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Internationaler Fußball

Universum der tausend Qualen

Oliver Fritsch | Samstag, 26. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Universum der tausend Qualen

„ein Universum der tausend Qualen“ (Telegraph) / „der Schiedsrichter war eine entsetzliche Schande“ (Daily Mirror) – „trotz des Ausscheidens muss Eriksson bleiben“ (The Guardian) u.v.m.

Universum der tausend Qualen

Sehr lesenswert! Schon wieder raus! Paul Hayward (Telegraph 25.6.) kann es nicht glauben: „Wenn die Engländer in einem ungewöhnlichen Tempo altern, liegt es wohl daran, dass sie alle zwei bis vier Jahre durch dieselbe Situation müssen: Windstärke 10 der Seele. Manchmal verwundert es einen. Warum winden sich zig Millionen englischer Menschen vor dem Fernseher, leiden die Familien der Spieler auf ihren Plätzen, versuchen Reporter einen erzählenden Faden durch das Chaos zu ziehen, und warum glauben die elf Männer, die wirklich da draußen sind und die ganzen Hoffnungen tragen, weiter, dass 38 Jahre des Wartens in glorreichem Triumph enden? Die Erlösung aus dem Fegefeuer wird nicht kommen. England hat den Schlüssel verloren. Von all den Demütigungen, seit Bobby Robsons Mannschaft bei der WM 1990 das Elfmeterschießen verlor, ist keine mit dem portugiesischem Torhüter Ricardo vergleichbar, der den entscheidenden Elfmeter an seinem Gegenüber David James, nach annähernd drei Stunden gewaltigem und emotionalem Aufruhr, vorbeihämmert. Italien 90, EM 96, Frankreich 98, das Viertelfinalspiel der WM gegen Brasilien vor zwei Jahren – und nun das. Es wird ungesund. Ja, wirklich! Wer weiß, was wir finden würden, wenn die Medizin das englische Herz öffnen würde, um den Schaden zu untersuchen, der von all diesen Melodramen zugefügt wurde. (…) In diesem Universum der tausend Qualen, bekommst du einen späten Ausgleichstreffer von einem Reservestürmer der Tottenham Hotspurs (…) Zu der Zeit, in der der England-Fan diese Meldung liest, wird der Morgen zweifellos furchtbare Schmerzen gebracht haben, entweder von einem Kater oder von den Auswirkungen unerträglichen Stresses. Dieses Spiel hatte eine Story, es war durcheinander geworfen, umbarmherzig, anstrengend und als die Verlängerung dem Elfmeterschießen Platz machte, verließ die Hitze kurzzeitig den Kessel im nördlichen Teil Lissabons. Es gab einen kollektiven Abfall der Anspannung. Die Menge konnte einfach nicht mehr. Bis sie dazu gezwungen wurde, natürlich durch das Spektakel aus weißen und roten Trikots, die das Heiligtum der Mittellinie verließen und ihr Glück beim Zielschießen versuchten. (…) Da Elfmeterschießen von einem böswilligen Gott erfunden wurde, der aus der Stadt gejagt werden sollte, würde er jemals sein Gesicht zeigen, endete die Nacht mit ritueller Grausamkeit – gesucht wird der Sündenbock, der seinen Namen unter den letzten nicht verwandelt Schuss (…) Jugend war nicht Thema dieser verrückten Nacht. Die entscheidenden Faktoren waren „Coolness“ unter unerträglichem Druck und technische Präzision in dem Hexenkessel beim Elfmeterschießen. Eine brutale, erschreckende Nacht, die die Engländer vielleicht über Jahrhunderte verfolgen wird – und zweifellos bis zur nächsten WM.“

Atemlos, unvergesslich aber auch ultimativ peinlich

Matt Dickinson (Times 25.6.) blickt nüchtern auf das Ausscheiden der Engländer: „Nun sind es 40 Jahre Schmerzen, die der englische Fußball ertragen musste. Das Mittel der Folter war gestern wieder allgegenwärtig, als England zum viertel Mal bei einem großen Turnier im Elfmeterschießen gescheitert ist. Es war eine atemlose, unvergessliche aber auch ultimativ peinliche Nacht in Lissabon, in der David Beckham und Darius Vassell ihre Strafstöße verschossen. England ist dieses Turnier und das Viertelfinalspiel im Glauben angetreten, den größten internationalen Triumph für England seit 1966 einzufahren, aber nun fliegen sie mit dem gewohnten Kampf der Selbstbesinnung nach Hause. Es ist immer die schrecklichste Art, eine Partie im Elfmeterschießen zu verlieren, aber wenn mal auf das Match zurückschaut, muss man vielleicht sogar sagen, dass sich die Engländer glücklich schätzen konnten, nach 120 Minuten eine weitere Chance zu bekommen.“

Der Schiedsrichter war eine entsetzliche Schande

England hat den Schuldigen gefunden: Schiedsrichter Urs Meier, Jeremy Armstromg & Paul Byrne (Daily Mirror 25.6.): „Englands Traum vom Euro-Titel wurde gestern Nacht nach einem dramatischen Elfmeterschießen zerschmettert. (…) Nach dem Spiel kam bei den englischen Fans großer Frust gegenüber dem Schweizer Schiedsrichter Urs Meier auf, der ein Tor von Sol Campbell aberkannte, da er zuvor ein Foul von John Terry am portugiesischen Torwart gesehen hatte. BBC-Fachmann Alan Hansen bezeichnete diese Entscheidung als eine Schande. Der ehemalige englische Stürmer Ian Wright fügte hinzu: „Es ist ein absoluter Witz. Er soll angeblich der beste Schiedsrichter der Welt sein und fällt dann eine solche Entscheidung. Meier hat uns den Sieg gekostet.“ (…) Michael Owens Vater Terry, der im Stadion war, sagte nach dem Spiel: „Es ist so unglaublich enttäuschend, die Jungs haben so gut gespielt, es war ein atemberaubendes Match.“ Frank Lampards Vater, der zusah, wie sein Sohn den Ausgleich schoss, lobte ihn: „Die Tatsache, dass er nach einem solch langen Spiel noch trifft, obwohl er sehr erschöpft war, zeigt seinen wahren Charakter und seine Entschlossenheit.“ In der Centurion Bar in Newcastle, lies Jane Wallace (21), ihrer Wut freien Lauf: „Es war eine entsetzliche, bodenlose Entscheidung. Diesem Schiedsrichter sollte man es verbieten, je wieder bei einem großen Turnier zu pfeifen.“ Graham Wilson (43, Gateshead) sah dies ähnlich: „Ich dachte, die Schweizer seien neutral. Der Schiedsrichter war eine entsetzliche Schande, nicht nur beim Tor von Campbell, sondern das komplette Spiel.“ Anne Barker (24, Newcastle) stimmte dem zu: „Schande und Scham über den Kopf des Schiedsrichters.““

Warum es Zeit ist für Sven zu gehen

Rob Smith (The Guardian 25.6.) fordert Erikssons Rücktritt: „Der Grund für Englands Scheitern ist ziemlich einfach: Es war nicht der Schiedsrichter, es war keine Matschpfütze am Elfmeterpunkt und nach 120 Minuten, in denen sie zum größten Teil hinterherliefen, es war sicherlich kein Pech. Es war erneut eine Reihe, von Offenbarungen taktischer Feigheit Sven-Goran Erikssons.“

Trotz des Ausscheidens muss Eriksson bleiben

Richard Williams (The Guardian 25.6.) hält dagegen an Eriksson fest: „England erholte sich nie davon, dass Sven-Goran Eriksson früh am gestrigen Abend schon seine schärfste Waffe verlor. Tapfer war, es wie sie gekämpft haben, um die Portugiesen fern zu halten; die Kante ihres Spiels wurde zerschmettert, als Wayne Rooney sich setzte und an den linken Knöchel fasste. Nach Rooneys Abgang konnte man sehen, was sie sind: ein ehrliches Team fähig, an einem guten Abend, jeden zu schlagen, abgesehen von den Allerbesten.“

Eriksson wütend über den unebenen Fleck

Daniel Taylor (The Guardian 25.6.) berichtet von einen vorausschauenden englischen Trainer: “Man hört, dass Pizza Hut heute Morgen als erstes versuchte, David Beckham und Darius Vassell anzurufen. Wahrscheinlich waren ihre Handys ausgeschaltet. Unterdessen werden Sven-Goran Eriksson und seine Spieler erneut eine Untersuchung einleiten, über ein Elfmeterschießen, welches ein altbekanntes, schreckliches Gefühl eines Déjà-vus hinterlassen hat. Diesmal wurde das Trauma und das fatale Gefühl des Unvermeidlichen begleitet von Erbitterung. Wie bekannt wurde, war Eriksson, nachdem Englands Spieler im Training Elfmeter geübt hatten, so unzufrieden mit dem Zustand des Rasens um den Elfmeterpunkt, dass er die Uefa gebeten hatte den Platzwart zur Ausbesserung anzuhalten.“

Englands Niederlage und Rudi Völlers Rücktritt SpOn FR

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