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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Eskapismus

Oliver Fritsch | Dienstag, 26. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für Eskapismus

Warum Mainz, Peter Unfried (SpOn 25.10.)? „Warum tasten immer mehr Menschen, getrieben von der brennenden oder zumindest latenten Sehnsucht nach anderen Verhältnissen, ausgerechnet den Fußball ab auf der Suche nach Projektionsflächen? Eskapismus – oder Verlagerung, weil die früher benutzten „alternativen“ Bereiche das nicht mehr hergeben? Der Gesellschafts- und Fußballforscher Klaus Theweleit pflegt die Sache so zu erklären: „Die großen gesellschaftlichen Reden brauchen einen einfachen Darstellungsbackground.“ Tja, da kann der Fußball dienen. Zumal es tatsächlich ein paradoxes Sehnen gibt, der so genannte Turbokapitalismus möge ausgerechnet im Fußball nicht auf der ganzen Linie gesiegt haben. (…) Was passiert tatsächlich auf dem Rasen? Mainz spielt einen laufaufwendigen Fußball, der sich stärker als bei anderen Bundesligisten über ein engagiertes und intelligentes Spiel ohne Ball definiert. Um es klar zu sagen: Die Mainzer Profis rennen einfach mehr als andere. Viel mehr. Man könnte auch sagen: Sie arbeiten härter und länger. Und dafür kriegen sie weniger Gehalt, weniger zusätzliche Leistungen (Prämien) und weniger soziale Vergünstigungen. Zum Beispiel haben sie nur einen Trainingsplatz, der FC Bayern hat fünf. Und trotzdem rennen sie nicht zur Gewerkschaft, sondern haben ein Lächeln im Gesicht – ein Dauergrinsen wie ihr Anführer Klopp. „Ihnen geht’s nicht um die dicke Kohle“, schrieb Bild, „sondern um den Spaß.“ So was von dieser Seite ist immer verdächtig. Und tatsächlich ist das wunderbare Mainzer Modell auch eine wunderbare Steilvorlage für Politiker und Wirtschaftsmanager und die angeschlossenen Medien bei ihren derzeitigen Versuchen, die Arbeitnehmer für das Modell: mehr Arbeit für weniger Geld und weniger Sozialleistungen zu begeistern. Denn, was machen denn die VW-Arbeiter in der Slowakei, die Opel-Jungs in Polen anderes? Und was machen die Mainzer Profi anderes, als dem Arbeitgeber ihre Dankbarkeit darüber zurückzuzahlen, überhaupt noch einen Arbeitsplatz in Deutschland zu haben?“

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