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Verletztenliste bei Bundesligaklubs

Oliver Fritsch | Samstag, 7. August 2004 Kommentare deaktiviert für Verletztenliste bei Bundesligaklubs

lange Verletztenliste bei Bundesligaklubs – VfB Stuttgart streicht Siegprämien – Schwarzgeldaffäre – Beiersdorfer neuer Sportchef beim HSV – Ronaldo u.a.

Michael Ashelm (FAZ 7.8.) fragt nach den Ursachen der zahlreichen Verletzten während der Saisonvorbereitungsphase. „Nehmen die Trainer ihre Spieler zu hart ran? Je näher der erste Spieltag rückt, desto größer die Hatz, weil natürlich auch ökonomische Gründe die Vereine dazu zwingen, ihre Mannschaften bei Turnieren und Privatspielen auflaufen zu lassen. Und die Finanzkrise verschärft die Situation. Jede Möglichkeit, Geld zu verdienen, das Geschäft anzuschieben, soll oder muss wahrgenommen werden. Oftmals kommt diese Art der Belastung auf dem Platz im Trainingsplan zu früh. Wettkampfstress zur falschen Zeit (…) Obwohl in den vergangenen Jahren im Fußball trainingswissenschaftliche Aspekte immer mehr an Bedeutung gewonnen haben, die Vereine Ärzte, Physiotherapeuten und sogar Psychologen zu Rate ziehen, gibt es Schwachstellen im System.“

Zur Kritik an der Streichung der Siegprämien beim VfB Stuttgart durch Manager Rolf Rüssmann meint Ralf Wiegand (SZ 6.8.). „Bevor jetzt allerdings jemand sein Taschentuch rausholt, um dieses Schicksal zu beweinen, sollte bemerkt werden, dass auch der VfB ein Grundgehalt bezahlt, das selbst das kleinste Spielerlicht knapp über die Armutsgrenze lupft und den Top-Mitarbeiter Balakov gar jährlich aufs Neue zum Multimillionär macht – bis an sein Lebensende, falls ihm ein Arzt seines Vertrauens die ewige Jugend attestiert. Auch dank solch sehr sozialer Verträge ist der VfB auf reichlich 17 Millionen Euro Schulden gekommen. Nun beklagen sich die VfB-Spieler bitter über die Rationalisierungsmaßnahme ihres Managements, weil ja wohl irgendwie Ross und Reiter verwechselt worden seien. Naja, stimmt schon, aber von wem soll sich’s der arme Manager Rüssmann denn holen?“

Angesichts der möglichen Schwarzgeldaffäre bemerkt Wolfgang Hettfleisch (FR 6.8.). „Die Fernseheinnahmen sinken, Sponsoren machen sich rar: WM-Boom hin oder her, es ging den Klubs der Fußball-Bundesliga schon mal besser. Was die Branche da nun braucht wie Zahnweh, ist eine Debatte um illegale Finanzpraktiken bei der Anwerbung und Bezahlung der Angestellten (…) Auch für den Beinahe-Bundestrainer hat natürlich die Unschuldsvermutung zu gelten. Was Daum beunruhigen muss, ist, dass Staranwalt Prinz, der ihn, den einstigen Mandanten, in einer entsprechenden Klageschrift in die Bredouille bringt, ebenso wenig zur unflankierten Attacke neigt wie der an den Veröffentlichungen beteiligte SZ-Wühler Hans Leyendecker.“

siehe auch if-Dossier zum Thema Schwarzgeld

Roland Zorn (FAZ 7.8.) zu diesem Thema. „Schon der Verdacht von Steuerhinterziehung schadet der Bundesliga. Dass eine unter dem wachen Blick des Weltkonzerns Bayer gebildete Fußball-GmbH die an ihre Profis und deren Berater gezahlten Gelder unter vorsätzlicher Umgehung des Fiskus überwiesen habe, gilt inzwischen ebenso als ziemlich abenteuerliche Vermutung. Ob die Bundesliga als Gesamtkörperschaft dem Finanzamt gegenüber allzeit vertrauenswürdig gehandelt hat und die Zunft der Spielervermittler auch von Fall zu Fall über jeden steuerlichen Zweifel erhaben ist, darüber wird vermutlich noch einiges zu hören sein (…) Dass in der Bundesliga auch Schwarzgeld mit im Spiel sein könnte, halten Insider zumindest für denkbar. Zumal so manches Geschäftsfeld wie etwa die Kontakte zu südamerikanischen Spielerberatern nur schwer überschaubar scheint. Ob es hier und da zu steuerlich nicht erfassten Geschäften zwischen Vereinsvertretern und Spielerberatern gekommen ist? Schwer zu sagen, vermutlich noch schwerer zu beweisen.“

Manager Reiner Calmund hat die Frage nach geleisteten Handgeldzahlungen seitens seines Klubs Bayer Leverkusen an Jens Nowotny bejaht. Erik Eggers (Tsp 7.8.) meint dazu. „Die Zahlung von Handgeldern im Rahmen derartiger Transfers ist an sich auch nicht strafbar (…) Es wird also vermutlich allein darauf ankommen, ob die betreffenden Spieler die teilweise exorbitanten Handgelder, die in den vergangenen Jahren des freien Marktes flossen, auch korrekt versteuert haben.“

Direkte Freistöße zum Thema Schwarzgeld

Reaktionen der Anwälte Tsp

Die Liga schreit auf SZ

Der ehemalige Profi Dietmar Beiersdorfer ist neuer Sportchef beim HSV. Frank Heike (FAZ 6.8.) dazu. „Erste schwierige Prüfungen für den Managernovizen gilt es schon in der Winterpause zu meistern, wenn Verhandlungen über Vertragsverlängerungen mit Ujfalusi, Hertzsch und Barbarez anstehen. Sofort wird die Hamburger Medienlandschaft seine Fähigkeiten kritisch beäugen: Hat er Verhandlungsgeschick? Macht der Neuling Fehler? Lässt er sich über den Tisch ziehen? (…) Dass Beiersdorfer ungewollt die wichtigste Nebenrolle im Hamburger Sommertheater um Aufsichtsrat Udo Bandow und Vorstand Werner Hackmann einnahm, ist keine gute Basis für ihn: Bandow, der 70 Jahre alte Banker, wollte ihn unbedingt, Hackmann fühlte sich bei dieser Personalie übergangen und wollte zurücktreten. Doch der Vorstandsvorsitzende zeigte sich wieder einmal als Ränkeschmied erster Ordnung: Hackmann bleibt zumindest bis zum Saisonende und will von einer Abneigung gegen den neuen Kollegen nichts wissen (…) Nun hat der HSV also in zehn Monaten die sportliche Leitung ausgewechselt, von Pagelsdorf zu Jara, von Hieronymus zu Beiersdorfer, und falls sich die Räte in der Winterpause nicht zu einer Verlängerung mit Hackmann über das Saisonende hinaus einigen, gibt es auch in dieser Frage einen Anlass zur Zäsur. Abfindungen, weiterlaufende Gehaltszahlungen und ein beträchtlicher Imageverlust bestimmen das Bild.“

Jens Kirschneck (SZ 6.8.) schreibt über die Saisonvorbereitung Arminia Bielefelds. „Ließen sich die Arminen im Mai nach dem sechsten Aufstieg der Klubgeschichte noch euphorisch als „Rekordaufsteiger“ feiern, so hat sich nun längst Ernüchterung breit gemacht. Wenig spektakuläre Neuzugänge, schwache Testspiele und allerlei Skandälchen haben dafür gesorgt, dass viele in Bielefeld den kommenden zwölf Monaten eher mit Sorge denn mit Vorfreude entgegen sehen. Vor allem der notorische Ansgar Brinkmann hielt die Ostwestfalen auf Trab: Im Trainingslager überzog der Angreifer anlässlich seines 33. Geburtstages den Zapfenstreich, zögerte die Begleichung einer darauf verhängten Geldstrafe von 3000 Euro über Wochen hinaus und kritisierte schließlich in einem Interview („Mannschaftssitzungen fangen mit Fußball an und enden oft im Disneyland“) indirekt seinen Übungsleiter. Da auch Kollege Dirk van der Ven („Wir wären auch ohne Trainer aufgestiegen“) Zitierfähiges von sich gab, wähnen manche schon Möhlmanns Autorität in Gefahr.“

Sven Astheimer (FR 7.8.) bemerkt zu den Transfergerüchten um Ronaldo und Real Madrid. „Macht das noch Sinn? Es macht, zumindest in den Augen der Real-Führung um Präsident Florentino Perez. Der trat einst an, um aus dem schwerfälligen Vereinskoloss einen modernen Unterhaltungsapparat zu formen. Der Baumeister ist weit gekommen: Der deutsche Küchenproduzent Teka – ein lange Zeit liebevoll gepflegter Anachronismus – flog von der wertvollen Spieler-Brust und wurde durch Global Player Siemens ersetzt. Der Klub tourt wie eine Rockband zu Gastspielen nach Asien und Amerika im ständigen Bemühen, Manchester United die globale Vorherrschaft streitig zu machen. Und schon bei der Verpflichtung Zidanes rieb sich Reals Marketing-Experte mit Blick auf die algerischen Wurzeln des Franzosen die Hände und sprach von den „neuen Absatzmärkten“, die sich dem Unternehmen nun erschlössen. Deshalb macht Ronaldo auch bei einer scheinbar aberwitzigen Ablöse noch Sinn für Madrid. Damit wäre eine Weltauswahl nahezu komplett, die weltweit jedes Stadion füllen würde und die ihren Marktwert nahezu gänzlich vom sportlichen Erfolg abgekoppelt hätte.“

Zum gewandelten Fußballstil Ronaldos schreibt Peter Hartmann (NZZ 7.8.). „Während des WM-Turniers wurde endgültig deutlich, dass Ronaldo anders spielt als in seiner Jugend. Eigennütziger, ökonomischer, nicht mehr so beweglich und generös wie etwa in der Saison 94, seiner letzten in Brasilien bei Cruzeiro, als ihm in 73 Einsätzen 67 Tore gelangen, oder noch in Eindhoven und Barcelona. Die langen Aufbautrainings nach zwei Knieoperationen haben seinen Körper verändert. Er lotet mit seinen Sprints nicht mehr die weiten Räume aus, er hat die Leichtigkeit des Fliegens endgültig verloren, aber den schnellen Antritt und die Reflexe wiedergewonnen. Cassius Clay tanzte einst wie ein Schmetterling und stach wie eine Biene, und als er nach drei Jahren Sperre als Muhammad Ali in den Ring zurück kletterte, kämpfte er zynischer, berechnender, mit mehr Bodenhaftung.“

Angesichts einer Lebertransplantation erinnert Christian Eichler (FAZ 5.8.) an die Karriere des schillernden Fußballstars George Best. „Die Berichte seiner Taten schildern Unglaubliches. Wie er den Ball mit dem Hintern stoppte; ihn auf dem Oberschenkel über den halben Platz dribbelte; ein Tor im Handstand mit der Hacke schoss; sein rotes Trikot auszog, um, den Ball am Fuß, vor dem Verteidiger zu wedeln wie der Torero vor dem Stier; wie er gern versuchte, schon im ersten Duell dem Gegenspieler den Ball durch die Beine zu spielen und, wenn das gelang, noch mal zurück. Johan Neeskens spielte er den Ball so oft hindurch, dass er dem Holländer am Ende ein Gummiband aus seinem Socken schenkte: damit er sich die Beine zusammenbinden konnte (…) Nach seiner Auszeichnung als Englands Spieler des Jahres soff er die Nacht durch. Am nächsten Morgen fand ihn ein Polizist volltrunken auf der Straße, die Trophäe im Arm. Das Genie in der Gosse, es wurde die Rolle seines Lebens. Best, der einfache Bursche aus Belfast, war nicht vorbereitet auf das, was die verrückte Welt aus ihm machte. Er wurde der erste Popstar des Spiels, vollkommen gegensätzlich zu seinem heutigen Nachfolger, dem sozialverträglichen, durchgestylten David Beckham. Beide sind perfekte Spiegelbilder ihrer Zeit: Best für die zügellosen 68er Jahre; Beckham für die Ära des globalen Kommerzes, dessen Stars politisch korrekt sind und sich das Rebellische beim Friseur holen.“

Zum Beginn der Leichtathletik-EM in München wirft Jan Mühlethaler (NZZ 6.8.) ein. „Dass sich die Leichtathletik auf dem europäischen Kontinent eher auf dem absteigenden Ast befindet, hängt selbstredend nicht nur damit zusammen, dass das Bewusstsein für traditionelle Sportarten einfach so abhanden gekommen wäre. Denn völlig neu zu erfinden ist die Leichtathletik nicht, sie ist höchstens anders zu „verpacken“. Sie muss den Zuschauern im Stadion und vor den Fernsehgeräten benutzerfreundlicher präsentiert werden. Diese Chance bietet sich den EM-Organisatoren, die auf dem Olympiagelände von 1972 eine Art Wiedergeburt (zumindest in einer Sportart) der so erfolgreichen, zugleich aber auch tragischen Sommerspiele heraufbeschwören wollen. Dort, wo vor 30 Jahren das DDR-Team erstmals hinter eigener Fahne ins Stadion eingelaufen ist, soll 2002 leistungsmäßig ein Ruck durchs längst wiedervereinte deutsche Nationalteam gehen, das in Trainerfragen weiterhin nicht ohne DDR-Wissen (nicht Methoden) auskommt.“

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