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Internationaler Fußball

Romanow, der kleine Abromowitsch

Oliver Fritsch | Freitag, 21. Oktober 2005 Kommentare deaktiviert für Romanow, der kleine Abromowitsch

Ein weiterer Milliardär aus der ehemaligen Sowjetunion investiert in den britischen Fußball – und erlangt die Aufmerksamkeit der deutschen Presse: Wladimir Romanow, ein russischstämmiger Litauer und Millionär, hat 2004 die Hearts of Midlothian aus Edinburgh übernommen, die inzwischen auf Platz 1 der schottischen Premier League stehen. Drei Aspekte scheinen Romanow von Roman Abramowitschs vom FC Chelsea zu unterscheiden: Erstens erreicht Romanow sportlich einen anderen Effekt Abramowitsch, dessen Verein Chelsea die englische Konkurrenz zum Applaudieren verurteilt; die Hearts können nämlich die 20 Jahre anhaltende Herrschaft der zwei Glasgower Klubs Celtic und Rangers durchbrechen und die schottische Liga und den schottischen Fußball aufwerten. Zweitens äußert sich Romanow in der Öffentlichkeit, Abramowitsch gibt (fast) keine Interviews. Drittens wirkt Romanows Engagement fußballverwandter und traditionsbewusster, Abramowitsch hat das Image eines Emporkömmlings, der ein neues Spielzeug, einen Fußballklub, gefunden hat.

Pflege der Tradition

Christian Eichler (FAZ) beschreibt das Prestige Romanows: „Kein Wunder, daß die Herzen dem 58jährigen Litauer zufliegen. Ticketverkäufe schlagen alle Rekorde. Fußball in Edinburgh ist plötzlich in. Dabei sind die Hearts aber keine gekaufte Mannschaft, kein ‚Chelsea light’: im Kern bewährte Schotten, dazu ‚Bosmans’, Spieler ohne Ablöse; schließlich Leihkräfte. Was Romanow bisher an Transfersummen sparte, steckte er in die Gehälter, bei denen die Hearts nun mit Celtic und Rangers konkurrieren können. Das hat Überzeugungskraft auf Profis aus großen europäischen Ligen. (…) Romanow besitzt daheim den FBK Kaunas, zuletzt fünfmal in Serie litauischer Meister. Auch an MTZ-Ripo Minsk in Weißrußland ist er beteiligt. Doch das Herz gehört den Hearts, wo er auf dem Weg zum schottischen Befreiungshelden ist. Nicht nur der neue Erfolg des Teams, auch die Pflege der Tradition des 131 Jahre alten Klubs, dessen klangvoller Name auf ein früheres Tanzlokal zurückgeht, macht ihn zu Volkes Liebling. So verhinderte er den geplanten Umzug vom traditionellen Tynecastle in einen Stadionneubau.“

Nennen Sie mir einen, der sein Geld für etwas Sinnvolles ausgibt

Wilhelm Kötting (Horizont/Sport/Business) lenkt den Blick auf Kosten und Risiko: „Selbst wenn es Romanow gelingen sollte, die Dominanz der beiden Glasgower Clubs zu brechen, stellt sich die Frage, wie groß sein Erfolg sein wird. Im Ausland ist der schottische Fußball kaum bekannt, die Einnahmen der Clubs hinken weit denen ihrer englischen Kollegen hinterher. (…) Romanow ist bislang zufrieden: ‚Es gibt so viele reiche Geschäftsleute auf der Welt – mehr als auf eine Liste passen. Aber nennen Sie mir einen, der sein Geld für etwas Sinnvolles ausgibt. Ich habe mein Herz halt an die Hearts verloren.’ Und wahrscheinlich auch einen Teil seines Geldes, denn alle zwölf Vereine der schottischen Premier League machen derzeit Verlust – inklusive der großen Rivalen aus Glasgow.“

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