweites Nachspiel folgt, ist noch unklar. Aber der drohende Bestechungsskandal bringt zusätzlich Unruhe in eine Nation, die mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen kämpft und ihre Hoffnungen auf einen Wandel zum Guten mit der Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft verbindet. Die EM soll, wie dieser Tage die Erinnerung an die friedliche Nelkenrevolution, den Ruf und das ramponierte Selbstbewußtsein in einem Land aufpäppeln, das seit geraumer Zeit von schlimmen Schlagzeilen heimgesucht wird. Gerichtsverhandlungen im Fall „Casa Pia“ halten die Nation seit Monaten in Atem, sollen doch Kinder und Jugendliche aus einem Waisenhaus mit Wissen und Deckung von Politikern, Prominenten und Polizisten sexuell mißbraucht worden sein.“

Eine Welt von Geldwäsche und politischer Vermischung

Ergänzend schildert Peter Burghardt (SZ 22.4.) „den größten Skandal der nationalen Fußballgeschichte. Am Dienstag ließ die Staatsanwaltschaft am Rande der Hafenstadt den Präsident des Liga-Verbandes, Valentim Loureiro, sowie 15 weitere Männer aus dem erweiterten Profibetrieb festnehmen – sie alle stehen im Verdacht, systematisch Schiedsrichter bestochen und Spiele verschoben zu haben. Die Razzia war das vorläufige Ergebnis wochenlanger Vorbereitung, Polizisten durchsuchten auch die Zentrale des Fußball-Verbandes FPF und 60 Wohnungen. Die Aktion trägt den Titel „Goldener Pfiff“, denn die Fahnder vermuten, dass mit Hilfe der Trillerpfeifen Millionen verdient werden. Seit Jahren wundern sich Spieler wie Zuschauer über merkwürdige Entscheidungen. Zu den Verhafteten gehören auch neun Regelhüter samt ihrem Vorsitzenden Antonio Pinto de Sousa, und möglicherweise war das erst der Anfang. Die stellvertretende Polizeidirektorin Maria Jose Morgado erklärte schon vor zwei Jahren, der Fußball sei „eine Welt von Geldwäsche und politischer Vermischung, bei der man nicht weiß, wo sie anfängt und aufhört“. Im Mittelpunkt steht vorläufig der besagte Loureiro, dessen Karriere und Verbindungen einiges vermuten lassen. Der 66 Jahre alte Mann ist hauptberuflich Bürgermeister von Gondomar nahe Porto und führt auch den Klub der Gemeinde. Der Klub will unbedingt in die Erste Liga aufsteigen, am Wochenende folgt das entscheidende Spiel, vor dem die Beamten sicherheitshalber tätig wurden. Der frühere Offizier und Parlamentsabgeordnete Loureiro ist für seine autoritären und populistischen Auftritte bekannt, im Wahlkampf 1994 beglückte er Anhänger mit Elektrogeräten (…) In Boavistas Stadion Bessa, ebenfalls EM-Schauplatz, trugen sich erst neulich seltsame Dinge zu. Am Samstag bezwang die Heimmannschaft, derzeit Tabellenachter, den Zweiten Sporting Lissabon mit Toren in der 82. und 87. Minute noch 2:1, nachdem in den letzten zehn Minuten zwei Gästespieler vom Platz gestellt worden waren. Im Februar hatte bereits der Trainer von Alverca den Unparteiischen angezeigt, nachdem seine Elf in der Nachspielzeit gegen Boavista verloren hatte. Sportings Präsident Dias da Cunha sprach von „Korruption und schmutzigem Geld im portugiesischen Fußball“. Verbandschef Gilberto Madail zeigte sich über den organisierten Betrug nicht überrascht.“

Felix Reidhaar (NZZ 22.4.) kommentiert den Beschluss von Fifa und Uefa, Israel Heimspiele zu gestatten: „Ist die Sicherheitslage in Israel tatsächlich stabiler als vor Jahresfrist? Die grossen Fussballverbände sind offenbar dieser Meinung, nachdem sie sich haben beschwichtigen lassen und weil sie – verständlicherweise – Mitleid mit den „heimatlosen“ und deshalb wettbewerbsmässig benachteiligten Israeli verspüren. Am Vorabend des 28. ordentlichen Kongresses in Limassol, in dessen gesellschaftlichem Mittelpunkt der 50. Geburtstag der Uefa und folglich die Verteilung von Geschenken stehen, wollte die Exekutive deshalb gleich anfangs ein Friedens- und Entspannungszeichen aussenden – nach Jahren der eisigen Atmosphäre auch in Richtung der Führung des Dachverbandes, der in dieser Sache ziemlich hemdsärmelig vorgeprellt war. Vom pragmatischen Standpunkt her ist die Aufhebung des als politisches Druckmittel verhängten Spielverbotes durchaus sachgemäss. Sportliche Ereignisse wurden bisher noch nie vom Terrorismus tangiert in Israel, in der Welt auch nicht mehr seit dem Überfall auf das Athletendorf der Münchner Sommerspiele 1972. Auf einem anderen Blatt steht die ungeklärte Versicherungsfrage. Europäische Klubs, die vor dem Uefa-Bann zu Wettkämpfen nach Israel gereist waren, hatten dafür wegen der Gefährdungssituation happige Prämienaufschläge zu entrichten. Wer wird dies künftig bezahlen?“

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