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Interview

Wir machen keine Übung und kein Trainingsspiel ohne taktischen Hintergrund

Oliver Fritsch | Samstag, 11. Dezember 2004 Kommentare deaktiviert für Wir machen keine Übung und kein Trainingsspiel ohne taktischen Hintergrund

Uwe Rapolder im Interview mit Frank Ketterer (taz 11.12.)
taz: Die SZ hat gerade festgestellt, dass „nie zuvor in der Bundesliga auf breiter Ebene so viel Aufwand bei der taktischen Arbeit betrieben wurde“. Teilen Sie diese Ansicht?
UR: Das ist absolut richtig. Die Zeiten, in denen du über individuelle Klasse ein Spiel gewinnen konntest, die sind vorbei. Weil der Fußball sich durch verschiedene Dinge, vor allem auch durch Regeländerungen, so entwickelt hat, dass er sehr, sehr schnell geworden ist. Und je schneller etwas ist, um so weniger kannst du ihm mit Improvisation und mit Geistesblitzen begegnen. Sondern du musst, im Eishockey und im Basketball ist das schon lange so, dann mit Automatismen arbeiten. Das ist dann die taktische Arbeit: Die einzelnen Mannschaftsteile und die einzelnen Spieler aufeinander abzustimmen.
taz: Warum sind diese Dinge ausgerechnet jetzt so verstärkt zum Thema in der Bundesliga geworden?
UR: Weil es eine absolute Notwendigkeit war, um international wieder mithalten zu können. In der Bundesliga hat man viel zu lange an einer Spezialisierung festgehalten: Libero, Manndecker, der Zehner war die Kreativabteilung, der Sechser war der Wasserträger oder der Staubsauger vor der Abwehr, die zwei auf der Außenbahn sind immer nur rauf- und runtergelaufen und haben Flanken geschlagen. Diese Spezialisierung ist veraltet. International hat da längst eine Generalisierung stattgefunden, die sich auch auf die Spielsysteme ausgewirkt hat. Die vier, die verteidigen, müssen heute auch konstruktiv nach vorne spielen können; und umgekehrt müssen die Spitzen bei Ballverlust sofort gegen hinten schließen. Daraus ergibt sich die Kompaktheit und Homogenität, die ein Team auszeichnet. Wenn man heute Welt- oder Europameister oder Champions-League-Sieger werden will, muss man genau das haben.
taz: Sie gelten mittlerweile als einer der eifrigsten Vertreter des Konzeptfußballs. Können Sie uns, in aller gebotenen Kürze, das Konzept der Arminia erklären?
UR: Das ist ganz einfach: Bei Ballbesitz des Gegners dessen Spiel langsam machen, Räume schließen, Ball erobern. Und bei eigenem Ballbesitz heißt es schnelles Spiel in die Spitze, nachrücken und vor allem: Kurzpassspiel, Vertikalspiel.
taz: Dazu hat der kicker festgestellt: „In Arminias Spiel ist nichts dem Zufall überlassen.“ Wie genau und präzise sind Lauf- und Ballwege tatsächlich festgelegt?
UR: Absolut präzise. Die Laufwege sind zu 100 Prozent klar; wo der ballführende Spieler den Ball hinspielt, ist dann aber ihm überlassen. Die anderen müssen ihm drei, vier Möglichkeiten anbieten, eben um den Ball schnell spielen zu können. Wenn eine davon gut ist, dann ist das schon prima.
taz: Was bedeutet das für die Trainingsarbeit?
UR: Wir machen keine Übung und kein Trainingsspiel ohne taktischen Hintergrund.
taz: Wie lange dauert es, bis eine Mannschaft so ein Konzept kapiert und verinnerlicht hat?
UR: Wenn sie will, dauert es zwei Wochen. Dann haben sie es drin. Wichtig ist: Die Spieler müssen es wollen, die müssen mitziehen. Dann geht es schnell, weil es relativ einfach ist. (…)
taz: Ervin Skela hat im November gesagt: „Wir haben einen Supertrainer, das hat in Deutschland bloß noch keiner mitbekommen.“ Das hat sich mittlerweile geändert. Wieso hat es so lange gedauert?
UR: Das hat etwas mit der Namensgläubigkeit in Deutschland zu tun. Hierzulande ist man lange davon ausgegangen, dass man 70 Länderspiele haben muss, um etwas von Fußball verstehen zu können. Ich habe zwar auch über 300 Spiele im bezahlten Fußball auf dem Buckel, allerdings viele davon in Belgien und in der Schweiz. Das zählt in Deutschland nicht, mein Name war kein Begriff.

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