indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Uns fragt niemand

Oliver Fritsch | Samstag, 28. Mai 2005 Kommentare deaktiviert für Uns fragt niemand

Felix Magath mit Sven Goldmann & Daniel Pontzen (Tsp 28.5.)
Tsp: Hätte der Spieler Magath Spaß unter dem Trainer Magath gehabt?
FM: Großen Spaß. Aber ich hatte das Glück, zwei der besten Trainer überhaupt zu haben, Branco Zebec und Ernst Happel. Es hieß ja immer, ich wäre nicht gern gelaufen. Das ist Blödsinn! Ich war beim HSV einer der Lauffreudigsten, bei sämtlichen Konditionseinheiten waren es immer dieselben Spieler, die vorne waren, und ich kann ihnen versichern: Ich war dabei. Ich weiß genau, wie viel ich selbst trainiert habe, ich weiß genau, wie viel ich jetzt trainieren lasse – und, glauben Sie: Es ist viel weniger, als ich als Spieler selbst trainiert habe. Ernst Happel hat immer gesagt, dass ich zu viel laufe. Er hatte wahrscheinlich Recht.
Tsp: Sie haben schon vor ein paar Jahren gesagt, Sie würden lieber im Ausland arbeiten, zum Beispiel in England, da werde noch mehr Wert auf den Sport gelegt.
FM: Dass ich ins Ausland wollte, war eine rein persönliche Sache: Weil ich gerne mal im Ausland gelebt, eine Sprache gelernt hätte, und ich glaube, dass mich das auch als Trainer weitergebracht hätte. Es wird immer der Mentalität der Leute entsprechend Fußball gespielt, und hier in Mitteleuropa sehe ich halt die Tendenz, dass das Sportliche immer mehr in den Hintergrund gedrängt und das Geschäft in den Vordergrund gerückt wird. Und in England ist das eben noch anders.
Tsp: Hat das mit einer anderen Fußball-Ethik zu tun?
FM: So ist es. Da fällt mir eine Szene ein: Ich war irgendwann mal ohne Job, da war ich in England und habe mir das Spiel Leeds gegen Liverpool angeschaut. Da war gerade der Kalle Riedle von Dortmund nach Liverpool gewechselt. Irgendwo im Mittelfeld kommt ein so genannter Mörderball, Riedle und sein Gegenspieler gehen hin. Der Gegner geht mit der Sohle voll rein, und Riedle, der das nicht gewohnt ist, wird getroffen, fällt um. Er will liegen bleiben. Aber dann fällt ihm auf einmal ein: Hoppla, ich spiele ja nicht mehr in der Bundesliga. Er steht auf und macht weiter. Wunderbar!
Tsp: Warum ist das nicht auf Deutschland übertragbar?
FM: Hier haben die Schiedsrichter zu viel und die Trainer zu wenig Einfluss. Es traut sich doch keiner mehr, richtig in einen Zweikampf zu gehen, weil sofort alles abgepfiffen wird. Wenn solche Entwicklungen besprochen werden, fragt der Verband bei allen nach: bei den Schiedsrichtern, den Vorsitzenden der Klubs, den Managern – nur nicht bei uns Trainern.
Tsp: Das betrifft auch den Konföderationen-Pokal, bei dem Sie mit Jürgen Klinsmann über Kreuz liegen. Sie befürchten eine zu starke Belastung Ihrer Spieler.
FM: Das hat nichts mit einem Streit zwischen mir und Klinsmann zu tun. Nach der WM 2002, als Klinsmann noch in Kalifornien unter der Sonne lag, habe ich gesagt: Wenn ein Spieler von 2004 bis 2006 jedes Jahr im Sommer im Einsatz ist und danach nicht genug Zeit zur Regeneration hat, dann kann er nach dieser Tortur bei der WM 2006 keine Höchstleistung bringen. Ein junger Spieler vielleicht, aber die meisten nicht. Wir hatten Trainersitzungen zu diesem Thema. Aber uns fragt niemand.

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

110 queries. 0,443 seconds.