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Der heimliche Star im Team der Namenlosen

Oliver Fritsch | Freitag, 25. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Der heimliche Star im Team der Namenlosen

„nur wenige in der Branche halten Jacques Santini für unentbehrlich“ (FAZ) – Georgios Seitaridis, „der heimliche Star im Team der namenlosen Griechen“ (Tsp) u.v.m.

Nur wenige in der Branche halten ihn für unentbehrlich

Peter Heß (FAZ 25.6.) bedauert Jacques Santini: “Sogar das Scheitern in der Vorrunde hat Rudi Völler längst nicht alle Sympathien gekostet. Ein Teil der deutschen Fußballfreunde bedauert seinen Rücktritt. Wenn Jacques Santini will, daß ihm Frankreich eine Träne nachweint, muß der Nationaltrainer am 4. Juli mit seinem Team Europameister werden – am besten durch einen 6:0-Finalsieg. Trotz einer langen Erfolgsserie, trotz einer EM-Qualifikation mit acht Siegen in acht Spielen, hat der 52 Jahre alte Franzose in seiner knapp zweijährigen Tätigkeit nie die Zuneigung seiner Landsleute gewonnen, allenfalls den Respekt. (…) Nur wenige in der Branche halten ihn für unentbehrlich. Generell wird Santinis Einfluß auf die Resultate seiner Mannschaft nicht allzu hoch eingeschätzt. Und offen erwähnte der Fußball-Lehrer in einem Interview mit der englischen Zeitung „The Guardian“ seine persönliche Problematik. „Bisher wurden alle Mannschaften durch meine Arbeit besser. Aber was soll ich den Welt- und Europameistern noch beibringen?“ Am Anfang seiner Tätigkeit gab er ihnen das Selbstbewußtsein zurück. Die Blamage von Japan und Südkorea saß so tief, daß einige ihre Länderspielkarriere beenden wollten. „Ich habe sie überredet weiterzumachen, und ich habe einige Spinnweben am System entfernt“, erklärte Santini. In der weiteren Zusammenarbeit ging es für ihn darum, von den Stars dauerhaft ernst genommen zu werden. Der frühere defensive Mittelfeldspieler des Typs Didier Deschamps en miniature, der mit AS St-Etienne einige nationale Titel holte, ging deshalb auf Distanz zu den Spielern und zur Öffentlichkeit. Er spielte die Rolle des stoischen, hintergründigen Experten, durch kleine Gesten seine Selbstsicherheit ausdrückend. Santini spricht wenig, um Philosoph zu bleiben. (…) Zinedine Zidane hat einen Sonderstatus. Der Spielmacher darf seine Genialität auf dem Spielfeld ausleben, wo er möchte. Das hat den Nachteil, daß die Raumordnung im französischen Mittelfeld eine komplizierte ist. „Ich spiele dort, wo Zidane nicht ist“, drückte Robert Pires sein Problem aus. Gegen diszipliniert gestaffelte gegnerische Mittelfeldreihen scheiterte die französische Improvisationskunst in Portugal bisher ungewohnt häufig. Vor allem bietet das sich ständig an Zidane ausrichtende Mittelfeld dem Gegner große Lücken, um eigene Angriffe zu inszenieren.“

Der heimliche Star im Team der Namenlosen

Raphael Honigstein (Tsp 25.6.) schaut sich Georgios Seitaridis genauer an: „Klaus Allofs hat sich vor zehn Tagen „ein paar interessante Spieler“ bei der EM angeschaut. Georgios Seitaridis stand nicht mehr auf der Liste des Sportdirektors von Werder Bremen. „Wir haben uns im vergangenen Sommer um ihn bemüht, leider scheiterte es am Geld.“ Der 23-jährige Grieche wird in Portugal bleiben – er hat beim Champions-League-Sieger FC Porto einen Dreijahresvertrag unterschrieben, die Ablöse an Panathinaikos Athen soll drei Millionen Euro betragen. Denn Seitaridis hat mit seinen starken Leistungen bei der EM die Begehrlichkeiten von Real Madrid geweckt. Beim FC Porto, wo er den zum FC Chelsea abgewanderten Paulo Ferreira ersetzen soll, ist man sich dagegen sicher, dass der Transfer schon vollzogen ist. „Mir ist das alles ziemlich egal“, hat Seitaridis gesagt. Heute Abend muss er beweisen, dass er das Interesse der großen Klubs verdient. Griechenlands Trainer Otto Rehhagel hat ihm eine spezielle Aufgabe im Viertelfinalspiel gegen Frankreich erteilt: Seitaridis spiel gegen Zinedine Zidane, den besten Fußballer der Welt. Seitaridis ist der heimliche Star im Team der Namenlosen.“

Trainer sollten sich bei der Taktik nach ihren Spielern richten, nicht nach ihren Träumen

Peter Heß (FAZ 25.6.) respektiert Otto Rehhagels klare Linie: “Wenn die EM nach Harmoniewerten vergeben würde, hätte Griechenland die besseren Chancen auf den Titel als nach rein fußballerischen Parametern. Frankreich heißt der Gegner im Viertelfinale, und für viele Experten endet an diesem Punkt das griechische Fußballwunder. „Normalerweise müßten wir Millionen zahlen, um bei so einem Spiel mitmachen zu dürfen. Wir bekommen es umsonst“, umschrieb Nationaltrainer Otto Rehhagel blumig die Außenseiterrolle seiner Mannschaft. Niemand hätte den Einzug ins Viertelfinale erwartet. Ein Schlüssel zum Erfolg ist neben der taktischen Disziplin auf dem Spielfeld der Zusammenhalt neben dem Platz. Das war in der Vergangenheit ganz anders. Die Rivalität der großen Klubmannschaften Panathinaikos, AEK und Olympiakos vergiftete auch die Atmosphäre in der Nationalelf. Bei Niederlagen setzte das beliebte Spielchen der gegenseitigen Schuldzuweisung ein. In den Klubs verhätschelte Stars, beim Verband legten sie ihr Gehabe nicht ab – bis Rehhagel kam. (…) Daß seine Taktik antike Züge trägt, ficht Rehhagel nicht an. Er scheut sich nicht einmal, Dellas einen klassischen Libero hinter der Abwehr spielen zu lassen: „Wenn ich Nowotny und Lucio habe, kann ich mit Viererkette spielen, wenn ich zwei 15-Sekunden-Läufer über 100 Meter habe, dann nicht.“ Trainer sollten sich bei der Taktik nach ihren Spielern richten, nicht nach ihren Träumen. Und im Fall von Dellas fühlt er sich voll bestätigt: „Ich habe meinen Koloß von Rhodos gebracht, und er hat den Erfolg gebracht.““

Ist Verlierern das Golfspielen verboten?

Peter Burghardt (SZ 25.6.) meldet den nächsten Trainerwechsel: „Spaniens Nationaltrainer Inaki Sáez gab seinem Arbeitgeber bekannt, dass er aufgibt, und bald wusste es das ganze Land. „Er hält es nicht mehr aus“, erläuterte ein Funktionär. Das kann verstehen, wer in den letzten Tagen Zeitung gelesen, Radio gehört und ferngesehen hat. Sáez wurde in einem Orkan der Empörung zerrissen, nachdem er es obendrein gewagt hatte, die Blamage von Lissabon zu verteidigen und zu widersprechen, wenn ein Reporter sein Team als „Bande“ bezeichnete. Das Kampfblatt Marca zeigte ihn anderntags beim Golfspielen, was Verlierern offenbar verboten ist. Die Konkurrenz von As verabschiedete ihn nun genüsslich: „Sáez wirft die Mütze“, er trägt schließlich ständig seine blaue Kappe. Der Trainer mit der Mütze wirft das Handtuch.““

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