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„Knall auf Fall“ nach der Vicky-Leandros-Olympia-Gala

Oliver Fritsch | Sonntag, 8. August 2004 Kommentare deaktiviert für „Knall auf Fall“ nach der Vicky-Leandros-Olympia-Gala

Die Bundesliga sollte ihre Marke im Ausland stärken und etablieren (FAS) – Kritik an Sportjournalisten und ihrer Sprache, „sie reportieren nicht mehr, sie apportieren. Vor allem Zitate, mögen sie noch so dumm sein“ (SZ) u.a.

Auf der Netzseite der DFL, dem Schaufenster in die Liga, wird nur Deutsch gesprochen

Die Bundesliga sollte ihren Marktwert auf internationalem Terrain verbessern, meint Michael Ashelm (FAS 8.8.): „“Aus unserer Sicht wird die Bundesliga im Ausland nicht richtig nachgefragt“, sagt Robert Müller von Vultejus. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Sportfive-Dependance in Hamburg, der Rechteagentur, die in den nächsten zwei Jahren die Bundesliga bei ausländischen Sendern unterbringen muß. Zwar können in dieser Saison bewegte Bilder der Bundesliga angeblich in 150 Ländern rund um den Globus gesehen werden, aber als viertwichtigste Liga hinter der englischen Premier League, der Primera Division und der Serie A hat deutscher Vereinsfußball das Nachsehen: weniger verfügbare Mittel, weniger Stars, weniger attraktive Sendeplätze – so einfach funktioniert das Geschäft. Zwar heißt es bei der DFL: „Wir sind auf allen wichtigen Märkten vertreten, die strategisches Potential für unsere Klubs haben.“ Also Europa, China, Japan und Nordamerika. Doch oft genug verschwindet die Bundesliga in irgendwelchen Pay-TV-Abspielstationen oder wird in Kleinstzusammenschnitten auf unattraktive Sendeplätze verschoben. Großes, unerreichbares Vorbild ist die Premier League – natürlich auch aus historischen Gründen der englischen Kolonialzeit herrührend. Der mit aller Kraft vermarktete Klubfußball von der Insel kann inzwischen in 160 Ländern von 570 Millionen Haushalten verfolgt werden. 146 Millionen Euro erzielen die Klubs aus dem Verkauf der Fernsehrechte außerhalb Englands – die DFL nimmt nur 15 Millionen Euro ein. Nach einer Reichweitenmessung in Europa während eines ausgewählten Monats der vergangenen Saison erreichte die Primera Division 140 Millionen Fernsehzuschauer, die Bundesliga lag mit 10 Millionen sogar noch hinter Frankreich. Das soll sich ändern. Während über viele Jahre die Rechte der Bundesliga nur der Refinanzierung des untergegangenen Kirch-Imperiums dienten, soll nun im Ausland erst einmal in den Markenaufbau investiert werden. „Die Spiele müssen gesehen werden, dafür werden wir dem Free-TV den Vorzug geben vor dem Pay-TV. Auch wenn man dabei den einen oder anderen Euro weniger verdient“, sagt Müller von Vultejus. Als Begleitprogramm sollen mehr Spiele deutscher Mannschaften zum Beispiel auf dem Boom-Markt in Fernost stattfinden, angedacht wird bei Sportfive auch eine Art Ligapokal in Asien unter Beteiligung ansässiger Teams. Der umtriebige FC Bayern, der jetzt schon seine Spiele und mehr über das Internet in englischer Sprache anbietet, wird nach dieser Saison auf China-Tour gehen. Und auch Hertha BSC knüpft dort erste engere Kontakte. Doch nicht alle Klubs zeigen sich so weltoffen. Das beweisen allein die Internetauftritte. Nur etwas mehr als die Hälfte aller Bundesligateams verfügt über ein mehrsprachiges Angebot. Und auch auf der Netzseite der DFL, dem Schaufenster in die Liga, wird nur Deutsch gesprochen.“

Licht aus in Bremen, Herr Delling, das wäre Ihre Chance gewesen – vertan! Volker Weidermann (FAS 8.8.): „Es gibt kein Spiel. Es gibt kein Bild. Und die ARD erlebt eines der größten vorstellbaren Desaster. Die ganze Woche lang hatte man sich und seine „Sportschau“ gefeiert, wie man das in der letzten Saison hinbekommen hat. Und dann: kein Strom. Und jetzt also: Sternstunde? Nein: DJ Ötzi. Zunächst ist das Bild schwarz. Dann blau. Dann gibt es die Bremer Meisterfeier in scheinbarer Endlosschleife mit mitgesungenem Schauer-Meister-Song. Dann ein abgrundtief schlechtes Charisteas-Porträt, das immer wieder von Gewitterbildern unterbrochen wird, und man fragt sich schon: Ist das ein Zeichen? Plötzliche Live-Bilder des schrecklichen Unwetters, das Bremen verwüstet? Oder die ARD-Anstalten? Dann kommt einfach so eine Schlagerveranstaltung mit DJ-Ötzi und Jürgen Marcus. Und hört immer noch nicht auf. Dann wird die Vicky-Leandros-Olympia-Gala vom Vorabend wiederholt, und endlich, nach endlosen fünfzig Minuten schaltet sich Thomas Roth aus dem „Bericht aus Berlin“-Studio ein, erklärt, es gebe keinen Strom in Bremen, das sei ärgerlich, und man zeige jetzt den Film „Knall auf Fall“ oder so ähnlich. Eine Viertelstunde läuft dann der Film, und endlich, endlich beginnt das Spiel. Reporter Gerhard Delling muß per Handy kommentieren, man versteht ihn kaum, und seine Sternstunde hat er versäumt. Ein paar schlechte Stromwortspiele, und er kommentiert geschockt und müde ein müdes Spiel zu Ende.“

Sie reportieren nicht mehr, sie apportieren. Vor allem Zitate, mögen sie noch so dumm sein

Edgar Fuchs (SZ/Medien 7.8.), ehemaliger Chefredakteur der Sport-Bild, klagt über die Sprache der Sportjournalisten: „Vor einigen Wochen im Kicker, auf Seite Eins: „Die Krise der Knipser“. Wie denn, was denn? Der Kicker ist weder das Fachblatt der Bahnschaffner, die mit einer Zange Fahrkarten lochen, noch das der Hobby-Fotografen, die auf den Auslöser einer Agfa drücken. Und er ist nicht im entferntesten verdächtig, einer sprachlichen Avantgarde anzugehören. Er ist eher so altbacken wie die Fußball-Regeln, und dennoch will er sich der Moderne nicht entziehen. Wenn alle davon reden, Stadion-Stammler wie Rolf Töpperwien oder Jörg Dahlmann, dass die für das Erzielen von Toren zuständigen Profis „Knipser“ sein müssen, warum auch immer, dann nimmt auch das Fachblatt den verbalen Flachpass schussendlich auf. Nun könnte man vor Start der Bundesliga sagen, eine Schlagzeile im Kicker sei so unbedeutend wie ein Tor von Hansa Rostock beim VfL Wolfsburg. Aber eine Analyse zeigt, dass mehr Menschen in der Zeitung den Sport vor den Lokalnachrichten, dem Feuilleton, der Wirtschaft und der Politik lesen. Hier wird Meinung gebildet, hier entstehen Sprachmuster. Als der 17-jährige Boris Becker erstmals Wimbledon gewonnen hatte, verfielen Hundertschaften von Berichterstattern in seine Pubertäts-Prosa: Die Begriffe „super-gut“, „total“, „mega-geil“ waren von da an Pflicht, Boulevard-Sportberichte wurden Jugend-Jubelarien. Auch der Berufs-Franke Günther Koch, im Nebenberuf Pädagoge, der seinen Kultstatus einem Redefluss verdankt, mochte sich dem nicht entziehen. Nachdem Bild für den Begriff „Tor“ neben dem Wort „Bude“ den ebenso unerklärlichen Begriff „Kiste“ eingeführt hat, schrie der BR-Exot: „Er macht das Kisterl.“ Koch spricht auch von „volle Hütte“, wenn ein von herausragenden Architekten entworfenes Stadion ausverkauft ist. Dabei lässt gerade das Fränkische die schönsten Formulierungen zu: Als der 1. FC Nürnberg mehrmals Spiele in letzter Minute verloren gab, juchzte ein weiblicher Fan ins Mikro: „Der Club is a Depp, aber ich mooch nen.“ Den Plauder-Profis fallen nur die von Deutsch-Dilettanten begangenen Verbal-Verbrechen auf, die sie zu Nachahmungstätern werden lassen. Warum tun Erwachsene das? Warum Sportjournalisten, die ihr Selbstbewusstsein aus der Überzeugung bezogen, dass sie körperlich zwar nicht so leistungsfähig sind wie die von ihnen Beschriebenen, diesen aber intellektuell überlegen? Es scheint, sie sind dessen nicht mehr so sicher. Und deshalb reportieren sie nicht mehr, sie apportieren. Vor allem Zitate, mögen sie noch so dumm sein. Und suchen die Anerkennung mit Insider-Begriffen. (…) Nach peinlichen Generalproben vor der Europameisterschaft hatte der Kicker unterwürfig getitelt: „Das darf besser werden“. Das gilt auch für manche im Sportjournalismus.“

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