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Internationaler Fußball

Disziplin, Demut und Nationalstolz

Oliver Fritsch | Freitag, 20. August 2004 Kommentare deaktiviert für Disziplin, Demut und Nationalstolz

„Disziplin, Demut und Nationalstolz“, irakische Tugenden führen ins Olympia-Viertelfinale –Schweden gegen Holland 2:2: „Marco van Basten hat den Heckenschützen Cruyff in die Festung geholt“ (SZ) – Island-Italien 2:0, das Debüt Marcello Lippis

Disziplin, Demut und Nationalstolz

Irak zieht ins olympische Viertelfinale ein – Martin Hägele (taz 20.8.) staunt: „Das Leben im Exil verlangt Disziplin, Demut und Nationalstolz; lauter Tugenden, die beim 4:2 gegen Portugals erfolgsverwöhnte Auswahl um den Euro-Helden Ronaldo den entscheidenden Unterschied ausgemacht haben. Dank ihrer Geschlossenheit könnten Adnans Leute selbst Argentiniern oder Italienern gefährlich werden, sollten sich die Wege im Kampf um olympisches Edelmetall noch kreuzen. Wie lange aber trägt die irakische Solidargemeinschaft, deren Mitglieder nun von Spiel zu Spiel mehr von den Begehrlichkeiten der Branche versucht werden? Ihre Konkurrenten könnten bald aus einer ganz anderen Welt kommen; die Argentinier Kiki Gonzales, Ayala, Saviola oder Tevez sind Multimillionäre wie die meisten der italienischen Serie-A-Profis. Die werden nicht vom Sozial-Fonds der Fifa subventioniert oder müssen dankbar sein, wenn irgendein Verband ein paar Wochen Hotel- und Trainingslager spendiert. Es werde schwer werden, die Mannschaft noch lange zusammenzuhalten, glaubt Bernd Stange, der ehemalige Nationalcoach und bis vor acht Wochen Adnans Vorgesetzter. Stange musste seinen Job in Bagdad auf Verlangen des Auswärtigen Amts quittieren; sogar sein persönlicher Leibwächter wollte nicht mehr länger die Sicherheit des prominenten Trainers garantieren. (…) „Meine Spieler haben als Botschafter unser Volk stolz gemacht“, sagt Trainer Adnan Hamd Maajid. 20 der 25 Millionen Irakis beobachten die Spiele am Fernseher. Das seien glückliche Stunden, und in denen werde auch nicht geschossen, und als sie davon erfuhren, kam den Fußballern eine Idee. Weil auch in der Antike währen der Spiele alle Waffen ruhten, schickte das Team eine Petition an die Übergangsregierung von Bagdad sowie ans US-Hauptkommando, doch bis zum Ende der Spiele „die alten olympischen Regeln zu beachten und kriegerische Handlungen solange auszusetzen“. Auf diese E-Mail ist Adnan besonders stolz. Sonst hat er Angst nämlich vor Nachrichten-Sendungen. Obwohl auch diese gemeinsamen Stunden vorm Fernseher, wenn sie mit ihrem Zorn und ihrer Ohnmacht wegen all der sinnlosen Morde und Attentate irgendwo in Hotelzimmern weit weg von Bagdad zusammengesessen sind, mit zur wohl besten irakischen Fußballmannschaft aller Zeiten beigetragen haben.“

Schweden-Holland 2:2

Er hat den Heckenschützen in die Festung geholt

Debüt für Marco van Basten – Gerhard Fischer (SZ 20.8.) berichtet: „Da lag ein Reserve-Ball, der aus Versehen auf den Platz geraten war, 30 Sekunden unbeachtet herum. Und schon lief van Basten auf das Spielfeld und trat die Kugel über die Seitenlinie. Die Zuschauer im Rasunda-Stadion in Stockholm klatschten und johlten, und sie dachten wohl an den begnadeten Stürmer van Basten und an seine Tore bei der EM 1988: an das 2:1 gegen die Deutschen, als er Kohler entwischte und Immel überwand. Und an das Tor gegen Russland im Finale, an jenen Volleyschuss, der so einen wunderschönen Bogen machte. Tormann Dassajew hätte schon die Schnellkraft eines Schachterl-Teufel besitzen müssen, um an diesen Ball heranzukommen. 1995, mit 30 Jahren, musste van Basten seine Karriere wegen einer Knöchelverletzung beenden. Nur die Vorstopper werden ihn nicht vermisst haben. Jetzt ist er zurück, als Trainer der niederländischen Nationalmannschaft. Sein Debüt gab er bei einem Freundschaftsspiel gegen Schweden. Die Partie endete 2:2. Es war ein Spiel mit viel Abwechslung, die Zuschauer mussten den Hals mal nach links, mal nach rechts recken, fast wie beim Tennis. Und betrachtete man die Holländer, so fielen zwei Dinge auf: Es herrscht ein neuer Geist im Verhältnis zwischen dem Trainer und den Journalisten, und es präsentiert sich eine Mannschaft, in der einer für den anderen läuft. Dick Advocaat, van Bastens Vorgänger, hatte Probleme mit den Medien und außerdem Mühe, seine Diven-Truppe auf ein gemeinsames Gelingen einzuschwören. Marco van Basten sprach konzentriert und freundlich mit den holländischen Reportern, und jedes Detail verdiente es, erörtert zu werden. Das ist wichtig zu erwähnen, weil früher von außen eine Menge Unruhe in die Elftal getragen wurde, von Journalisten und von dem allgegenwärtigen Johan Cruyff. Van Basten nennt Cruyff seinen „Berater“, und er versäumt keine Gelegenheit, dessen Erfolge zu rühmen. Er hat den Heckenschützen also in die Festung geholt und verhindert damit, dass er von ihm angegriffen wird. Eine Meisterleistung. Andere sagen, van Basten sei nur Cruyffs Marionette. Man kann wohl alles so oder so sehen.“

Island-Italien 2:0

Mein Einstand war überall schlecht

Birgit Schönau (SZ 20.8.) schildert den Einstand Marcello Lippi: „Mit Lippi hat ein Stoiker die italienische Nationalmannschaft übernommen. Lippi trägt keine Weihwasserflaschen auf die Trainerbank und keinen Joghurtlöffel zum Mund wie sein Vorgänger Giovanni Trapattoni, sondern raucht ungeachtet der Warnrufe seines Gesundheitsministers Zigarillos. Unbeweglich wie eine Sphinx stand er in Reykjavik am Spielfeldrand und verzog beim Nullzuzwei keine Miene. „Mein Einstand war überall schlecht“, sagt Lippi ins Mikrofon eines Fernsehreporters, sehr sanft sagte er das, während um ihn herum die Freudengesänge der Isländer dröhnten. Mit dem Fluch des Debüt-Verlieres behaftet ist Marcello Lippi dennoch einer der erfolgreichsten Vereinstrainer der Welt geworden.“

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