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Kommt eine Lawine ins Rollen?

Oliver Fritsch | Donnerstag, 16. März 2006 Kommentare deaktiviert für Kommt eine Lawine ins Rollen?

Exklusiv meldet die Stuttgarter Zeitung heute, daß Premiere und die Telekom ihre Zusammenarbeit im Pay-TV forcierten und daß ein solches Abkommen den im Dezember geschlossenen TV-Vertrag gefährde: „Nach StZ-Informationen wird zurzeit ein spektakulärer Gegenentwurf zur Taktik und Aufstellung von Arena vorbereitet. Demnach ist eine Kooperation zwischen dem vermeintlich leer ausgegangenen und vor einer ungewissen Zukunft stehenden Pay-TV-Sender Premiere und der Telekom bereits so gut wie sicher – und zwar nicht im Hinblick auf Zweit- oder Drittverwertungsmöglichkeiten, sondern was Live-Übertragungen im Bezahlfernsehen betrifft. Das wäre ein richtiger Premiere-Konter. Dabei hat sich die Telekom nur die Internetrechte an der Liga gesichert, für gerade einmal 35 Millionen Euro. Wenn Premiere mittels dieser Schiene tatsächlich weiter in etwa so wie bisher über die Bundesligaspiele berichten könnte, wäre das ein Knaller mit noch unvorhersehbaren Folgen. In der DFL ist die Aufregung entsprechend groß. Jeder fragt sich, ob eine so geartete Zusammenarbeit zwischen der Telekom und Premiere vertragsrechtlich und rundfunkrechtlich zulässig ist. Die Leute in der DFL gehen fest davon aus, dass die Antwort nur nein lauten kann. Aus Expertenkreisen ist dennoch zu hören, dass die Abmachung zwischen der Telekom und Premiere bis auf ganz wenige Details schon perfekt sein soll. In diesem Fall würde wohl eine Lawine ins Rollen kommen. Denn für Arena hätte sich die Geschäftsgrundlage total verändert. Ohne Exklusivität und dafür mit Premiere im Nacken dürfte die Bundesliga nicht mehr die gebotenen 240 Millionen wert sein. Die logische Konsequenz wäre, dass Arena seine Rechte zurückgibt und eventuell sogar Schadenersatzansprüche an die DFL stellt. Fachleute sprechen bereits von einem riesigen ‚Stockfehler‘, den der Ligaverband begangen habe – wenn das Vertragswerk eine solche Hintertür für Premiere bieten würde. Vermutlich müssen demnächst Juristen über die Sache befinden.“

Goldgräbermentalität

Matti Lieske (BLZ) hält die Zensuren, die die DFL den Profivereinen im Wirtschaften gibt, für zu gut: „Der Schock über den Sturz des BVB ist überwunden, Kirch ist Vergangenheit. Gegenwart ist ein Fernsehvertrag, der die Goldgräbermentalität fördert. Man wolle darauf hinwirken, dass die um 40 Prozent höheren TV-Einnahmen nicht komplett in Spieler investiert würden, sagt DFL-Geschäftsführer Christian Müller. Genauso gut könnte er versuchen, dem Papst das Beten zu untersagen. Wer oben bleiben will, kauft, was er kriegen kann. Während bei Borussia Dortmund und Hertha BSC nach schwierigen Umschuldungsverhandlungen noch eine gewisse Vorsicht herrscht, sehen sich die anderen Schuldenkrösusse in ihrem risikoreichen Vorgehen bestätigt. Beim Hamburger SV plant man bis 2015 fröhlich ein jährliches Wachstum von sieben Prozent ein, sportliche Krisen sind nicht vorgesehen. Bei Schalke 04, mit gewaltigen 112,8 Millionen Euro in der Kreide, feiert man sich für einen Jahresgewinn von 1,2 Millionen Euro. 22 Millionen betragen die Einnahmen aus Champions League und Uefa-Cup. Besser lässt sich nicht verdeutlichen, auf welch schmalem Grat gewandelt wird. Erfolg ist Pflicht, bleibt er eine Weile aus, siehe Dortmund, geht es steil bergab. Kein Wunder, dass bei der mit über 35 Millionen verschuldeten Hertha helle Panik ausbrach, als sich das Team zuletzt nach einer Niederlagenserie der Abstiegszone näherte.“

Das gröbste Foul

Nürnberg nennt sein Frankenstadion nach einem Sponsoren; die FAZ (Wirtschaft) vertritt die reine Lehre der Stadionnomenklatur: „Aller Gegnerschaft auf der Tribüne zum Trotz sind sich die Fans hier einig: Gekickt wird im Hamburger Volksparkstadion und nicht in der AOL-Arena, auf der Bielefelder Alm und nicht in der Schüco-Arena, im Dortmunder Westfalenstadion und nicht im Signal Iduna Park. Wer ob dieser Arena-Seuche das Gefühl hatte, Sport und Kommerz seien untrennbar miteinander verbunden und die Untergrenze des guten Geschmacks sei mit der Umbenennung des Spielfeldes auf Schalke in Veltins-Arena erreicht, wird nun eines Besseren belehrt: Die Nürnberger haben ihren Spielplatz doch tatsächlich in Easycredit-Stadion umgetauft. Der Kampf um den Klassenerhalt im Zeichen eines Ratenkredits! Man will den tapferen Franken und ihrem sympathischen Trainer wahrlich nichts Böses wünschen. Aber mit einem Abstieg bliebe den Anhängern erstklassigen Fußballs wenigstens das gröbste Foul in der Namensgebung erspart.“

Das Streiflicht (SZ) findet das gar nicht so schlecht: „Für einen Menschen, der etwas auf sich hält, war es früher undenkbar, in ein Fußballstadion zu gehen. Abgesehen davon, dass man Gefahr lief, mit Schichtarbeitern und Bierdimpfln in einer Reihe zu stehen, stellte es eine Zumutung dar, Gebäude mit Namen wie Glückauf-Kampfbahn oder Stadion Rote Erde zu betreten. Das roch nach Proletarierschweiß und Abraumhalde, da hätte man ja gleich ein Gewerkschaftsheim aufsuchen können. Gottlob, die Zeiten sind vorbei. Man hat die Spielstätten fit gemacht für die Globalisierung, weshalb sie jetzt nicht nur Veltins-Arena oder Signal Iduna Park heißen, sondern auch über einen Business-Bereich verfügen, der selbst in gehobenen Kreisen als Alternative zur Opernloge gilt. Kürzlich sah es noch so aus, als würden die Nürnberger die Entwicklung verschlafen; aber dann haben sie allen gezeigt, was eine Harke ist. Ihr Frankenstadion firmiert jetzt unter easyCredit-Stadion. Hut ab! Wann spielt der Club wieder zu Hause? Am Samstag, oder? Man kann es kaum erwarten, bis Reporter Günther Koch aus dem Radio tönt: ‚Tooor! Tor im easyCredit-Stadion!‘ Womöglich wird man hören, wie auf den Business-Seats die Sektkorken der leitenden Herren von der Norisbank knallen, die das easyCredit-Geschäft ausbaldowert haben. Übrigens sollte kein Clubfan den fälligen Jubel unterdrücken, nur weil Ängste kursieren, man müsse fortan beim Eintritt ins Stadion einen Kreditvertrag abschließen. Das kommt, wenn überhaupt, erst in der nächsten Saison. Und, mal ehrlich, Geld kann man immer gebrauchen.“

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