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Mal eine Portion Fritjes

Oliver Fritsch | Sonntag, 27. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Mal eine Portion Fritjes

Richard Leipold (FAZ 26.6.) besucht das erste Training des neuen Dortmunder Trainers: “Bert van Marwijk hat ein schweres Stück Arbeit vor sich. Bevor er wie jeder andere Fußball-Lehrer am Ergebnis gemessen wird, soll er den Profis von Borussia Dortmund ein Gefühl vermitteln, das ihnen in zwei freudlosen Jahren abhanden gekommen ist: Spaß an der Arbeit. Sein pflichtbewußter Vorgänger Matthias Sammer hatte mit seiner akribischen, aber oft auch verbiesterten Haltung eine gewisse Schwermut bei seinem Personal erzeugt. Gerade die Spieler, die von der Inspiration lebten, waren schon länger nicht mehr glücklich. Nach dem Trainingsstart der Borussen meldete van Marwijk einen ersten Erfolg. „Die Spieler haben am Morgen schon gelacht.“ Ein örtlicher Reporter hat sich sogar notiert, wann die gute Laune sich zum ersten Mal nach dem Urlaub Bahn brach, als ginge es um ein historisches Datum: zehn Uhr sieben. (…) Auf Ernährungspläne und andere gutgemeinte, aber oft an Bevormundung grenzende Vorgaben glaubt er verzichten zu können. Das gemeinsame Spaghetti-Essen nach dem Spiel in der Kabine werde er nicht fortsetzen. Sein Vorgänger hatte darauf bestanden, daß jeder Spieler seinen Teller Nudeln leer ißt, bevor es in den Feierabend ging. Sammer hatte sich manches Mal darüber beklagt, daß die Spieler sich ihrem Körper gegenüber bei der Ernährung nicht verantwortungsbewußt zeigten. Er warf ihnen sogar vor, nach Dienstschluß mit „Pommes rot-weiß“ daheim auf dem Sofa zu liegen. Van Marwijk scheint seine Ansprüche nicht so absolut, so kompromißlos wie sein Vorgänger an die kickende Belegschaft der börsennotierten Fußballfirma heranzutragen. Bei Kleinigkeiten gibt er sich großzügig. Am Montag mal eine Portion „Fritjes“ zu erlauben findet er geschickter, als die Spieler mit einem strikten Verbot zum heimlichen Besuch im Fast-food-Laden zu treiben. Van Marwijk sagt, er wolle nicht vom ersten Tag an alles grundlegend anders machen. Dennoch scheint er entschlossen, manch alten Zopf abzuschneiden. Sein Verständnis von Disziplin bestehe nicht darin, „einen Packen Papier mit irgendwelchen Regeln mitzubringen“. Dennoch wirkt der Zweiundfünfzigjährige, der sein Trainerprofil bei Feyenoord Rotterdam schärfte, nicht wie einer dieser Pädagogen, die früher einmal mit dem sogenannten Laisser-faire-Stil einen längst überholten Trend setzten.“

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