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Confed-Cup

Mehr Höflichkeit ist nicht möglich

Oliver Fritsch | Donnerstag, 23. Juni 2005 Kommentare deaktiviert für Mehr Höflichkeit ist nicht möglich

Christian Zaschke (SZ 23.6.) ist eingenommen von der Argentiniern – auf und neben dem Spielfeld: „Verglichen mit den aktuellen argentinischen Nationalspielern muss man sich einen englischen Gentleman als ungehobelten Klotz vorstellen. Das Land muss seine höflichsten Bürger zu Fußballern ausgebildet haben, anders ist das Auftreten der Mannschaft kaum zu erklären. Zuvorkommend, geduldig und immer mit einem freundlichen Wort für den Gegner waren die Argentinier auch am Dienstagabend unterwegs. Als Meister der Höflichkeit erwies sich Juan Riquelme, der bester Mann auf dem Platz gewesen war. Der Argentinier sagte: „Deutschland ist eine großartige Mannschaft, die auf den Platz geht und weiß, was zu tun ist. Deshalb sind wir sehr stolz, dass wir gegen sie ein gutes Spiel abgeliefert haben.“ Solche Worte von einem der besten Mittelfeldspieler der Welt, von einem, der auf den Platz geht und tatsächlich weiß, was zu tun ist – mehr Höflichkeit ist nicht möglich. (…) Das vielleicht Interessanteste an den Lobeshymnen auf die Deutschen ist jedoch: Man streiche in ihnen das Wort Deutschland und ersetze es durch Argentinien, und alle Sätze bleiben wahr. Die Argentinier verfügen über eine junge Mannschaft, die sich um ihr Zentrum Riquelme organisiert. Sie ist physisch und taktisch stark, vor allen Dingen ist sie noch längst nicht ausgereift.“

Vorbild sein

Die Pekerman-Schule, im PISA-Test des Fußballs ganz weit vorne – eine sehr lesenswerte Evaluation von Ruedi Leuthold (Zeit 23.6.): „Pekerman hat den Argentiniern eine neue Spielkultur beigebracht. Bescheidenheit und Solidarität statt dreckigen Spiels und übersteigerten Machogehabes. Mit diesen Tugenden kommen die Argentinier den Brasilianern im ewigen Nachbarstreit um die regionale Vormachtstellung wieder sehr nahe. Er versucht, die Tugenden der beiden großen und verfeindeten argentinischen WM-Trainer zu versöhnen: den ästhetischen Fußball des Cesar Menotti, den kämpferischen Fleißfußball von Carlos Bilardo. (…) Neulich traf die gute Gruppe auf die brasilianische Nationalmannschaft. Die Argentinier legten los wie unter Strom, in der Pause führten sie mit 3:0, und in Brasilien gestand Staatspräsident Lula wenig später: Das war meine schlimmste Stunde. Er sagte das in einem Moment, als in der Hauptstadt Brasília ein Korruptionsskandal ausgebrochen war, der seine eigene Partei betraf und seine Regierung bedrohte. Was ihn aber tatsächlich beunruhigte, war der Erfolg des traditionellen Rivalen um die lokale Vorherrschaft. Natürlich weiß er auch, dass Fußballspiele mehr bedeuten als sportliches Glück. Argentinien, gebeutelt von einer schweren Wirtschafskrise, Folge von Schuldenwirtschaft und Korruption, ist dabei, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Und wie schon zu Zeiten des Niedergangs, als Maradona mit seinen Drogenskandalen die moralische Krise des Landes verkörperte, spiegelt der Fußball den Zeitenwechsel. In der südamerikanischen WM-Qualifikation spielte und gewann Pekerman manchmal mit völlig verschiedenen Teams. Jeder Spieler weiß, worum es geht. Erstens: Fußball spielen. Zweitens: Vorbild sein in einem Land, das nach einer schweren Krise das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zurückgewinnen will. Brasilien ist gewarnt.“

FR-Bericht Tunesien-Australien (2:0)

FAZ-Bericht Tunesien-Australien (2:0)

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