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Interview

Ich bin auch ein Bauernjunge

Oliver Fritsch | Montag, 17. Januar 2005 Kommentare deaktiviert für Ich bin auch ein Bauernjunge

Udo Lattek, der gestern 70 geworden ist, mit Roland Zorn (FAZ 15.1.)
FAZ: Wie sind Sie Trainer geworden?
UL: Das war eher Zufall. Ich war während meines normalen Studiums zwischen meinem 20. und 23. Lebensjahr an der Kölner Sporthochschule. Da wurde auch ein Fußballehrer-Lehrgang angeboten, um in der Bundesliga trainieren zu können. Eines Tages war wunderschönes Wetter in Köln, und ich bin anstatt zum Fußballehrer-Lehrgang lieber zum Schwimmen gegangen. Da kam mir anschließend mein Ausbilder, Hennes Weisweiler, mit seiner Borgward Isabella entgegen, als ich pfeifend und singend mit meinem Freund vom Schwimmen kam. Weisweiler stoppte und raunzte mich an: „Warum sind Sie nicht zum Fußball gekommen, wenn Sie noch mal fehlen, fliegen Sie raus.“ Meine Antwort lautete: „Rutschen Sie mir doch den Buckel runter.“ Dann habe ich mich umgedreht, und damit war das Thema Fußball erst mal für mich erledigt. (…)
FAZ: Sie waren kein großer Spieler, Ihr jahrelanger Trainerwidersacher Otto Rehhagel auch nicht. Woher rührt Ihre Antipathie gegen den Kollegen, der Griechenland zum Europameister machte?
UL: Der Mann ist mir zu unwichtig, um mich darüber weiter auszulassen. Nur soviel: Die Geschichte fing an mit einem Pokalspiel in München, als Rehhagel die Offenbacher Kickers trainierte. Damals ging Offenbach bei Bayern aus Versehen 1:0 in Führung und hat dann natürlich die Kiste vollgekriegt. Nach dem 1:0 aber tanzte der Rehhagel vor unserer Trainerbank herum mit Sprüchen wie: „Jetzt zeigen wir’s dir.“ Da habe ich mir gesagt, ich zeige es dir mein Leben lang. Ich schätze seine Arbeit, aber seine Außendarstellung gefällt mir nicht. Ich muß nicht ständig zeigen wollen, was ich für ein toller Kerl bin. Entweder ich bin es, oder ich bin es nicht. Wenn ich ihn in Talkshows gesehen habe, wie er die Augen verdreht hat, war mir ganz anders. Er hat seine Komplexe, ich habe studiert. Ich bin auch ein Bauernjunge. Was ist, verdammt noch mal, schlecht daran, wenn man Anstreicher gelernt hat?

Wenn der Chip zuverlässig ist, wäre das eine prima Sache

Knut Kircher mit Christoph Kneer (BLZ 15.1.) über den Chip im Ball
BLZ: Für viele in der Branche wäre der Chip im Ball eine Revolution.
KK: Für die Schiedsrichter nicht. Wir haben gelernt, uns auf so etwas einzustellen. Das ist ähnlich wie bei der Funkfahne des Assistenten. Früher hat der Linienrichter einen Stecken mit einem Lappen dran hoch gehalten, und wenn der Schiedsrichter nicht raus geschaut hat, hat er halt umsonst gewunken. Dann kam die elektronische Fahne, und man hat sich als Team neu einstellen müssen, aber man hat bald gemerkt, dass das Piepssignal die Kommunikation verbessert. Ähnlich wäre das mit dem Chip.
BLZ: Sie würden den Chip also begrüßen?
KK: Wenn das zuverlässig und in hundert Prozent aller Fälle funktioniert, wäre das eine prima Sache.
BLZ: Die Schiedsrichter würden das nicht als krassen Eingriff in ihre Kompetenzen werten, als Bevormundung?
KK: Gar nicht. Wieso sollten wir diese Hilfe nicht annehmen, wenn sie technisch möglich ist? Es ist ja nicht so, dass dem Schiedsrichter vor aller Augen ein Fehler nachgewiesen würde. Der Schiedsrichter muss sich ja gar nicht umentscheiden. Man muss sich das so vorstellen: Der Ball fliegt aufs Tor, knallt an die Unterkante der Latte, prallt auf den Boden, keiner weiß, ob Tor oder nicht, und in diesem Moment geht oberhalb des Tores ein rotes Licht an und blinkt wie wild. Dann weiß der Schiedsrichter: Aha, Tor, und kann so entscheiden, und der Zuschauer wird nie erfahren, ob der Schiedsrichter ohne Hilfsmittel auch so entschieden hätte. Der Schiedsrichter muss keine Entscheidung revidieren. Das ist der Unterschied zum Videobeweis.
BLZ:… der in der Schiedsrichter-Gilde auf wenig Gegenliebe stößt.
KK: Das Problem am Videobeweis ist: Er ist anders als das Chipsignal nicht spontan lieferbar. Es ist doch so: Die Kameras stehen irgendwo im Stadion, und es müsste dann ja irgendeinen geben, der alle Ansichten aller Kameras kurz durchsichtet und dann sagt: Hier, hallo, Kamera 17, die hat genau die richtige Einstellung. Und dieses Bild muss dann sekundenschnell auf einen Monitor überführt werden …
BLZ:… und dann rennen Sie zum Monitor, der am Spielfeldrand steht …
KK: … ja, entweder der Schiedsrichter selbst, wie im Eishockey, oder es gibt einen Oberschiedsrichter, der am Spielfeldrand sitzt. Aber da vergehen Minuten, und in dieser Zeit hat der Zuschauer Pause. Das macht die Spontaneität des Spiels kaputt.

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