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Mitglied der Generation anständig

Oliver Fritsch | Dienstag, 7. September 2004 Kommentare deaktiviert für Mitglied der Generation anständig

Christoph Biermann (SZ 7.9.) freut sich über die Entwicklung Frank Fahrenhorsts: „Der Innenverteidiger von Werder Bremen ist der Eitelkeit so unverdächtig wie des Spiels mit irgendwelchen Popidentitäten. Der bald 27-Jährige entspringt vielmehr der „Generation anständig“, die der ehemalige Nationalverteidiger Bernard Dietz in Bochum heranzüchtete. Noch ganz den traditionellen Werten des Fußballs verpflichtet, scharte er damals Talente um sich, denen er nicht nur Spannstoß und Kopfballspiel beibrachte, sondern auch den Einflüsterungen fragwürdiger Berater zu misstrauen und auf zu schnelles Geld zu verzichten. Nicht-mehr-Nationalspieler Paul Freier gehörte dazu, Kölns Mannschaftskapitän Sebastian Schindzielorz oder Yildiray Bastürk. „Meine Frau war wie eine Mutter für die“, erzählt Dietz, „die Jungs haben hier gegessen und geschlafen.“ Trotz der familiären Atmosphäre tat sich der schüchterne Fahrenhorst lange schwer. „Erst in den letzten dreieinhalb Jahren habe ich konstante Leistungen gebracht“, sagt er selbst. Bei allem Talent geriet Fahrenhorst immer wieder aus dem Tritt. „Gefahrenhorst“ wurde im Ruhrstadion gespottet, wenn sich wieder mal ein Stellungsfehler einschlich, und der damals noch behäbiger wirkende Youngster Gegentore verschuldete. (…) Inzwischen hat er eine Reihe weiterer Schreckmomente ganz gut überstanden und sich in der Bundesliga etabliert.“

Der einzige Illgner-Fan auf der Welt

Wen nahm sich der achtjährige Kevin Kuranyi zum Vorbild, Christof Kneer (FTD 7.9.)? “Immer wollte der Kleine Bodo Illgner sein, jedenfalls immer dann, wenn sie ihn mal wieder ins Tor abgeschoben hatten. Er wäre lieber Romario gewesen, aber Romario spielte schon an diesem Strand, und in der Not verfiel der Knabe halt auf diesen Tormann, den er am Abend zuvor im Fernsehen gesehen hatte. „Der hatte in einem Elfmeterschießen so viele Elfmeter gehalten, das hat mir imponiert.“ Die historische Wahrheit besagt zwar, dass die Engländer Bodo Illgner im WM-Halbfinale 1990 ans Knie geschossen haben, aber so genau hat Kuranyi das vielleicht gar nicht wissen wollen damals. Er war acht Jahre alt, da braucht man noch Helden, und da konnte er natürlich keine Rücksicht darauf nehmen, dass er so zum vielleicht einzigen Illgner-Fan auf der Welt wurde, Bianca Illgner möglicherweise ausgenommen. Es hat ihm auch keiner gesagt damals, dass es aus taktischen Gründen vielleicht schlauer wäre, fürs deutsche Sturmduo zu schwärmen, weil die Stürmer Rudi Völler und Jürgen Klinsmann später einmal darüber entscheiden würden, ob er, der gebürtige Brasilianer, in der deutschen Nationalelf spielen darf. (…) Kuranyi ist deutsch geworden mit der Zeit. Er hat es übertrieben mit den Tugenden. Am Ende ist er so viel gelaufen, dass eine anständige Nummer sechs stolz gewesen wäre, und manchmal hat er sich sogar ins Ressort der Nummer vier eingemischt. Zweikämpfe hat er gewonnen, tief in der eigenen Hälfte, und pflichtschuldig hat er die Bälle sofort in den Angriff weitergeleitet, nur dass in diesem Angriff dann kein Kuranyi mehr stand. Er sieht ja aus wie ein Bravoboy mit seinem fein austarierten Hunnenbärtchen, und er hat instinktiv gespürt, dass so einer eher unter Schnöselverdacht gerät. Also hat er sich in vorauseilendem Gehorsam selbst magathisiert, mehr, als sein damaliger Trainer Felix Magath das je wollte.“

FR-Interview mit Kevin Kuranyi

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