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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Zynisch

Oliver Fritsch | Samstag, 17. Dezember 2005 Kommentare deaktiviert für Zynisch

Das Frankfurter Landgericht erklärt einen Teil des WM-Ticketings für rechtswidrig. Christoph Albrecht-Heider (FR/Seite 3) stimmt zu und rüffelt den DFB: „Ohrfeige fürs Organisationskomitee – Der DFB muss vom hohen Ross steigen. Er besaß die Unverfrorenheit, sich Ware bezahlen zu lassen, obwohl sie möglicherweise nie geliefert wird. Es entscheidet sich ja erst kurz vor Beginn der WM, ob der Käufer eines Optionstickets überhaupt ein Spiel sieht. Für den Fall, dass er leer ausgeht, hätte er den WM-Organisatoren damit für ein gutes Dreivierteljahr ein zinsloses Darlehen gewährt. Den lapidaren Hinweis des DFB, die Fans hätten die Konditionen akzeptiert und Tickets erworben, kann man als zynisch verstehen.“

FR: Hintergrund

Symbolpolitik

Thomas Kistner (SZ/Meinungsseite) hält nicht viel davon, den Iran von der WM auszuschließen: „Der Sportboykott bleibt eine stumpfe Waffe, sofern er nicht Teil politischer und wirtschaftlicher Sanktionen ist. Reine Symbolpolitik wie ein WM-Ausschluss kommt vor allem der jeweiligen Tyrannei zupass, die ja nicht substanziell geschwächt, in ihrem Verschwörungswahn aber noch befeuert wird. Der Fifa bleibt eine andere Möglichkeit:. Sollte es iranischen Fußballern wirklich verboten sein, gegen israelische Spieler anzutreten, wäre das zu sanktionieren. Nicht auf Druck der Weltpolitik, sondern aus elementaren Interessen des Sports.“

Wie kriegen wir die Leute im Iran dazu, ihn fortzujagen?

Daniel Cohn-Bendit (MdEP) im Interview mit Peter Unfried (taz) über seine Forderung, den Iran die Teilnahme an der WM zu verbieten
taz: Sie wollen den Iran von der WM ausschließen, weil Präsident Mahmud Ahmadinedschad den Holocaust leugnet und zum vom Westen ‚erfundenen Märchen’ erklärt. Was soll das bringen?
DCB: Hören Sie! Dass Politiker sagen, sie seien entsetzt und schockiert, das ist doch ein Ritual, aus dem nichts folgt. Dieser Mann ist der gewählte Präsident. Die Frage ist: Wie kriegen wir die Leute im Iran dazu, ihn fortzujagen?
taz: Indem Sie den Menschen im Iran die WM wegnehmen?
DCB: Das Argument ist richtig, dass man damit die Menschen bestraft. Das ist immer ein Problem, auch bei einem Wirtschaftsembargo. Man muss aber sehen, dass Ahmadinedschad erst vor kurzem mit satter Mehrheit gewählt wurde. Nehmen Sie die Olympischen Spiele 1936, die man in Deutschland stattfinden ließ und nicht boykottierte. Was konnte das arme deutsche Volk dafür, dass Hitler da war?
taz: Ahmadinedschad ist nicht Hitler.
DCB: Er spricht wie Hitler. Was er sagt, das sind Nazi-Parolen. Es geht darum, den Iranern klar zu machen, dass nicht wir sie isolieren, sondern dass ihr Präsident sie von der Welt isoliert.
taz: Für den Parteikollegen Omid Nouripur ist Sport ein ‚Element der Moderne mit Potenzial für einen Protest gegen das Regime’ – und Ihr Vorschlag damit kontraproduktiv.
DCB: Das kann man so und so sehen. Jugoslawien wurde 1992 von der EM ausgeschlossen. Als die Linke 1978 einen Boykott der WM in Argentinien forderte, wurde anders entschieden. Ich will, dass alle Leute, die jetzt sagen, dass das auf keinen Fall geht, nachdenken, was man eigentlich will. Und was kommen könnte.
taz: Was denn?
DCB: Stellen Sie sich vor, Ahmadinedschad sagt, er will das Spiel gegen Mexiko in Nürnberg besuchen – und das Reichsparteitagsgelände. Was macht dann die Bundesregierung? Ihm einen Empfang bereiten wie 1967 dem Schah? (…)
taz: Noch ein Gegenargument: Sie bestrafen die Fortschrittlichen im Iran, die Fußballer und Fußballinteressierten.
DCB: Das stimmt. Deswegen hoffe ich, dass sie sich zur Wehr setzen. Und zwar gegen Ahmadinedschad. Ein Impeachment des Präsidenten ist verfassungsrechtlich möglich, und der Ausschluss wäre hinfällig.
taz: Was tun, wenn der Ausschluss nicht durchsetzbar ist?
DCB: Am besten wäre es, ein Fußballspiel Iran gegen Israel anzusetzen. Mit Hin- und Rückspiel. Die Iraner müssten in diesem Fall die Fahne, die Hymne und damit die Realität der israelischen Existenz fußballerisch und damit real anerkennen.
zaz: Sie sind besessen vom Fußball?
DCB: Ich erkenne nur seine Relevanz für viele Menschen. Fußball ist die reale Welt.

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