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Interview

Ein Grüßgott-August bin ich nicht

Oliver Fritsch | Donnerstag, 21. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für Ein Grüßgott-August bin ich nicht

Theo Zwanziger (SZ): „ein Grüßgott-August bin ich nicht“ – Werner Hackmann (Tagesspiegel): „Beckenbauer lässt sich nicht zähmen“

………….

Theo Zwanziger im SZ-Interview (21.10.)
SZ: Der Ehrenspielführer Matthäus hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann die Mentalität eines Killers bescheinigt – und damit einen Begriff kreiert, der in der Öffentlichkeit Wirkung hinterlassen hat.
TZ: Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas demnächst zum Sprachgebrauch im deutschen Fußball gehört. Sicher kann man sich auch mal die Meinung sagen, ich akzeptiere das gerade von einem Ehrenspielführer. Aber Sprache ist Teil der Kultur, und jeder der sich in der Öffentlichkeit äußert, sollte auf solche Begriffe verzichten.
SZ: Wird man das Matthäus mitteilen?
TZ: Gehen Sie davon aus! Er muss Rücksicht darauf nehmen, dass er in einer Linie steht auch mit einem Fritz Walter und einem Uwe Seeler. (…)
SZ: Der DFB als der Öffentlichkeit verpflichtetes Organ hält an einem Präsidenten fest, der Umfragen zufolge von über 90 Prozent der Bevölkerung abgelehnt wird und dessen berufliche Karriere von einer Vielzahl von Skandalen geprägt war.
TZ: Die Popularität von Herrn Mayer-Vorfelder kannten wir ja schon, als wir ihn gewählt haben. Er war als Minister wie als Fußballfunktionär ein Mann mit Ecken und Kanten. Aber ich bewerte Menschen danach, wie sie mir begegnet sind. Bei allem, was Sie gesagt haben, habe ich von der Persönlichkeit Mayer-Vorfelder einen anderen Eindruck. (…)
SZ: Die WM-Quartierfrage ist keine rein logistische. Es geht nicht um drei Tage Hotelaufenthalt, sondern darum, das optimale Lebensgefühl für mehrere Wochen während der WM zu schaffen.
TZ: Wenn Klinsmann gesagt hätte, wir werden ein Konzept entwickeln und uns dann mit dem Präsidium zusammensetzen und eine einvernehmliche Lösung suchen, hätte ich mich nicht zu Wort gemeldet. Aber man darf nicht den Eindruck vermitteln – und das sollte und wird Klinsmann auch nicht mehr tun –, als seien alle anderen, die hier in verantwortlichen Ämtern sind, die letzten Hanswurste. Das wird man mit mir nicht machen können, ein Grüßgott-August bin ich nicht. Wir müssen sehr sensibel sein, sonst schreiben die Zeitungen irgendwann, lasst den Klinsmann doch den DFB-Präsidenten gleich mitmachen.
SZ: Gibt es eine vertragliche Festlegung mit Leverkusen, die keine Bewegungsfreiheit mehr zulässt?
TZ: Sie können jeden Vertrag verändern. Aber das sollte man nur bei einer einvernehmlichen Lösung tun, und der Partner muss dann wissen, welchen Ausgleich er erhält. Bisher kenne ich keine alternativen Konzepte und konnte mich daher noch nicht damit befassen. Ich warte in Ruhe ab, ich will keine verbrannte Erde hinterlassen.
SZ: Zumal die Leverkusener Konzernherren viel für die WM-Bewerbung getan haben.
TZ: Egidius Braun wollte das Geld für diese Bewerbung weder aus dem Haushalt des DFB nehmen, noch den Steuerzahler belasten. Es ging um einen sieben-, achtstelligen Betrag. Also musste er es bei Freunden im Sponsorenbereich holen, jeder wusste ja, das ist eine große Risikoinvestition. Und dabei war Leverkusen sein erster Ansprechpartner.
SZ: Wir lesen doch immer, dass der Erfolg der WM-Bewerbung allein Franz Beckenbauer zuzuschreiben ist. Und jetzt hören wir, dass Egidius Braun der wahre Mann hinter 2006 war?
TZ: Ich wäre Ihnen hoch verbunden, wenn das einmal richtig gestellt würde. Die Reihenfolge: Erst war die Bewerbung gesellschaftlich zu begründen, das tat Braun. Dann brauchte es die exzellenten Bewerbungsunterlagen von Horst R. Schmidt. Dann kam wieder Braun, der für den Zusammenhalt der acht Europäer in der Fifa-Exekutive bei der Wahl sorgte. Aber dann hat er gespürt, jetzt brauchen wir eine Welt umspannende Figur wie Beckenbauer. Er hat ihn in einer Nacht- und Nebelaktion überzeugt, ins DFB-Präsidium einzuziehen. Braun tat es um der Sache willen, er hat ja genau gewusst, dass er mit dieser Maßnahme viele Leute vergraulte. Dann hat Beckenbauer seine Arbeit sehr gut gemacht. Mir hat immer weh getan, dass Brauns Rolle nicht ausreichend gewürdigt wurde. Wäre er am Ende noch gesund gewesen, wäre der Eindruck in der Öffentlichkeit ein anderer gewesen.
SZ: Es gibt noch ein paar Köche mehr rund um die WM 2006. Die politischen Parteien haben zu erkennen gegeben, wie verlockend die WM-Bühne für ihre Anliegen im Bundestagswahl-Jahr 2006 ist. Das war schon zu besichtigen im Hickhack um die Eröffnungsfeier der Bundesregierung in Berlin, die dann der Weltverband an sich gezogen hat. Droht dem Fußball, droht dem DFB eine Zerreißprobe?
TZ: Ganz klar, ich sehe das genauso. Ich habe stets gesagt, wir gehen in eine sensible Zeit und müssen aufpassen, dass der DFB gesellschaftsfähig bleibt, sich nicht parteipolitisch vereinnahmen lässt. Einerseits also mit der Bundesregierung zusammenzuarbeiten und ihre Verdienste nicht klein zu reden, andererseits die Opposition nicht auszubremsen. Wir sind Leute, die sich nicht aus Machtinteressen im Staat kurzfristig umlenken lassen, das müssen wir deutlich machen.

Beckenbauer lässt sich nicht zähmen

Werner Hackmann im Tsp-Interview (21.10.)
Tsp: Wer ist für die Nationalmannschaft zuständig?
WH: Der Präsident des DFBs. Danach der Präsident der DFL, also meine Person.
Tsp: Ab Sonntag soll es zwei Präsidenten geben, Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger. Dann rücken Sie an die dritte Stelle.
WH: Nein. Herr Zwanziger wird ja, sofern er vom DFB-Bundestag gewählt wird, Geschäftsführender Präsident. Es wird eine Doppelspitze geben. Aber deshalb darf die Liga nicht zurückgesetzt werden.
Tsp: Sie wollen mit Mayer-Vorfelder allein über die Nationalmannschaft entscheiden?
WH: Richtig, wir beide entscheiden, wenn es Streitfragen gibt. Auch Generalsekretär Horst R. Schmidt hat bei der Nationalmannschaft immer mitgeredet. Natürlich wird auch der Herr Zwanziger jetzt mitreden. Aber die Hierarchie muss klar sein: Federführend bleibt der Präsident des DFB, und ich bin sein erster Vertreter.
Tsp: Hat nicht die chaotische Trainersuche gezeigt, dass es mit der Federführung des Präsidenten nicht so weit her ist?
WH: Hätte Herr Mayer-Vorfelder nach Rudi Völlers Rücktritt die Liga rechtzeitig in die Suche eines Nachfolgers einbezogen, wäre uns einiges erspart geblieben.
Tsp: Auch die Doppelspitze?
WH: Auch Herrn Mayer-Vorfelder wäre einiges erspart geblieben, wenn er nicht so beratungsresistent gewesen wäre.
Tsp: Was war schwieriger in Ihrer Karriere: die Befriedung der besetzten Hafenstraße als Hamburger Innensenator oder die Befriedung des deutschen Fußballs?
WH: Im Sport geht es um Geschäft und Unterhaltung. In der Innenpolitik geht es um Menschenleben. Bei der Auseinandersetzung um die Hafenstraße hatte ich Sorge um die Unversehrtheit meiner Mitarbeiter. Das Problem in diesem Sommer war, dass der deutsche Fußball auf der Kippe stand. Ich hatte keine schlaflosen Nächte, weil wir ein paar Wochen keinen Bundestrainer hatten. Aber Druck habe ich gespürt. Wenn man jeden Tag in der Presse, vor allem in einer Zeitung mit großen Buchstaben, einen neuen Kandidatennamen lesen muss, ist das bitter.
Tsp: Das lag ja auch an Mitgliedern der Trainerfindungskommission, oder?
WH: Das kann ich nicht ausschließen.
Tsp: Es gab einen, dem enge Kontakte nachgesagt werden zu Lothar Matthäus und zur Bild-Zeitung: Franz Beckenbauer.
WH: Ja, es gab das Thema Matthäus. Ich habe aber nie verhehlt, dass ich Lothar Matthäus nicht für die richtige Lösung hielt.
Tsp: Wie haben Sie Beckenbauer gezähmt?
WH: Der lässt sich nicht zähmen. Aber wir haben uns schließlich auf Jürgen Klinsmann geeinigt, einstimmig.
Tsp: Was mögen Sie an Jürgen Klinsmann?
WH: Seine Unbefangenheit und Frische. Aber auch seine Bestimmtheit.
Tsp: Diese Bestimmtheit hat viel Ärger beim DFB ausgelöst.
WH: Er hat klare Vorstellungen. Die hat er uns von Anfang an mitgeteilt.
Tsp: Auch bei der Frage, in welchem Quartier sich die Nationalmannschaft auf die WM 2006 vorbereitet?
WH: Jeder neue Bundestrainer muss das Recht haben, alles in Frage zu stellen. Herr Klinsmann wird ein Konzept erarbeiten, in dem er erklärt, welche Standorte er für optimal hält. Wenn Leverkusen nicht darunter ist, ist es eben so.
Tsp: Herr Zwanziger pocht auf die Verabredungen mit Bayer Leverkusen.
WH: Ich gehe davon aus, dass Herr Klinsmann nach dem Bundestag sein Konzept vorlegt. Dann wird der Streit gelöst. (…)
Tsp: Funktionieren Doppelspitzen?
WH: Nein, eigentlich nicht. In den Sechzigern bin ich in die SPD eingetreten. Es ging damals darum, wer in Hamburg-Bergedorf Chef der Jungsozialisten wird. Neben mir gab es noch einen Kandidaten, wir konnten uns nicht einigen und haben eine Doppelspitze gemacht. Das ist gescheitert.

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