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Strafstoß #9 – Elementarspeicheln – Die Lösung des Nachwuchsproblems im Fußball

Oliver Fritsch | Montag, 21. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Strafstoß #9 – Elementarspeicheln – Die Lösung des Nachwuchsproblems im Fußball

von Mathias Mertens

Eine Frage habe ich mal, auch aus gegebenem Anlass: Warum rotzen Fußballer eigentlich? Jetzt kommt mir bloß nicht mit der Antwort, das Rennen und die körperliche Anstrengung, der Speichelfluss, das Japsen, das trocknet aus und verdichtet sich, Behinderung der Atemwege und der Leistung und so. Ich habe jahrelang Basketball gespielt und nie das Bedürfnis verspürt, auf den Platz zu rotzen. Dadurch ist nie eine auf verkrustenden Speichel zurückzuführende Angina Pectoris entstanden, so dass nur noch ein beherzter Luftröhrenschnitt des herbeigerufenen Notarztes meinen Erstickungstod hat verhindern können. Auch meine Handball spielenden Freunde haben meines Wissens eher selten auf den Platz gerotzt. Interessant wäre es mal zu erfahren, ob Eishockeyspieler sich ihres Speichels entledigen. Ich glaube nicht, zumal das ja schon im Visier des Helms hängenbleiben würde.

Warum rotzen Fußballer also? Ein Blick in das gute alte „Lexikon der Fußballmythen“ von Christian Eichler liefert eine viel befriedigendere Erklärung: Das hat mit Biologie zu tun: „Fußball ist ein Ausscheidungsspiel im engeren Wortsinne. Es fließen die Körpersäfte bei der kickenden Betätigung. Der Schweiß findet allein den Weg hinaus, der Mund- und Nasenschleim aber bedarf der aktiven Entsorgung, entweder oral oder nasal oder, die technisch anspruchsvolle Variante, nasal links-rechts. […] Als „symbolische Befreiung von Blockaden“ sieht der Psychologe Heinz-Georg Rupp, früherer Mentaltrainer von Bayer Uerdingen, den Auswurf. „In einer Situation, in der sich der Spieler als Versager fühlt, etwa nachdem er eine Torchance vergeben hat, spuckt er, um zu zeigen: Es geht weiter, ich habe mein Rohr wieder freigelegt.“ Die Ausscheidungen hätten sich „mit der Zeit ritualisiert“, besonders bei Einwechslungen: „Jetzt komme ich und besame ersatzweise das Feld. Die Botschaft: Ich werde das Spiel befruchten!“ Eine weitere tiefenpsychologische Komponente hat der Nasal-Psychologe möglicherweise übersehen: der offensichtliche Versuch des Profis, durch die alt-proletarische Geste des taschentuchlosen Rotzens („Charlottenburger“) seine Verbundenheit zum einfachen Mann auf den Rängen auszudrücken.“ Soweit Christian Eichler.

Da wollen wir mehr drüber wissen, also flugs eine Netzrecherche gestartet, weil diese knallhart recherchierenden und investigierenden Netzjournalisten, die haben ja ganz andere Informationsquellen und kommen an Fakten ran, die uns Feld-Wald-und-Wiesen-Buchleser völlig verborgen blieben. Und tatsächlich, Armin Stadler von der Online-Redaktion des ORF kann in seiner Kolumne „Fußball als Ausscheidungsprodukt“ noch viele weitere faszinierende Facetten zum Thema beisteuern: „Fußball ist aber auch ein Ausscheidungsspiel im ganz physischen Sinne. In der Hitze von Portugal fließen die Körpersäfte. Der Schweiß findet allein den Weg aus dem Fußballerkörper, der Nasen- und besonders Mundschleim aber bedarf der aktiven Entsorgung, entweder oral oder nasal. Was andernorts als Ekel erregende Demonstration funktionierender Drüsenfunktionen gilt, wird auf dem „grünen“ Rasen zum Ritual: das Spucken. Als „symbolische Befreiung von Blockaden“ sieht der Psychologe Heinz-Georg Rupp den Auswurf. Muss man erwähnen, dass der Mann einst Mentaltrainer beim deutschen Bundesligisten Bayer Uerdingen war? Taschentuchlos gerotzt und gespuckt wird nach vergebenen Torchancen, vor Einwechslungen und als proletarische Verbrüderungsgeste mit dem einfachen Mann auf der Tribüne.“ Gut, dass wir uns nicht mit der erstbesten Erklärung zufrieden gegeben haben.

Jetzt erklärt sich auch, warum der Basketballspieler nicht auf den Platz rotzt. Nicht etwa wegen der Verletzungsgefahr aufgrund des schlüpfrigen Untergrunds, sondern weil das Ejakulieren auf Parkett oder Patentsportboden keinerlei befruchtende Wirkung hätte. Die Scholle, auf die der Fußballspieler sich ausgießen kann, nimmt den Samen dagegen begierig auf und lässt ihn zu vielen weiteren Fußballspieler-Rasen-Hybriden heranwachsen. Die Spieler haben aber in den letzten Jahren erkannt, dass diese Mensch-Pflanze-Wesen nicht die allerbesten Kicker sind, also sind sie dazu übergegangen, andere Spieler zu befruchten, damit aus ihn dann die Stars zukünftiger Turniere hervorgehen. Francesco Totti und Alexander Frei gehören deshalb nicht gescholten und gesperrt, weil sie sich auf ein primitivsten Niveau begeben haben, sondern eigentlich dafür gelobt, dass sie ihren Michel Houllebecq und Peter Sloterdijk gelesen und in ein zeitgemäßes Fußballplatzgeschehen übersetzt haben. Aber es gibt eben so viele Betonköpfe, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen wollen.

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