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Interview

Das Wort Viererkette existiert nur in Deutschland

Oliver Fritsch | Samstag, 3. September 2005 Kommentare deaktiviert für Das Wort Viererkette existiert nur in Deutschland

Sehr aufschlussreich! Jens Lehmann mit Matti Lieske & Andreas Lesch (BLZ 3.9.)
BLZ: Sie haben 1998 in der Nationalmannschaft debütiert. Was war damals anders als heute?
JL: Damals gab es die Diskussion, die Viererkette einzuführen. Dieses Wort existiert nur in Deutschland. Das gibt es eigentlich gar nicht. Es gibt Systeme, 4-4-2, 4-3-3, 3-5-2. Eine Viererkette kann man isoliert nicht ernsthaft spielen.
BLZ: Das ist ein deutsches Problem?
JL: Praktisch gesehen spielen manche Mannschaften immer noch mit Libero. Die Mannschaften in der Bundesliga haben zwar keine Liberos, die spielen gegen den Mann. Aber wenn man die Bewegungen der Verteidiger sieht, ist es, als würde man noch mit Libero spielen. Viele rennen viel zu früh nach hinten und lösen damit den ganzen Verbund auf.
BLZ: Woran liegt das?
JL: Das genau zu sagen, ist schwer. Viele Trainer haben selbst nur mit Libero gespielt. Da ein anderes System zu vermitteln, das braucht viel Zeit.
BLZ: Immerhin gibt es Trainer, die es versuchen, wie Ralf Rangnick.
JL: Rangnick war zwei, drei Mal bei uns bei Arsenal im Trainingslager und hat sich die Vorbereitungszeit angeschaut. Ich hatte die Möglichkeit, mich mit ihm zu unterhalten und hatte dabei auch den Eindruck, dass er ein großer Fußballfachmann ist.
BLZ: Wird das Umschalten vom Angriff auf die Abwehr in Deutschland zu wenig trainiert?
JL: Aus meiner Erfahrung heraus wird im Ausland mehr an diesem taktischen System gearbeitet. Als Spieler in der Bundesliga ist man das nicht so gewohnt. (…) Das ist vielleicht vergleichbar mit der Pisa-Studie, als gesagt wurde, die deutschen Schüler können qualitativ nicht mit manchen Ländern mithalten. Aber vielleicht liegt’s ja auch an den Lehrern. Was ich im Fußball an taktischem Verhalten gelernt habe, das habe ich leider zum großen Teil im Ausland gelernt.
BLZ: Wie lange dauert es, bis ein Nationalteam das lernt?
JL: Ich hoffe, bei uns bis zur WM. Wir haben uns schon stark verbessert.
BLZ: Kann man in einer Nationalmannschaft umsetzen, was in den Vereinen nicht umgesetzt wird?
JL: Das ist schwierig. Deshalb warne ich davor, Leute wie Robert Huth einfach in eine Ecke zu stellen und vorzuverurteilen. Denn Robert spielt bei Chelsea, das ist im Moment mit die abwehrstärkste Mannschaft in Europa. Die stehen viel hinten drin und haben zwei Reihen. Da lernt er mehr in vielleicht zwanzig Spielen, die er macht, als in vierzig Spielen, die er in der Bundesliga machen würde.
BLZ: Sie haben oft in Mannschaften gespielt, die taktisch stark waren, schon 1998 beim AC Mailand.
JL: Das war damals eine völlig neue Welt. In Deutschland hatte ich im Training Technik, Disziplin, dazu viel Passspiel unter Huub Stevens – was ich schon enorm gut fand. In Italien kam auf einmal tägliches Taktiktraining dazu: Wenn der so läuft, musst du so laufen. Wenn wir so angreifen, verhalten wir uns so. Das wurde täglich geübt, auch im Training. In Deutschland hatte ich das nicht erlebt.
BLZ: Und in England?
JL: Trainieren wir fast täglich, spielnah, mit Abseits, mit Verschieben, mit dem Aufeinander-Abstimmen der Mittelfeldreihe mit den Verteidigern und den Stürmern. Das sind Riesenunterschiede, zumal man mit guten Spielern trainiert, die das von Kindheit an gespielt haben. Das erweitert den Horizont.

Der Herausforderer muß mehr Akzente setzen

Andreas Köpke mit Michael Horeni (FAZ 3.9.)
FAZ: Bei der WM 1994 war Bodo Illgner im Tor, vier Jahre später in Frankreich Sie. Aber im nachhinein war es wohl ein Fehler, auf die arrivierten Torhüter zu setzen und nicht 1994 auf Sie und 1998 auf Oliver Kahn. Woher kommt diese Scheu vor dem Wechsel, warum tut man sich so schwer, einen Torhüter mit Verdiensten zu kippen?
AK: Das ist eine sehr gute Frage. Es ist wirklich die Frage, ob diese Scheu etwas damit zu tun hat, daß der arrivierte Torhüter natürlich mehr Erfolge vorzuweisen hat, weil er schon länger spielt. Ich glaube aber, es hat vor allem etwas damit zu tun, daß die Herausforderer dann doch nicht so erkennbar stärker sind. Sie waren nicht so stark, daß der Wechsel zwingend erschien. Wir aber werden am Ende die Leistungen von Oliver Kahn und Jens Lehmann objektiv beurteilen. Und zwar so, wie sie wirklich gewesen sind – und dann versuchen wir auch die richtige Entscheidung zu treffen.
FAZ: Also wie beim Duell im Boxen: Der Herausforderer muß mehr Punkte machen, bei Punktgleichheit siegt der Titelverteidiger?
AK: Der Herausforderer muß mehr Akzente setzen. Er muß aber auch das Glück haben, wirklich Spiele zu haben, in denen er sich echt auszeichnen kann – und dieses Quentchen Glück können weder die Torhüter noch die Trainer beeinflussen.

Tsp: Das deutsche Team will den dürftigen Auftritt in Holland vergessen machen
SZ: Das Länderspiel gegen die Slowakei ist als Start in eine neue Phase der WM-Vorbereitung zu sehen – es geht um die 23 Kaderplätze
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