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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Er liebt den Scheinwerfer

Oliver Fritsch | Montag, 20. Dezember 2004 Kommentare deaktiviert für Er liebt den Scheinwerfer

100 Jahre Fifa – eine Biographieskizze über Joseph Blatter von Felix Reidhaar (NZZ 18.12.): „Blatter hatte von Horst Dassler vieles abgeschaut. Wie man Fäden spinnt und Einfluss gewinnt, wie man Freude macht und Kasse, die unermüdliche Schaffenskraft auch und vielleicht den Weitblick und die Grosszügigkeit. Worin er sich aber stets von ihm unterschied, war der Drang nach öffentlichem Auf- und Ansehen, nach Streicheleinheiten und Anerkennung, seine Vorliebe auch, ab und zu kuriose Ansichten lautstark in die Welt zu setzen. In der unautorisierten Biografie über Horst Dassler (1992) schrieb Paulheinz Grupe, Blatter habe seinen Förderer schon Mitte der siebziger Jahre dazu überredet, First Class zu fliegen, nicht etwa aus Komfort-, sondern aus Prestigegründen. Auf blendende Geltung gibt Blatter viel, den Scheinwerfer liebt er wie das Kameraauge. Und vollkommen im Element wähnt er sich, wenn ihm, dem gewieften und fast permanent auf Weltreise befindlichen Wahlkämpfer, die Stimmen der Delegierten zufliegen wie zuletzt in Seoul vor der WM 2002. Dann hat einer Zahltag, dem in Europa und in der Heimat Skepsis und Misstrauen entgegenschlagen, den sie aber in weiten Teilen Afrikas, auf dem gesamten amerikanischen Kontinent samt karibischen Inseln und in Arabien verehren, weil er die Diplomatie seines Vorgängers Havelange getreulich und nie mit falschen Versprechen fortsetzt. Darin mag das Geheimnis seiner unangetasteten Leaderstellung liegen.“

Weisse Flecken auf der Weltkarte getilgt

Walter Lutz (NZZ 18.12.) porträtiert Jules Rimet und João Havelange (sagen wir: wohlwollend): „Als 1921 Rimet dritter Präsident wird, ist die Fifa eine kleine, unbedeutende Organisation einer noch wenig beachteten Sportart mit nur gerade 20 angeschlossenen Landesverbänden. (…) Rimet war ein Meister im Umgang mit dem Wort, wie seine 1954 erschienenen „Memoiren“ belegen, verfügte über die Besessenheit und Hartnäckigkeit eines Pioniers sowie das Einfühlungsvermögen eines Diplomaten. Er führte die Fifa mit starker Hand, schaute der Zeit ins Gesicht und den Menschen ins Herz. (…) Havelange wird der erste nichteuropäische Präsident. In belgischen Internaten geschult und erzogen, gilt er deshalb später in seiner Denkweise als halber Europäer, ganzer Brasilianer und dazu, das ganz gewiss, als Mann von Welt. Er strahlt Wärme, Herzlichkeit und etwas Aristokratisches aus. Als unternehmerisch denkender und handelnder Mensch hat er die Globalisierung des Fussballs durchgesetzt, alle weissen Flecken auf der Weltkarte getilgt und den Fussball zu einem Produkt und zu einer Marke gemacht.“

Majestätsbeleidigung

Was wird eigentlich aus Franz Beckenbauer, Peter Körte (FAS/Feuilleton 20.12.)? „Es gibt Leute, die in ihm einen idealen Bundespräsidenten sehen, was aber eine sehr armselige Idee ist, da man schlecht verdient und seltener im Fernsehen ist, da man auch weder Oliver Kahn zurechtweisen noch einer Sekretärin bei der Weihnachtsfeier näherkommen darf. Im Grunde ist diese Idee sogar eine Majestätsbeleidigung, weil sie ja unterstellt, es könne über ihm noch etwas Größeres geben.“

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