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Interview

Interviews mit Jose Mourinho und Theo Zwanziger

Oliver Fritsch | Mittwoch, 20. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für Interviews mit Jose Mourinho und Theo Zwanziger

José Mourinho (SZ): „in England aber kommen die Leute zum Spiel und denken nur an Fußball, sie genießen jede Minute“ – Theo Zwanziger (Sport-Bild): „ich bin Anhänger von Jürgen Klinsmann“

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Man sollte hier Fußball mehr denken

Endlich! Ein Interview mit José MourinhoRaphael Honigstein (SZ 20.10.)
SZ: Täuscht der Eindruck, oder sind Ihre Haare in den vier Monaten auf der Bank des FC Chelsea grauer geworden?
JM: Wenn die Frisur kurz ist, sieht man die grauen Haare einfach besser. Ich spüre nicht mehr Druck als beim FC Porto. Im Gegenteil. Die Atmosphäre in den Stadien ist wunderbar; man wird davon beseelt. Das nimmt den Druck fast weg. In Portugal erlebst du auswärts oft Feindseligkeit, in südlichen Ländern schlägt dir allgemein mehr Hass entgegen. Ich glaube, die Leute gehen dort zum Fußball und bringen ihre Probleme und Ressentiments mit. In England aber kommen die Leute zum Spiel und denken nur an Fußball, sie genießen jede Minute. Eines unserer ersten Matches war bei Aston Villa, Samstagmittag. Samstagmittag! Ich dachte, die Hälfte der Stadt wird da noch schlafen und die andere Hälfte ist bei der Arbeit. Dann komme ich aus der Kabine und das Stadion ist voll, die Stimmung super. Es gibt keinen schöneren Ort für Fußball als England.
SZ: Einige Medien werfen Ihnen und anderen ausländischen Trainern wie Rafael Benítez (FC Liverpool) und Jacques Santini (Tottenham Hotspur) jedoch vor, dass die Premier League langweiliger sei, seit Sie „kontinentalen“ Defensiv-Fußball praktizieren lassen.
JM: Ich kann nur für Chelsea sprechen. Wir sind sehr stark in der Defensive, aber kein defensives Team. Wir hätten mit dem Fußball, den wir spielen, viel mehr Tore schießen müssen – nur diese Kritik akzeptiere ich. Vorne dauert es eben länger, bis sich die Automatismen einstellen. Und wir müssen noch lernen, den Ball besser zu halten. Mit Porto gab es kein Spiel in der Champions League, bei dem wir nicht mehr Ballbesitz als der Gegner hatten. Egal ob gegen Manchester oder Real Madrid, kein einziges Spiel. Und was die Medien angeht: Die sollten mal darüber nachdenken, wer von den zwanzig Trainern in der Liga europäische Trophäen gewonnen hat. Da gibt es nur drei – Sir Alex (Ferguson), Benítez und Mourinho. Sie sollten also sagen, es ist gut für uns, wenn Mourinho und Benítez kommen, vielleicht können wir davon profitieren. Auf jeden Fall ist es gut fürs Prestige, denn diese Leute können ja in der ganzen Welt arbeiten, aber sie entscheiden sich für England. Und vielleicht können wir auch helfen, die Gründe zu entdecken, warum englische Teams, abgesehen von United 1999, nicht die Champions League gewinnen.
SZ: Ja, warum eigentlich nicht? Was ist Ihre Antwort?
JM: Allgemein kann ich sagen, dass man hier Fußball mehr denken sollte und weniger instinktiv spielen. Wegen der Leidenschaft der Spieler, der Leidenschaft der Fans und der Leidenschaft der englischen Journalisten besteht der Großteil des Spiels aus Leidenschaft. Man spielt mit Liebe und Instinkt. Wenn englische Teams gegeneinander spielen, gewinnt so meistens einfach das mit den besseren Möglichkeiten. Aber gegen ausländische Teams, die Fußball mehr denken, während des Spiels kollektive Entscheidungen treffen können und nicht nur auf Instinkt vertrauen, hat man es dann natürlich sehr schwer.
SZ: Lässt sich diese Mentalität ändern?
JM: Ich denke oft daran, was Mario Stanic (ehemaliger Chelsea-Spieler) zu mir gesagt hat. Er meinte, viele Leute kommen nach England und passen sich hier einfach den Gepflogenheiten an. Aber ich kenne deine Philosophie und weiß, dass deine Art, über Fußball nachzudenken, sehr speziell ist, hat er gesagt, du darfst dich nicht ändern. Das werde ich auch nicht. Ich habe schnell gemerkt, dass die Mannschaft meine Ideen versteht und das Training genießt. Ob wir die Champions League und Meisterschaft gewinnen, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass wir dazu in der Lage sind.
SZ: Ist Robert Huth auch in der Lage, bei Ihnen in die erste Elf zu kommen?
JM: Robert ist ein sehr talentierter, junger Spieler, der drei Weltklasse-Verteidiger vor sich hat. Wir stehen hinten sehr gut, deswegen will ich nicht wechseln. Aber wir wissen, was wir an ihm haben. Er wird seine Einsätze diese Saison noch bekommen. Das habe ich auch Jürgen Klinsmann gesagt, als er bei uns im Stadion war.

Ich bin Anhänger von Jürgen Klinsmann

Theo Zwanziger im Gespräch der Sport-Bild (20.10.)
SB: Am Wochenende wollen Sie mit Gerhard Mayer-Vorfelder gemeinsam zum DFB-Präsidenten gewählt werden. Sie werden das nicht gerne hören, aber für uns ist das ein fauler Kompromiss.
TZ: Kompromisse bestimmen unser Leben. Wenn Sie in unserer Gesellschaft nicht mehr kompromissfähig sind, sind Sie führungsunfähig.
SB: Jetzt ändern Sie für die Wahl die DFB-Statuten und führen die Doppelspitze ein. Unser Demokratie-Verständnis ist umgekehrt: Die Personen müssen sich nach der Struktur richten. Es gibt ja auch nicht zwei Bundeskanzler. Warum dürfen sich die Delegierten nicht in einer Kampfabstimmung zwischen Mayer-Vorfelder und Zwanziger entscheiden?
TZ: Natürlich hätte das eine Alternative sein können. Aber hier kommen doch folgende Strömungen zusammen: Ich bin von den Amateur-Verbänden vorgeschlagen worden. Ist es deshalb klug, mit dieser starken Mehrheit gegen einen Großteil der Stimmen aus der Bundesliga anzutreten?
SB: Sie könnten Mayer-Vorfelder stürzen…
TZ: Aber große Teile der 36 Klubs aus der 1. und 2. Bundesliga würden sich am Wochenende gegen mich aussprechen. Weil sie nicht wollen, dass ihr alter Freund MV, mit dem sie sich oft gestritten haben und den sie trotzdem schätzen, jetzt durch das Amateurlager aus dem Amt gedrängt wird.
SB: Und das schreckt sie ab?
TZ: Ja, weil ich für solche Gedanken sogar menschliches Verständnis habe. Außerdem denke ich an den Tag danach. Ich möchte nicht nach der Kampfabstimmung gewaltige Scherben zusammenfegen. (…)
SB: Bei Reformen wirkt der DFB sehr behäbig.
TZ: Bei unserer sportlichen Entwicklung sind wir zu beamtenmäßig vorgegangen in den vergangenen Jahren. Beamte haben eine wichtige Funktion in der Gesellschaft, aber sie leisten immer nur Arbeit im Ordnungsrahmen. Aber ein Verband braucht Innovation. Daran werden wir verstärkt arbeiten.
SB: Dann müssen Sie Jürgen Klinsmann mögen.
TZ: Absolut, ich bin Anhänger von Jürgen Klinsmann.

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