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Sogar die Verlierer durften sich als Gewinner fühlen

Oliver Fritsch | Dienstag, 21. September 2004 Kommentare deaktiviert für Sogar die Verlierer durften sich als Gewinner fühlen

Alemannia Aachen verliert gegen den 1. FC Köln 2:3 – Richard Leipold (FAZ 21.9.) ruft „Zugabe“: “Dieses Fußballspiel besaß, wenn überhaupt, nur einen Makel: Es hat in der zweiten Liga stattgefunden. Alemannia Aachen und der 1. FC Köln boten im rheinischen Derby einen Kick von erstklassigem Unterhaltungswert. Tore, Tempo, Turbulenzen: am berüchtigten „Tivoli“ mit seinem rauhen, romantischen Charme durften sich sogar die Verlierer als Gewinner fühlen. Die Aachener hatten trotz ihrer Niederlage nicht weniger zur Show beigetragen als die erfolgreichen Kölner. Diese Aufführung hätte es gerechtfertigt, ja erfordert, daß am Ende alle Spieler zum Schlußapplaus aus der Kabine gekommen wären und einander an die Hand genommen hätten wie ein Schauspielensemble nach einer großartigen Vorstellung. Fast jeder war ein Hauptdarsteller. Das Publikum konnte sich an traurigen Helden und an strahlenden Siegern ergötzen. (…) Fünf Minuten vor der Pause hatte Huub Stevens den schwachen Mittelfeldspieler Christian Springer gegen den wesentlich wirkungsvolleren Markus Feulner ausgetauscht. Ein Reporter wagte es, den Trainer zu fragen, ob er damit einen Fehler korrigiert habe. Da verlor Stevens die Contenance. Er sollte einen Fehler gemacht haben?! „Was für eine Frage, was für ein Quatsch, was für eine Unverschämtheit!“ Stevens verließ wütend den Kabinengang und traktierte den Reporter aus dem Halbdunkel und aus der Halbdistanz mit Schimpfworten. Die verbale Kanonade traf den Ton der Claqueure, die auf den Rängen um die Wette gepöbelt hatten; seiner Position als leitender Angestellter wurde Stevens nicht gerecht. So gab es neben Verlierern, die wie Gewinner aussahen, einen Sieger, der sich wie ein schlechter Verlierer benahm.“

Den schönsten Dom haben wir

Bernd Müllender (FTD 21.9.): „Na gut, da hatten die Aachener halt dieses „sensationelle Derby“ (Kölns Keeper Alexander Bade), einen wahrhaft wilden Kampf auf Siedetemperaturen, gegen den FC verloren, den ungeliebten Nachbarn. Die Fanblöcke hatten sich ausgiebig verhöhnt, zeitweilig mit donnernden Ausflügen in fußballfremde Fachbereiche wie Liebesleben („Ihr seid die Hauptstadt der Schwulen“) und sogar Architekturkritik („Den schönsten Dom haben wir“). Und doch: Es war nur eine 90-minütige Episode. Nach dem einen Spiel war noch mehr nach dem anderen. Rund um den Tivoli dominierten wieder dieses entrückte Lächeln und eine auffallend milde Gelassenheit in ebensolcher Nacht. Das lag an Island. Am Freitag hatte Alemannia dieses verzückende 5:1 beim FH Hafnarfjördur mitgebracht, die internationale Premiere am Polarkreis, die vielen noch danach „irgendwie unwirklich“ und „wie nur geträumt“ vorkam. Auch nach dem Match hörte man manchen der fast 500 mitgereisten Ausflügler den Daheimgebliebenen noch Anekdoten vom Abenteuer Island erzählen. Solcher Stolz balsamiert die Seelen über die Niederlage „im Hass-Gipfel“ („Kölner Express“) hinaus.“

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