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Ball und Buchstabe

Wir haben zu lange darüber diskutiert, ob wir ein Einwanderungsland sind

Oliver Fritsch | Donnerstag, 17. November 2005 Kommentare deaktiviert für Wir haben zu lange darüber diskutiert, ob wir ein Einwanderungsland sind

Sehr lesenswert! Europa-Abgeordneter Cem Özdemir fordert in einem FAZ-Interview mehr Integration im deutschen Fußball und kritisiert die Lethargie der Deutschen, wenn Fußballer, die hier aufgewachsen sind, für eine andere Nationalmannschaft spielen: „Es schmerzt mich, daß die zweite Generation, also meine eigene, und auch die folgende sich im Fußball gegen Deutschland entscheiden. Das gilt nicht nur für die Türken, bei Ivan Klasnic ist das ebenso. Ich wundere mich, daß dies in Deutschland achselzuckend hingenommen wird. Es wäre ein Grund für eine nationale Diskussion darüber, was eigentlich falsch läuft, wenn sich eine ganze Generation überwiegend gegen Deutschland entscheidet. Ich meine das gar nicht einseitig. Natürlich haben wir das Staatsbürgerschaftsrecht viel zu spät reformiert. Wir haben auch zu lange darüber diskutiert, ob wir ein Einwanderungsland sind oder nicht – und haben darüber vergessen, die praktischen Probleme zu lösen. Es geht aber auch darum, daß manche Spieler nicht ihrer Vorbildfunktion nachkommen. Wenn sich die ersten Spieler türkischer oder kroatischer Herkunft für die deutsche Nationalmannschaft entscheiden und dort erfolgreich spielen, hat das auch eine positive Signalwirkung in die deutsche Mehrheitsgesellschaft hinein. Man würde verstehen, daß die Menschen mit Migrationshintergrund etwas für Deutschland leisten. Und damit veränderten sie auch das Gesicht Deutschlands positiv. Es wäre eine Botschaft an Migranten-Jugendliche: Das ist auch euer Land, ihr gehört dazu. (…) Türkischstämmige Nationalspieler können helfen, daß sich das Bild des Deutschen im In- und Ausland wandelt. Der moderne und erfolgreiche Deutsche des 21. Jahrhunderts kann Hamit oder Ahmet heißen – und ein guter Deutscher sein, ohne daß dabei einem Türkischstämmigen oder Deutschstämmigen ein Zacken aus der Krone fällt. In der Wirtschaft, in der Musik, beim Film und in der Politik haben wir das schon – nur im Fußball haben wir das noch nicht geschafft. Das ist angesichts der Fußballbegeisterung dieser Jugendlichen ein Witz. (…) Mein Herz schlägt für Klinsi. Schließlich ist er Schwabe.“

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