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Interview

Überraschend, wie bestimmte Dinge diskutiert werden

Oliver Fritsch | Donnerstag, 14. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für Überraschend, wie bestimmte Dinge diskutiert werden

Jürgen Klinsmann (Welt): „überraschend, wie bestimmte Dinge diskutiert werden“ –
Oliver Bierhoff (FAZ): „Es ist nicht unser Ziel, jeden Bundesligaverein zufriedenzustellen“ – Timo Hildebrand (Zeit): „Ich denke, in seinem Alter, mit seiner großartigen Karriere hätte Oliver Kahn diese Aggressivität nicht nötig“ – Jürgen Klopp (FR): „Wir wollen das Spiel dominieren, auch wenn wir den Ball nicht haben“

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Überraschend, wie bestimmte Dinge diskutiert werden

Jürgen Klinsmann im Interview mit Florian Haupt (Welt 13.10.)
Welt: Das Spiel gegen den Iran ist vorbei, und doch bestimmt die Nationalelf weiter die Schlagzeilen. Sind Sie im Bilde?
JK: Ich weiß, daß die Öffentlichkeitswirkung der Nationalmannschaft sehr groß ist. Ich finde es aber schade, daß Dinge so rüberkommen, daß das erfolgreiche Spiel der Nationalelf, ich würde fast sagen die erfolgreiche Mission Iran, aufgrund von Nebengeräuschen so ins Hintertreffen gerät.
Welt: Inwieweit stört es Sie, daß alle Entscheidungen, die Sie treffen, so oft und nachhaltig kommentiert werden?
JK: Ich muß ganz ehrlich sagen, daß es für uns als Verantwortliche manchmal schon ein bißchen überraschend ist, wie bestimmte Dinge diskutiert werden – Themen, die bei Bundesligaklubs normal sind. Wenn zum Beispiel ein Felix Magath zu Bayern München geht oder ein Matthias Sammer zum VfB Stuttgart, dann bauen die ihre Trainerstäbe zusammen und suchen das Trainingslager aus, aber das passiert einfach so. Auf Nationalmannschaftsebene aber meint halt jeder, er muß sich dazu äußern. Aber gut, damit muß ich leben.
Welt: Andreas Köpke, mit dem Sie 1996 Europameister wurden, soll als Nachfolger von Sepp Maier Bundestorwartrainer werden. Können Sie verstehen, daß der eine oder andere nun sagt: „Jetzt holt er den nächsten Freund ins Boot“?
JK: Ich finde es legitim, wenn sich Leute dazu äußern und das so einstufen. Letztlich sollte jeder verstehen, daß wir a) nur nach der Qualität gehen mit Blick auf 2006 und b), daß es ja normal ist, eher jemanden mit ins Boot zu nehmen, den ich kenne, dem ich vertrauen kann und von dessen Qualität ich überzeugt bin. Dabei diskutieren wir alle und fragen uns: Wer paßt in unser Team, wer identifiziert sich mit unserem Zielvorhaben, wer kann den Druck aushalten? Und da gibt es nur wenige Leute wie den Andreas Köpke. In Deutschland kenne ich keinen Zweiten.
Welt: Lothar Matthäus, Ihr ehemaliger Kollege bei Bayern München, Inter Mailand und in der deutschen Nationalmannschaft, hat Ihre Entscheidung im Fall Maier mit der Aussage, Sie seien ein Killer, kommentiert.
JK: Da kommt vom meiner Seite aus gar kein Kommentar.

Es ist nicht unser Ziel, jeden Bundesligaverein zufriedenzustellen

Oliver Bierhoff im Gespräch mit Michael Horeni (FAZ 14.10.)
FAZ: Wie lebt es sich als Helfer des „Killers“?
OB: Über diesen von Lothar Matthäus eingeführten Begriff kann ich nur noch schmunzeln. Wenn man Erfolg haben will, ist es wichtig, daß man seine festen Vorstellungen durchzieht. Seit Jahren reden wir doch alle davon, daß sich im deutschen Fußball etwas ändern muß. Wir sind die Anfangsveränderungen zügig angegangen, und das ist auch richtig so, weil man dadurch die Voraussetzungen schafft, um sich vom neuen Jahr gedanklich vollkommen auf den Sport konzentrieren zu können.
FAZ: Klinsmann hat Osieck als Assistenten abgelehnt, dann folgte die Degradierung Skibbes, der Rauswurf von Nationalmannschaftsmanager Pfaff, und nun mußte Torwarttrainer Maier gehen – was danach mit Löw, Eilts und Köpke kam, klingt nicht nur für den FC Bayern nach einem „Friends & Family“-Programm.
OB: Wer Erfolg haben will, denkt nicht an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für seine Freunde. Der Erfolg der Sache ist für uns das wichtigste. Aber es ist natürlich von Vorteil, wenn ich die neuen Leute kenne, sie schätze und weiß, wie sie ticken und welche Einstellung sie haben. Jürgen war ja lange in Amerika. Wir haben einander gemailt und auch telefonisch Kontakt gehabt. Seit er 1998 weggegangen ist, sind wir uns allerdings höchstens zehnmal begegnet – bewußt haben wir uns nur zweimal getroffen. Das ist keine enge Freundschaft – und so ist es auch mit Joachim Löw, Dieter Eilts und Andreas Köpke. Wichtig ist allerdings, daß untereinander ein Vertrauensverhältnis besteht, und das gibt es bei uns. Jeder Bundesligatrainer nimmt doch auch seinen Kotrainer mit, mittlerweile oft auch schon den Konditions- und Torwarttrainer. In Italien verpflichtet man auch das gesamte Trainergespann. Ich denke, man sollte das wie ein kleines Unternehmen sehen, das man wie eine Agentur verpflichtet.
FAZ: Im Torwartstreit fordern Sie nun eine Haltung der Konkurrenten auf der Basis von „Respekt und Achtung“ – was kann sich Lehmann noch an Sticheleien und Oliver Kahn an Forderungen erlauben?
OB: Jens Lehmann darf sich nichts mehr erlauben. Oliver Kahn hat sich eigentlich immer zurückgehalten. (…)
FAZ: Der FC Bayern hat sich zunächst demonstrativ auf die Seite der neuen Führung der Nationalelf gestellt. Jetzt kündigt Manager Hoeneß nach dem Rauswurf an, „den eigenen Mann“ Oliver Kahn zu schützen. Kommt Ihnen da im Torwartstreit etwa ein mächtiger Helfer abhanden?
OB: Ich glaube nicht. Es ist doch richtig, wenn Vereine versuchen, die Interessen ihrer Spieler zu wahren. Uli Hoeneß hat die Entscheidung mit Maier in der Sache verstanden, auch wenn er mit der Wahl Köpkes nicht zufrieden ist. Er hat aber auch diese Entscheidung im Gespräch mit mir akzeptiert. Im übrigen ist es nicht unser Ziel, jeden Bundesligaverein zufriedenzustellen, wenn wir etwas verändern.

Interview mit Uli Hoeneß auf Spiegel-Online
SpOn: Herr Hoeneß, haben Sie inzwischen ihre Anteile an Borussia Dortmund verkauft?
UH: Im Gegenteil. Meine Frau macht die Kapitalerhöhung mit. Wir sind an gutem Wettbewerb und interessanten Konkurrenten interessiert. Da darf man keine falschen Signale setzen.
SpOn: Und deshalb hat die FC Bayern AG der Borussia Dortmund AG eine Art Finanzspritze gegeben?
UH: Zu finanziellen Transaktionen sagen weder die Bayern AG noch ich persönlich etwas. Belassen wir es bei Spekulationen.
SpOn: Der Profifußball hat rund 700 Millionen Euro Schulden, die lieber als „Verbindlichkeiten“ verbrämt werden. Kann niemand mehr wirtschaften?
UH: Ich wüsste auch gerne, wer die weshalb hat. Ich wünschte mir, die Liga würde Ross und Reiter nennen. Ich bin es leid, dass immer pauschal „die Liga“ an den Pranger gestellt wird. Der FC Bayern ist schuldenfrei.
SpOn: Es heißt aber auch, dass Ihnen die Kosten beim Stadionneubau aus dem Ruder laufen.
nicht genug?
UH: Wenn ich sehe, dass in Italien über eine Milliarde gezahlt wird, in Frankreich über 500 Millionen, dann ist das, was in Deutschland gezahlt wird, natürlich nicht genug. Und wenn es Premiere gelingt, mit Hilfe des Fußballs seinen Abonnenten-Stamm, der jetzt ja bei drei Millionen liegt, zu verdoppeln, werden wir auch ganz andere Summen erzielen.
SpOn: Was unterscheidet Sie eigentlich von vielen Ihrer Kollegen?
UH: Leidenschaft, Idealismus und Wissen. Diese Mischung.

Das Glück findet immer in der anderen Spielhälfte statt

Sehr schön! Timo Hildebrand in einer Art präventiven Gesprächstherapie mit Henning Sußebach (Zeit 14.10.)
Zeit: Herr Hildebrand, es heißt, spätestens nach der WM 2006 werden Sie deutscher Nationaltorwart und Oliver Kahn beim FC Bayern beerben. Muss man sich sorgen, dass Sie, wie so viele Spitzentorhüter, dann etwas seltsam werden?
TH: Ich hoffe nicht.
Zeit: Lassen Sie uns kurz und schamlos prüfen, wie sehr der Stress Sie schon verändert hat.
TH: Okay, eines gebe ich vorab zu: Ich muss am Spieltag oft aufs Klo. In der Bundesliga hat sich das gelegt, im Europapokal noch nicht…
Zeit: Schon die obligatorische Ausgleichskarriere als Golfer begonnen?
TH: Ich habe mal angefangen, Platzreife gemacht, noch zweimal gespielt und mit Handicap 45 wieder aufgehört, so schlecht war ich.
Zeit: Zermalmte Zähne?
TH: Ich knirsche nachts, ja. Besonders schlimm war es letzte Saison, als wir ganz oben waren und Champions League gespielt haben.
Zeit: Je bei einem Wutanfall selbst verletzt?
TH: Bisschen die Hand verstaucht, als ich mal gegen den Pfosten geboxt habe. Die peinlichste Verletzung überhaupt, muss man verschweigen.
Zeit: Wie vielen Spielern an die Gurgel gegangen?
TH: Keinem. Wenn Sie auf Oliver Kahn anspielen: Ich glaube nicht, dass ich der Typ bin, so mit Kollegen umzugehen. Ich möchte keiner werden, der anderen an die Gurgel geht. Die Situation mit Klose war überzogen von ihm. Man geht einem Kollegen nicht an die Nase – auch und erst recht keinem Kumpel aus der Nationalelf.
Zeit: Ist auf der Länderspielreise in Iran viel darüber geredet worden?
TH: Klar. Wir haben Miroslav damit aufgezogen, dass er sich nicht gewehrt hat.
Zeit: Demnach ist Klose in der maskulinen Fußballwelt eher Memme als Opfer?
TH: Ganz und gar nicht, totales Missverständnis! Die meisten denken, dass Oliver Kahn in dieser Situation viele Sympathien verloren hat.
Zeit: In diesem Zusammenhang: Der lustigste Torwartwitz, den Sie kennen?
TH: Ich kenne keinen. Sie?
Zeit: Den Klassiker: Eine Mutter hatte drei Söhne. Der erste war Torwart, der zweite Linksaußen, und der dritte war auch nicht normal. Lustig?
TH: Nicht wirklich. Jetzt, da Oliver Kahn mal wieder ausgerastet ist, heißt es reflexartig, alle Torhüter hätten eine Macke. Ich versuche aber, diese Macken von mir fern zu halten.
Zeit: Reden wir darüber, wie schwierig das ist. Warum also ist ausgerechnet der Job zwischen den Pfosten der stressigste auf dem Platz?
TH: Weil man dort keinen Fehler machen darf. Wenn ich im Tor etwas falsch mache, hat das sofort Konsequenzen, und jeder kriegt’s mit. Wenn das Spiel zu mir kommt, dann nur als Gefahr. Das Glück findet immer in der anderen Spielhälfte statt. In gewisser Weise bin ich als Torwart dem Trainer ähnlicher als meinen Mannschaftskameraden: Beide müssen wir dem Spiel zusehen, brüllen rum und können uns die Anspannung nicht aus dem Körper laufen. (…)
Zeit: Ist Oliver Kahn Ihr Vorbild?
TH: In Verhalten oder Leistung?
Zeit: Interessant, dass Sie das unterscheiden.
TH: Ich habe großen Respekt vor seiner Karriere, was er alles gewonnen hat.
Zeit: Können Sie verstehen, dass manche Menschen Kahn eher bedauern als bewundern?
TH: Ich tue beides.
Zeit: Wofür das Bedauern?
TH: Es fällt mir schwer, darüber zu reden, weil ich genau weiß, was das für ein Medienecho auslösen wird – aber gut: Ich denke, in seinem Alter, mit seiner großartigen Karriere hätte er diese Aggressivität nicht nötig.

Ein Rückpass des Gegners ist für uns ein Teilerfolg

Jürgen Klopp im Interview mit Ingo Durstewitz & Andreas Hunzinger (FR 14.10.)
FR: Hat sich der Mensch Klopp verändert?
JK: So haben mir viele gedroht: „Jürgen, die Medien werden dich verändern.“ Aber ich bin mir sicher, das schafft niemand.
FR: Sie sind ja auch eine Art Öffentlichkeitsarbeiter für den FSV Mainz 05. Sind Sie in diese Rolle hineingewachsen?
JK: Es fällt mir leicht, mein Gesicht zu zeigen, den Verein zu repräsentieren. Da habe ich Talent. Nehmen wir die Fernseh-Interviews. Wenn man mir eine Kamera vors Gesicht hält, dann sage ich trotzdem das, was ich zu sagen habe. Es gibt auch hochintelligente Leute, die stellst du vor die Kamera und es kommt nur Gestotter raus. Dass das bei mir nicht so ist, ist reiner Zufall.
FR: Man kann der Eloquenz ja auch mit Rhetorikkursen auf die Sprünge helfen.
JK: Ich habe weder Rhetorikkurse belegt noch ein Buch darüber gelesen.
FR: Sondern?
JK: Ich habe meinen Vater beobachtet. Wenn er beim SV Glatten im Raum vor 400 Leuten bei der Generalversammlung aufgestanden ist und über 15 Minuten vom Stapel gelassen hat, war das schon beeindruckend.
FR: Sie haben diese Gabe geerbt?
JK: Scheint so. Natürlich ist die richtige Darstellung in diesem Job unfassbar wichtig. Es gehört dazu, weil das öffentliche Interesse an der Bundesliga ungeheuer groß ist. Wenn Sie mir vorher die Fragen vorgelegt hätten und ich mir Gedanken hätte machen müssen, wäre mein Tag zu kurz. Deshalb sind mir die Fragen egal. Die Antworten, ehrlich gesagt, auch, ich erzähle einfach. (…)
FR: Hat der Trainer Klopp der Bundesliga gefehlt?
JK: Ach was. Stellen Sie sich vor, wir hätten jetzt drei Punkte – dann wäre ich ein netter Kerl mit Nickel-Brille, der endlich mal seine Grenzen aufgezeigt bekommen hat.
FR: Ihre Mannschaft wird mittlerweile für ihre Art, Fußball zu spielen, gelobt.
JK: Das hat sie sich verdient. Freiburg hat gegen uns im eigenen Stadion 70 lange Bälle geschlagen. Das ist das größte Kompliment, das man mir machen kann.
FR: Der Hauptunterschied zwischen erster und zweiter Liga, so hört man stets, sei die individuelle Klasse. Stimmt das?
JK: Absolut. In Stuttgart, da war der Stürmer Cacau für zwei Sekunden frei und der Mitspieler haut ihm die Flanke aus 50 Meter genau auf den Schädel, so dass er nur einzunicken braucht. Gegen Dortmund hat der Wörns 98 Prozent der Zweikämpfe gewonnen, weil er ein Ausnahme-Athlet ist.
FR: Erklären Sie mal das berühmte Mainzer System!
JK: Wir wollen das Spiel dominieren, auch wenn wir den Ball nicht haben. Wenn sich der Gegner einen Zentimeter bewegt, dann muss man sich diesen Zentimeter mitbewegen, um Passwege zuzustellen. Das macht man so lange, bis der Gegner die Möglichkeit gibt, richtig zu attackieren. Wenn man das allerdings wild und planlos macht, dann sind die Profifußballer jederzeit in der Lage, dich im Eins-gegen-eins-Duell auszuspielen. Das Entscheidende ist das Besetzen der torgefährlichen Räume. Ein Rückpass des Gegners ist für uns ein Teilerfolg, ein ins Aus gepresster Ball auch.

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