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Strafstoß #15 – Their big fat greek editing – Abwehrbemühungen gegen die Medienoffenbarung

Oliver Fritsch | Donnerstag, 1. Juli 2004 Kommentare deaktiviert für Strafstoß #15 – Their big fat greek editing – Abwehrbemühungen gegen die Medienoffenbarung

Their big fat greek editing – Abwehrbemühungen gegen die Medienoffenbarung

von Mathiassos Mertenopoulos

Der SuperGAU für Medienrezipienten ist eingetreten: Griechenland steht gegen Portugal im Endspiel. Die Neuauflage des Eröffnungsspiels. Nicht nur, dass jetzt die große Revanche beschworen wird, nein, das Turnier wird nun so sinnfällig geschlossen, dass wir uns vor der Formulierung „der Kreis schließt sich“ nicht mehr werden in Deckung bringen können. Gespannt sein darf man, ob irgendein abgebrochener Altphilo- oder Theologe in der Sportredaktion wenigstens das anspruchsvolle „Alpha und Omega“ unterbringen wird, frei nach Gott, der sich damit als Ersten und Letzten, als Anfang und Ende bezeichnete. Aber schon diesem Zitat ist eine Gebrauchsanleitung beigelegt worden, wenn jener weißhäuptige und feueräugige Mann im langen Gewand und goldenem Gürtel zwischen sieben Leuchtern stehend anmahnte: „Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es zu den Gemeinden in Asien: gen Ephesus und gen Smyrna und gen Pergamus und gen Thyatira und gen Sardes und gen Philadelphia und gen Laodizea. Schreibe, was du gesehen hast, und was da ist, und was geschehen soll darnach.“ Und nicht wie die Griechen riechen, bevor sie’s den Portugiesen vermiesen.

Und bitte – das ist beim Thema Griechenland naheliegend und schon lange mal angebracht – denkt mal über Euren Gebrauch des Wortes „tragisch“ nach! Wem immer im Sport heute ein Missgeschick passiert, der erlebt eine „Tragödie“ oder wird gar zum „tragischen Held“. Das ist in den allermeisten Fällen nicht richtig. Nedveds Verletzung zum Beispiel am gestrigen Abend hatte nichts Tragisches, sondern nur etwas Trauriges. Denn sie hatte nichts mit Schuld zu tun. Und das ist eine unabdingliche Bedingung für die Tragödie. Man muss schuldig sein, ohne schuldig zu sein, „schuldlose Schuld“ erleiden, wie es in der Philosophie und Philologie heißt. Ödipus, um mal den archetypischen tragischen Helden zu beschreiben, verstrickte sich ja gerade durch seine Bemühungen, dem prophezeiten Schicksal des Vatermordes und der Mutterheirat zu entgehen, in eben dieses Schicksal. Insofern würde selbst der entscheidende verschossene Elfmeter keinerlei Tragik besitzen, weil man ja nicht schuldlos ist, sondern tatsächlich schuldig. Das Eigentor von Andrade im ersten Halbfinale hätte dagegen tragisch werden können, weil es ja durch seine Bemühungen, es zu verhindern, zustande kam und beinahe die Niederlage der Portugiesen einleitete. Also liebe potentielle „Kreis-schließt-sich“-Metaphoriker: Wenn Ihr zumindest einen korrekten Gebrauch des Adjektivs „tragisch“ vorweisen könnt, dann sei Euch vergeben.

Worüber Ihr aber tatsächlich anlässlich der griechischen Finalteilnahme schreiben könntet, wäre die damit verbundene Gefährdung der Olympischen Spiele. Denn laut Medienberichten ist ganz Griechenland in einen Zustand dionysischer Entrückung versetzt. So war zu lesen und zu hören, wie endlose Autokorsi durch die Hauptstadt rollten, wie sich die Menschen mit Hupkonzerten und Flaggeschwenken verausgabten und wie sie mit Leuchtkugeln und Feuerwerk alles zu Klump und Asche zerschossen. Wer, bitteschön, baut jetzt die Spielstätten fertig? Übermüdete, volltrunkene und ekstatisch vernebelte griechische Bauarbeiter? Bestimmt nicht. Wahrscheinlich müssen das wieder deutsche Gastarbeiter machen. Denn die interessieren sich ja schon lange nicht mehr für die EM.

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