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Ein Brasilianer in Berlin

Oliver Fritsch | Mittwoch, 11. August 2004 Kommentare deaktiviert für Ein Brasilianer in Berlin

Gilberto, ein Brasilianer in Berlin, aber keine Diva (BLZ) – Recoba und Inter Mailand, eine komplizierte Liebesgeschichte (NZZ)

Zuverlässigkeit und Kontinuität in seinen Leistungen

Gilberto, ein Brasilianer in Berlin – und keine Diva. Michael Jahn (BLZ 11.8.): „Ob Alex Alves, der exzentrische Stürmer aus Brasilien, am zurückliegenden Wochenende schon am Vormittag seinen Fernsehapparat eingeschaltet hatte, um eine Fußballübertragung aus der Bundesliga zu sehen, ist nicht bekannt geworden. Jedenfalls war um 10.30 Uhr Ortszeit in Rio de Janeiro das Spiel zwischen Hertha BSC und dem VfL Bochum live zu empfangen, weil bei Berlins Bundesligisten mit Marcelinho und Gilberto wieder gleich zwei bekannte Brasilianer unter Vertrag stehen. Alves, einst der erste Brasilianer in Diensten von Hertha BSC – und mit 7,77 Millionen Euro Ablöse noch immer der teuerste –, lebt inzwischen in Rio und stürmt für den Traditionsklub Vasco da Gama. Dort pflegt er, wie schon in Berlin, weiter sein Image als Exzentriker. Mal ist er viel zu schwer, mal macht er ein sehr gutes Spiel, mal steht er nur faul auf dem Platz herum, heißt es aus Brasilien. Alves (81 Spiele für Hertha/25 Tore) gilt als der Gegenentwurf zu seinem Landsmann Gilberto da Silva Melo, der seit dem 1. Juli diesen Jahres beim Hauptstadtklub unter Vertrag steht und sogar bis Sommer 2008 unterschrieben hat. Alves, der an guten Tagen als begnadeter Angreifer auffiel, war von Hertha BSC nie zu integrieren und wollte das offenbar auch nicht. Seine zahlreichen Eskapaden sind Legende. Die vorzeitige Trennung war die Folge. Ganz anders Gilberto. Der 28-Jährige, der bislang zweimal international für Brasilien spielte, traf nicht nur in seinem ersten Bundesligaspiel zur 1:0-Führung von Hertha gegen Bochum, er bemüht sich auch jeden Tag, seine Mitspieler und seinen Verein besser kennen zu lernen. „Gilberto“, sagt jetzt schon Trainer Falko Götz, „ist der Brasilianer, der sich am schnellsten in Berlin eingelebt hat“. Das gilt für den Profi auf dem Platz und den Menschen Gilberto außerhalb des Fußballs. In seiner Heimat wundert man sich nicht über die jüngsten positiven Nachrichten, die über den Linksfuss aus Deutschland über den Atlantik schwappen. In Brasilien steht sein Name vor allem für Zuverlässigkeit und Kontinuität in seinen Leistungen, eigentlich Eigenschaften, die man häufig deutschen Profis zugeordnet hatte.“

Gegen grosse Gegner macht er sich klein

Peter Hartmann (NZZ 11.8.) erzählt die schwierige Liebesgeschichte zwischen Recoba und Inter Mailand, heute Gegner des FC Basel: „Das Video aus Montevideo, das sich Inter-Präsident Massimo Moratti vor sieben Jahren abspielen liess, war eine hinreissende Abfolge von Tricks, Toren und Triumphgebärden. Es war der Beginn einer Art Liebesgeschichte. Der schlitzohrige Kerl, der diesen Ballzauber aufführte, war besser als Maradona, aber es handelte sich um einen Unbekannten namens Alvaro Recoba, und Moratti verfiel diesen Trugbildern augenblicklich. In der schienbeinharten Wirklichkeit der Serie A stellte sich bald heraus, dass Recoba nicht der neue Maradona war, sondern eine dünkelhafte, laufscheue Primadonna aus Uruguay, wie sie auch in Zürich bekannt ist, wo sie Riccardo Nuñez heisst. Im ersten Spiel gegen Brescia kam Recoba in der 71. Minute auf den Platz und stahl mit zwei Treffern dem grossen Ronaldo die Show. Dann vergass ihn Trainer Simoni, der den narzisstischen Schlafwandler nicht mochte wie fast alle Trainer, die je mit ihm zu tun hatten, ein halbes Jahr auf der Bank. Als „El Chino“, der Mandeläugige, wiederkehrte, schlenzte er aus 60 Metern mit links eine Parabel ins Tor von Modena, die als Goal des Jahres weltweit über die Bildschirme flimmerte. Nach zwei Jahren wurde Recoba nach Venedig in die Verbannung geschickt, weil Inter den Job des Kreativen vorübergehend an Roberto Baggio übertragen hatte. Im Sommer 2000 drängte der Hofstaat der Berater und Einflüsterer den wankelmütigen Präsidenten zum Rauswurf des „Chinesen“, aber Moratti schenkte seinem Günstling den besten Vertrag, den je ein Kicker in Italien erhalten hat: 100 Milliarden alte Lire, 80 Millionen Franken für die sechs Jahre bis 2006, 13 Millionen brutto pro Saison. Aber den Penalty gegen die Halbamateure von Helsingborg brachte Recoba nicht am Torhüter vorbei, Inter fiel aus der Champions League. Der zornbebende Trainer Lippi (heute Italiens Nationalcoach) warf die Türe hinter sich zu und ging zurück zu Juventus. (…) Recoba hat kaum je ein bedeutendes Spiel entschieden, gegen grosse Gegner macht er sich klein.“

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