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Die Personalie MV wird DFB-internes Krisenthema

Oliver Fritsch | Montag, 14. Februar 2005 Kommentare deaktiviert für Die Personalie MV wird DFB-internes Krisenthema

Thomas Kistner (SZ 14.2.) befasst sich mit dem vermutlichen Machtverlust Gerhard Mayer-Vorfelders: „Eine Entmachtung bahnt sich in der DFB-Chefetage an. Am Sonntag installierte das Präsidium ein vierköpfiges Gremium, um schnelle Beschlüsse im Wettskandal treffen zu können. Pikanterweise gehört DFB-Boss Mayer-Vorfelder diesem Quartett nicht an, das von seinem geschäftsführenden Co-Präsidenten Theo Zwanziger, Liga-Chef Hackmann, Schatzmeister Schmidhuber sowie DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt gebildet wird. Damit wird die Personalie MV erstmals als DFB-internes Krisenthema erkennbar.“

Verantwortung abwälzen

Matti Lieske (taz14.2.) beklagt die Sündenbockstrategie gegen Schiedsrichter Torsten Koop: „Dem DFB habe er keine Mitteilung gemacht, weil er Hoyzers Äußerungen für „Prahlerei“ hielt. Und nach Aufdeckung der Hoyzer-Affäre, so ist zu vermuten, schwieg er weiter, eben weil er vorher nichts gesagt hatte. „Der Name Koop wird auf der Schiedsrichter-Liste nie mehr auftauchen“, sagt Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amerell, eine Art Sonderbeauftragter für markige Worte im DFB. Damit hat der Versuch der Verantwortungsträger, die Verantwortung abzuwälzen, eine neue Dimension erreicht, nachdem zuvor die peinlichen Attacken des Präsidenten Mayer-Vorfelder gegen den Wettanbieter Oddset nur begrenzten Erfolg zeitigten. All jene, die im DFB als Kontrollinstanzen versagt hatten, sind weiter im Amt: Mayer-Vorfelder, der Schiedsrichterausschuss-Vorsitzende Volker Roth, der Kontrollausschuss-Vorsitzende Horst Hilpert. Sie alle wussten seit August von Merkwürdigkeiten in Sachen Hoyzer, oder hätten davon wissen müssen, und taten nichts. Schuld daran soll nun offensichtlich Torsten Koop sein, der ebenfalls nichts tat.“

Unverständlich

Jan Christian Müller (FR 14.2.) ergänzt: “Dass Koop sich nicht umgehend, noch als Opfer von Hoyzers Gier, geoutet hat, darf ihm auch im Nachhinein niemand derart übel nehmen, dass eine Suspendierung deshalb gerechtfertigt wäre. Unverständlich aber bleibt das Verhalten des 39-Jährigen, also erfahrenen Referees Koop, nachdem er und seine Kollegen bei einer eigens einberufenen Krisensitzung der deutschen Spitzenschiedsrichter am 27. Januar auf die damals ja schon absehbaren straf- und sportrechtlichen Folgen hingewiesen wurden. Zeitgleich legte Hoyzer an jenem Tag ein Geständnis ab. Keine Nacht länger hätte Torsten Koop damit warten dürfen, den DFB über das verhängnisvolle Gespräch mit Hoyzer im Frankfurter Hotel zu informieren.“

Kommt nach der Nicht-Leistungs-Prominenz jetzt die Kriminellen-Prominenz?

Peter Lückemeier (FAS 13.2.) verfasst eine Prominenz-Soziologie: „Vielleicht kennen ihn jetzt genauso viele Menschen wie einen Ministerpräsidenten, der für seinen Bekanntheitsgrad hart und jahrelang hat arbeiten müssen. Aber Ministerpräsidenten erhalten seltener Fanpost, Hoyzer dagegen „bekommt jetzt Heiratsanträge“, wie Bild weiß. (…) „Prominenz“ ist zunächst ein neutraler Begriff. Prominent ist, wer herausragt, wer von mehr Menschen gekannt wird, als er selber kennt. Wer auf der ganzen Welt erkannt wird und gleichzeitig die Phantasien der Massen erregen kann, der ist ein Star. Ganz früher wurde man prominent eigentlich nur durch Geburt und Abstammung. Es war eine emanzipatorische Hervorbringung, daß Leistungsprominenz möglich wurde: Jemand kann heute, auch wenn er weder adelige noch reiche Vorfahren hat, durch schiere Leistung prominent werden, sei es als Weitspringer, Schauspieler oder Sangeskünstler. Seit einiger Zeit aber wurde das Leistungsprinzip durchbrochen oder doch aufgeweicht. Ein neues Phänomen trat hinzu: Prominenz trotz Schlichtheit. Nicht mehr die Leistung zählte, sondern geradewegs deren Gegenteil. Die Stichflammenberühmtheiten aus den Container-Sendungen, die C-Prominenz der Dschungel-Shows, die Daniel Küblböcks. (…) Robert Hoyzer weckt über die böse Tat hinaus ein mediales Interesse. Robert Hoyzer hat nichts geleistet. Er sieht ganz nett aus, aber das reicht nicht für eine längere Karriere, Showtalent geht ihm auch weitgehend ab. Ist Hoyzer also Vorbote einer neuen Qualität? Kommt nach der Nicht-Leistungs-Prominenz jetzt die Kriminellen-Prominenz?“

Ralf Mielek (BLZ/Media 14.2.) kritisiert das ZDF für seine Hoyzer-Stories: “Das besonders Ärgerliche an dieser auf die Person fixierten Berichterstattung ist, dass das ZDF bei der aufklärenden Recherche nicht ganz vorne dabei sein will. Es tut nur ein bisschen so. Dabei bieten sich dafür durchaus erprobte Formate an. Im Sportstudio aber musste ein kaum drei Minuten langer Beitrag zu diesem Thema ausreichen. Lieber warb die Redaktion auch hier für den eigenen Hoyzer-Film am Sonntagnachmittag.“

René Martens (FTD 14.2.) fügt hinzu, auf ein blindes Auge des ZDF hinweisend: „Als unter der Woche der Kleinganove und Möchtegern-Sexgott Robbie Hoyzer durch seinen Auftritt bei Johannes B. Kerner ein paar Heiratsanträge akquirieren durfte – gerade noch rechtzeitig, um seine U-Haft-Lektüre zu erweitern –, wuchs die Empörung auf Orkanstärke an. Kaum war sie abgeklungen, kam auf demselben Kanal nun ausgerechnet Blatter zum Wettskandal zu Wort. Ungefähr eine halbe Fußballmannschaft von Publizisten hat aufgearbeitet, wie viele Leichen der Schweizer im Weinkeller hat. Jetzt tönt Blatter, „die Aufdeckung“ der Causa Hoyzer „sollte ein Warnschuss für alle Betrüger sein“. Sieht so aus, als schüttele er weniger über die Taten der Täter den Kopf als über deren Schusseligkeit. Blatter wird immerhin stichhaltig vorgeworfen, dass er weit mehr gekauft habe als ein paar Spiele, nämlich 1998 seine Wahl zum mächtigsten Fußballfunktionär der Welt. Der Tag, an dem das ZDF Saddam Hussein über Demokratiedefizit dozieren lässt, scheint nicht mehr fern zu sein.“

Man macht sich schon seine Gedanken, wenn man die Zeitungen liest

Interessant! Aus dem Tagesspiegel (14.2.) entnehmen wir Hintergründe des Haftbefehls: „Die öffentliche Meinung spielte wohl auch eine Bedeutung. „Wir sind ja auch nicht von einer anderen Welt. Man muss zwar nicht reagieren, wenn Herr Hoeneß etwas fordert, aber man macht sich schon seine Gedanken, wenn man die Zeitungen liest“, gibt Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge zu. Uli Hoeneß hatte sich darüber empört, dass Hoyzer immer noch auf freiem Fuß war.“

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