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Interview

Man muß dahin, wo die Musik spielt

Oliver Fritsch | Dienstag, 2. August 2005 Kommentare deaktiviert für Man muß dahin, wo die Musik spielt

Uli Hoeneß mit Lars Gartenschläger & Armin Grasmuck (WamS 31.7.)
WamS: Konnten Sie Klinsmann inzwischen dazu bewegen, seinen Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen?
UH: Ich habe einmal gesagt, daß ich es besser finden würde, wenn er zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Deutschland kommt. Aber wenn Jürgen meint, er muß dort bleiben – bitte sehr. Ich bin Demokrat genug, um dies zu akzeptieren.
WamS: Das beherrschende Thema der nächsten Monate wird die Vergabe der Bundesliga-Fernsehrechte für die Zeit nach 2006 sein. Wird der FC Bayern, der gern betont, immer auch an das Gemeinwohl zu denken, in dieser Sache nun aggressiver seine eigenen Positionen vertreten?
UH: Zunächst müssen wir alle gemeinsam versuchen, daß wir mehr Geld bekommen, dann können wir über die Verteilung reden. Niemand soll denken, daß wir gefräßig sind, aber wenn wir alle mittelfristig international konkurrenzfähig bleiben wollen, dann brauchen wir mehr Geld.
WamS: Und der FC Bayern pocht auf den Löwenanteil?
UH: Nicht nur der FC Bayern. Die großen Vereine, die international tätig sind. Denn nur ihretwegen gibt es mehr Geld.
WamS: Können Sie sich wirklich vorstellen, daß es keine Sportschau mehr gibt? Oder daß der FC Bayern um zwölf Uhr mittags gegen Schalke spielt?
UH: Ich bin nicht dafür, daß der Fußball nicht mehr für alle zugänglich ist. Aber ich bin dafür, daß wir exklusive Bereiche für Premiere schaffen. Und was die Mittagsspiele betrifft: Wenn es uns helfen sollte, auf dem asiatischen Markt dadurch Geld zu generieren, muß man sicher darüber nachdenken. Aber ich halte es für Schwachsinn, um diese Zeit zu spielen, nur weil es die Engländer auch tun. Da müssen knallhart Fakten auf den Tisch. Und wenn der Chinese oder Japaner dafür richtig viel Geld zahlt, dann muß man reagieren.
WamS: Was den asiatischen Markt betrifft, so hat der FC Bayern mit der Japan-Reise in der vergangenen Woche wieder einmal die Vorreiterrolle übernommen. Warum tut sich die DFL bei der Akquise so schwer?
UH: Wenn man überlegt, daß die Premier League ständig eigene Leute drüben hat, und bei uns sitzt man daheim in Frankfurt in der Zentrale, wird klar: Wir müssen aktiver werden. Meinen Sie, wir sind gern elfeinhalb Stunden nach Tokio geflogen und wieder zurück? Die Dinge regeln sich eben nicht aus dem Sessel heraus. Man muß dahin, wo die Musik spielt.

Klinsmann kann sich bei der Bundesliga bedanken

Karl-Heinz Rummenigge mit Michael Ashelm (FAS 31.7.)
FAS: Muß sich die Bundesliga nachträglich bei Jürgen Klinsmann bedanken, daß er durch das respektable Abschneiden der Nationalmannschaft beim Confederations Cup für eine positive Grundstimmung in Fußball-Deutschland gesorgt hat und damit auch den Klubs weiterhilft?
KHR: Ich würde eher umgekehrt sagen: Klinsmann kann sich bei der Bundesliga bedanken. Die sportlichen Rahmenbedingungen werden durch die Bundesliga geschaffen – und Klinsmann macht einen guten Job.
FAS: Aber mit Schweinsteiger und Deisler haben auch zwei Ihrer jüngeren Spieler vom FC Bayern durch die Nationalelf neuen Aufwind bekommen.
KHR: Trotzdem wird es für die Nationalmannschaft demnächst schwerer als beim Confed Cup.
FAS: Sie sind aber kein Optimist?
KHR: Ich bin Realist. Die individuelle Klasse der Nationalmannschaft speziell in der Defensive ist ganz einfach nicht so, daß man zu Optimismus neigen sollte.
FAS: Da hört man doch wieder die kritische Einstellung der mächtigen Bayern gegenüber der Nationalelf durch.
KHR: Wenn man uns in Ruhe arbeiten läßt und keine überflüssigen Kommentare kommen, dann sind wir immer harmoniebereit.
FAS: Sehen Sie denn Streitpotential in dieser WM-Saison?
KHR: Es gibt keinen Klub in Deutschland, der in den vergangenen Jahrzehnten die Nationalmannschaft mehr unterstützt hat als den FC Bayern. Wir haben nicht zufällig viele, viele Spieler abgestellt. Wir werden auch Klinsmann unterstützen, weil wir interessiert sind, daß Deutschland eine erfolgreiche WM spielt. Aber man soll uns in Ruhe Fußball spielen lassen und nicht einem Herrn Deisler zum Vereinswechsel raten, weil er zweimal nicht gespielt hat.
FAS: Sind trotzdem nicht die Bundesligaklubs in der Bringschuld, nachdem die Nationalelf eine schöne Steilvorlage gegeben hat?
KHR: Das ist eine Interessensbetrachtung. Es gibt keine Bringschuld unsererseits. Ich sage Ihnen, daß die Bundesliga mehr Einfluß hat als der DFB. Das wirtschaftliche Risiko wird von uns getragen und nicht vom DFB. Ein Schweinsteiger ist vom FC Bayern und nicht vom DFB ausgebildet worden. Die Bundesliga ist eine ganz lebendige Veranstaltung.

Selbst wenn allen alles gelingt, müssen drei absteigen

Heribert Bruchhagen im FR-Interview Teil 1 Teil 2 (1.8.)
FR: Zuletzt wird immer häufiger behauptet, dass man als Bundesliga-Manager mehr ins Risiko gehen muss, um Erfolg zu haben. Sehen Sie das auch so?
HB: Der Kollege, der das gesagt hat, hat vollständig recht. Der Philosophie, nur so viel auszugeben, wie man einnimmt, lässt sich nur eine gewisse Zeit lang folgen. Dann wird der Druck, sei es aus Öffentlichkeit, Medien oder den eigenen Reihen, immer größer. Die Bundesliga hat sich in den letzten Jahren sukzessive mit 600 Millionen Euro verschuldet. Das muss ja einen Grund haben.
FR: Das heißt, Eintracht Frankfurt wird dieses Jahr richtig ins Risiko gehen?
HB: Nein. Aber es wird so kommen.
FR: Sie werden also mehr ausgeben als Sie einnehmen?
HB: In Zukunft vielleicht. Wir sind mit dem Amanatidis-Transfer über unsere Grenzen gegangen. Wir haben den Aufsichtsrat um eine Erweiterung des Budgets von einer Million Euro gebeten. Durch die Huggel- und Amanatidis-Transfers sind wir etwas über unsere Planungen hinaus gegangen. Aber wir sind doch nur Getriebene, wir in der Branche sind vollständig fremdbestimmt durch die überzogene Erwartung. Alle stecken ihre Ziele doch zu hoch. Keiner sagt, er will 18. werden. Aber nur vier oder fünf der achtzehn können ihr Ziel erreichen, selbst wenn allen alles gelingt, müssen drei absteigen.
FR: Wie kommt man da raus aus dem Teufelskreis?
HB: Das weiß ich nicht. Wir bei Eintracht Frankfurt haben in den vergangenen Jahren weniger ausgeben als eingenommen. Wenn wir uns in der Bundesliga etablieren, was unser Ziel ist, wird dieser Mechanismus greifen: Es heißt schnell: Das haben sie zwar ganz gut gemacht, aber jetzt müssen sie angreifen. Jetzt muss ein Trapattoni her. Einer mit mehr Pep. Da können Sie die Uhr nach stellen.
FR: Was halten Sie davon, etwa wie es der Mitaufsteiger 1. FC Köln macht, Wertpapiere auszugeben oder Anleihen zu nehmen? Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, Geld zu generieren?
HB: Eintracht Frankfurt könnte leicht in London eine Anleihe nehmen. Ich könnte 40 Millionen generieren, in dem ich die ersten 30 Prozent unserer Zuschauereinnahmen abtrete. Wir werden es nur nicht machen.
FR: Warum nicht?
HB: Weil ich nicht kommenden Verantwortlichen des Klubs trojanische Pferde in den Garten stellen will. Schauen Sie: Jetzt leihe ich mir in London 30 Millionen, hole gute, teure Leute, das Gehaltsgefüge insgesamt steigt. Dann muss ich die 30 Millionen durch Zins bedienen. Nach drei Jahren laufen die Verträge mit den Spielern aus, das frische Geld ist weg und dann? Dann muss ich versuchen, neues Geld zu beschaffen. Sie kennen das doch, wie schnell Unternehmen ins Trudeln geraten können. Dieser Vorgriff auf kommende Einnahmen funktioniert im Grunde nur, wenn ich in die zweite Phase in der Champions League komme. Aber das schaffen eben nicht alle Vereine. (…) Etablierte Bundesligaspieler, die auf Anhieb gespielt hätten, die kriegen wir gar nicht. An dem Tag des Aufstiegs gibt es keinen guten Fußballspieler mehr, der nicht unter Vertrag steht. Ich habe nicht gewusst, dass er auf dem Markt war. Diesen Schuh muss ich mir anziehen, darüber habe ich mich sehr geärgert. So etwas darf uns künftig nicht mehr passieren. (…)
FR: Hat man als Vorstandsvorsitzender die Chance der Einflussnahme?
HB: Ich weiß, auf was Sie hinaus wollen. Als wir damals, Oktober 2004, in der Krise steckten, da kam die Forderung aus dem Aufsichtsrat, ich müsse eine Brandrede vor der Mannschaft halten. Das ist völliger Unfug. Ich war ja auch mal Trainer, sechs Jahre in Gütersloh. Da habe ich damals zu meinen Präsidenten gesagt: „Bevor du ein einziges Mal die Kabine betrittst und eine Fensterrede hältst, entlasse mich bitte zehn Minuten vorher. Wenn du es nicht machst, dann schmeiße ich dich so achtkantig raus, dass es nur so rauscht.“ Ich spreche mit den Spielern niemals über Sport, und ich werde niemals in der Kabine eine dieser Brandreden halten. Das sehe ich als Autoritätsverlust des Trainers an. Und da ist, da muss man ehrlich sein, doch auch immer ein bisschen Wichtigtuerei dabei.
FR: Aber wenn Calmund früher in Leverkusen…
HB: …ach, hören Sie doch auf. Glauben Sie denn im Ernst, wenn der dicke Calmund in der Kabine steht und mit seinem Dialekt da zur Mannschaft spricht, dass das auch nur das Geringste bewegt hat? Und das Allerschlimmste ist der berühmte Runde Tisch, der dient nur dazu, um Menschen zu verletzten und jegliches Vertrauen ineinander zu zerstören.

FAS-Interview mit Heribert Bruchhagen

Welt-Interview mit Valérien Ismael
FAZ-Interview mit Jürgen Jansen

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