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Interview

Ich bin in einem Staat groß geworden, in dem einem fast alles abgenommen wurde

Oliver Fritsch | Freitag, 13. August 2004 Kommentare deaktiviert für Ich bin in einem Staat groß geworden, in dem einem fast alles abgenommen wurde

Falko Götz über seine DDR-Vergangenheit und mehr (Tsp) – Robert Nikolic (FSV Mainz 05) über sein Bundesliga-Comeback nach mehr als 13 Jahren (SpOn)
Der Tagesspiegel (13.8.) fragt Falko Götz nach seiner Flucht aus der DDR und anderem

Tsp: Sie führen als einziger Bundesligatrainer seit Jahren eine eigene Homepage. Warum?
FG: Damit Sie Dinge über mich erfahren.
Tsp: Sie haben eine Rubrik, die lautet: Wie ich es sehe. Fühlen Sie sich in der Öffentlichkeit falsch dargestellt?
FG: Mir ist einfach wichtig, dass ich meine Meinung sagen kann, unabhängig davon, was um mich herum passiert und geschrieben wird. Die Medien haben eine Meinung, der Zuschauer hat eine Meinung, wieso soll ich keine haben? Ich bin nicht bereit, mir alles gefallen zu lassen. Selbst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist man nicht mehr sicher. In einer Sendung musste ich mich ständig zu irgendwelchen Boulevardthemen äußern, die nichts mit meiner Arbeit als Fußballtrainer zu tun hatten.
Tsp: Wie ist denn der Zugriff auf Ihre Seite?
FG: Sehr hoch. Der Höhepunkt war in der Woche erreicht, als rauskam, dass meine Frau und ich uns getrennt hatten.
Tsp: Also nicht die Entlassung in München, sondern …
FG:… richtig, die Sache mit meiner Frau. Als ich merkte, dass in meinem Privatleben rumgestöbert wurde, wollte ich das Heft des Handelns in der Hand behalten und habe die Trennung dann lieber selbst verkündet, danach aber jeglichen Kommentar dazu unterlassen.
Tsp: Was haben Sie an innerer Einstellung von Ihrer Herkunft mitgenommen?
FG: Ich bin in einem Staat groß geworden, in dem einem fast alles abgenommen wurde. Aber ich bin immer ein Mensch gewesen, der seine Geschicke selbst in die Hand nehmen wollte. Ich habe in der DDR eine hervorragende Ausbildung als Fußballer genossen, nicht nur die sportliche, sondern auch die charakterliche Ausbildung betreffend. Ich habe eine tolle Familie gehabt, die mich immer unterstützt hat. Ich habe das Glück gehabt, auf meinem Lebensweg tolle Freunde kennen gelernt zu haben. Und ich habe eine Frau, die meinen ganzen Weg mitgegangen ist, die selber mal eine Karrierefrau war, die zurückgesteckt hat und mit der ich dann auch die größte Krise meines Lebens bewältigt habe. Es gibt mir ein sehr gutes Gefühl, dass ich die Beziehung mit meiner Frau wieder in den Griff bekommen habe.
Tsp: Sie haben eine sehr bewegte Vergangenheit. Sie sind 1983 aus der DDR geflüchtet und konnten das noch nicht einmal jedem aus Ihrer Familie und Ihrem engsten Freundeskreis mitteilen. Hat Sie das so kontrolliert werden lassen?
FG: Eine gewisse Disziplin und Verantwortung besonders meiner Familie, meinen Verwandten, aber auch Freunden gegenüber, hat das schon verlangt. Sonst hätte das mit der Flucht nicht so reibungslos geklappt. Was ich erlebt habe, gibt mir aber auch eine bestimmte Stärke. Ich habe mich damals auf einen Weg gemacht, der nicht zu überschauen war. Trotzdem ist es ein erfolgreicher Weg geworden. Was soll mir noch passieren?
Tsp: Haben Sie Ihre Stasi-Akte eingesehen?
FG: Ja. Ich bin da hingegangen und war ganz unbeschwert. Ich wusste ja ungefähr, was auf mich zukommt. Mich hat dann auch nichts erschüttert, ich habe auch keine engen Freunde durch neue Erkenntnisse verloren. Was mich erschüttert hat, war allein das Ausmaß der gesamten Überwachung.
Tsp: Hat sich Ihnen je ein ehemaliger Spitzel offenbart?
FG: Nein. Es hat sich niemand bei mir entschuldigt. Ich hätte so eine Entschuldigung auch nicht angenommen. Tut mir Leid, das kann ich nicht.

Die Jüngeren wurden unterdrückt
Interview auf Spiegel Online mit Robert Nikolic, FSV Mainz 05 und vor mehr als einem Jahrzehnt Profi bei Borussia Dortmund, über den Wandel der Bundesliga

SpOn: Herr Nikolic, holen sich Ihre Mitspieler Tipps bei Ihnen ab? Sie sind ja einer der wenigen im Mainzer Kader mit Bundesliga-Erfahrung.
RN: Kaum. Das ist heutzutage nicht mehr so, wie es früher war. Damals hatte man als junger Spieler in der Kabine und auf dem Platz nicht allzu viel zu sagen und hat sich fast nur an den Älteren orientiert. Das war schon fast unmenschlich. Die Jüngeren wurden unterdrückt. Die durften die Klappe überhaupt nicht aufmachen. Das ist jetzt, zumindest in Mainz, ganz anders. Hier dürfen sich die jungen Spieler frei benehmen.
SpOn: An wem haben Sie sich damals in Dortmund orientiert?
RN: Auf dem Platz habe ich geguckt, wer wo was gut macht, und versucht, das selbst umzusetzen. Thomas Helmer zum Beispiel hatte ein geiles Stellungsspiel, Michael Zorc war eine Kampfsau. In der Kabine habe ich nur versucht, ruhig zu sein und abzuwarten.
SpOn: Wer waren beim BVB die Platzhirsche?
RN: Helmer auf jeden Fall, Zorc auch. Michael Rummenigge hat es immer versucht und war schon auch eine Größe. Frank Mill gehörte ebenfalls zu denen, die immer gespielt haben.
SpOn: Sie mussten lange warten, ehe Sie wieder in der Bundesliga auflaufen durften. Wie hat Ihnen Ihr Comeback am vergangenen Sonntag in Stuttgart gefallen?
RN: Wenn ich das Ergebnis einfach mal vergesse, muss ich sagen: Es war ein geniales Erlebnis. Die Stimmung, die Kulisse. Früher war in den Stadien nur in Ausnahmen soviel los.
SpOn: Was hat sich im Vergleich zu 1991 in der Bundesliga noch verändert?
RN: Das Spiel ist schneller und aggressiver geworden. Die Laufbereitschaft eines jeden muss jetzt unheimlich groß sein. Als Vorstopper bin ich früher bis zur Mittellinie gelaufen und nicht weiter. Das geht heute gar nicht. Jeder muss sich in den Angriff einschalten.

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