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Ball und Buchstabe

Fußfall vor den Gewalttätern

Oliver Fritsch | Mittwoch, 13. April 2005 Kommentare deaktiviert für Fußfall vor den Gewalttätern

Dirk Schümer (FAZ 13.4.) schildert die Gewalt italienischer Fans und deren Verflechtung mit den Offiziellen: „Nicht einmal die versöhnliche Stimmung zur Beerdigung von Papst Johannes Paul II. konnte die Tifosi von ihrer alltäglichen Brutalität abhalten. (…) Weil man – anders als in England – in Italien nach dem Heysel-Drama wenig gegen die Hooliganszene, die sogenannten Ultras, unternommen hat und auch die Spielorte nicht modernisierte, kann Lazios Präsident Lotito lamentieren, das römische Olympiastadion sei nun einmal mit seinem täglichen Kommen und Gehen nicht zu sichern. Ebenso klingt es nach Fußfall vor den Gewalttätern, wenn der linke Livorneser Star Cristiano Lucarelli seinen abgewiesenen Tifosi die Heimfahrt im Bus aus eigener Tasche finanzierte. Extremistische Fans kontrollieren bei Lazio sogar den Verkauf von Fan-Artikeln und rechtfertigen ihre Ausschreitungen ausführlich im lokalen Fernsehen der Radiostationen, die den „Ultras“ freundlich gesinnt sind. Bei so viel offizieller Laxheit wird es immer schwerer, den Sumpf der Gewalt trockenzulegen. Solange aber Italiens Fußballpatron Silvio Berlusconi im Streit um hochverschuldete Klubs den Calcio zur nationalen Angelegenheit verklärt und notfalls mit umstrittenen Sondergesetzen und Steuernachlaß den Spielbetrieb sicherstellt, rechnen auch die Gewalttäter darauf, daß man ihnen das liebste Hobby schon nicht verbieten wird.“

Im Crescendo des Fußball-Wahnsinns

In Nürnberg hat sich eine Fußball-Akademie mit einer Tagung gegründet; Christian Kortmann (SZ 11.4.) hat sie gerade noch gefehlt: „Zur Gründungstagung hatte Klinsmann seine stummen Begleiter Joachim Löw und Andreas Köpke mitgebracht. Die drei blickten auf der Bühne mäßig begeistert drein, als würde ihnen langsam klar, welche Albernheiten sie im Dienste der WM 2006 mitmachen müssen, und ihre Mimik fragte simultan: Könnte man für solche Aufgaben nicht doch Berti Vogts engagieren? (…) Dieser Sport sei das Esperanto der Kulturindustrie, weil das Körpergefühl für Fußball in jedem von uns stecke; Klaus Theweleit war der unangefochtene Torschützenkönig der Tagung – sachkundig, unterhaltend und originell: Selbst am Abend auf der Feier demonstrierte er noch Volley-Schusstechniken. (…) Der Praktiker Jürgen Klinsmann hält Nachdenken über Fußball für so relevant wie Taktiktipps von Lothar Matthäus, und mit seiner Skepsis behielt er zum Teil recht: Die Tagung zeigte, dass es wenig ergiebig ist, einfach nur über Fußball zu plaudern. Das muss dieser wehrlose Gegenstand im Land der 80 Millionen Nationaltrainer ja ohnehin oft genug aushalten. Wie jede andere Wissenschaft erfordert auch die Erforschung des Fußballs ein begriffliches Instrumentarium und Erkenntnisinteresse. Man muss sich die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur als ein Trainingslager wünschen, in dem eingeübt wird, im Crescendo des Fußball-Wahnsinns, der uns in den kommenden 15 Monaten erwartet, cool zu bleiben.“

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