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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2006

Haben die Deutschen das nötig?

Oliver Fritsch | Samstag, 18. März 2006 Kommentare deaktiviert für Haben die Deutschen das nötig?

Sehr lesenswert! Wolfgang Roth (SZ/Meinungsseite) stellt den deutschen Anspruch und die deutsche Sehnsucht in Frage, Nummer 1 zu sein: „Warum um alles in der Welt muss eine Nation wie Deutschland unbedingt Weltmeister werden oder bei Olympischen Spielen die meisten Medaillen einheimsen? Sind es nicht die totalitären Staaten, die auf Ausbeutung angelegten Regime, die immer wieder aufs Neue mit sportlichen Erfolgen beweisen müssen, dass ihre Bevölkerung gefälligst stolz und glücklich zu sein habe? Haben die Deutschen das nötig? Nein, das sollten wir eigentlich nicht nötig haben, jetzt, da die DDR und ihre Dopingpraktiken fast schon Geschichte sind. Eine solche Haltung zu vermitteln, wäre die Aufgabe der Politiker. Leider partizipieren sie gern am sportlichen Erfolg und zeigen vermeintliche Volksnähe bis hin zur Lächerlichkeit. (…) Nun wird wieder viel über ‚Psychologie‘ geredet, weil die bekanntlich ein Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs sein kann. Da darf dann der Rückgriff auf Bern nicht fehlen, als ein Weltmeisterteam den Deutschen Stolz und Würde zurückgab. Es ist ein merkwürdiger Vergleich, weil damals eine im Krieg besiegte, zu Recht erniedrigte Bevölkerung in Städten hauste, in denen die Spuren der Bomben noch allgegenwärtig waren, am Rand von Industrierevieren, in denen noch viele Räder stillstanden. Heute müssen die Deutschen sich und anderen nicht mehr viel beweisen, sieht man davon ab, dass sie sich mühsam an jene globalen Änderungen anzupassen haben, die auch ihren Nachbarn zu schaffen machen. Dazu trägt diese Weltmeisterschaft aber so gut wie nichts bei. (…) Erschwerend kommt hinzu, dass es zehntausende Experten für diese Sportart gibt. Die werden dann auch wieder bejammern, dass es in Deutschland keine richtigen ‚Straßenfußballer‘ mehr gebe. Aber mag man allen Ernstes beklagen, dass es die eigenen Kinder besser als andere haben? Dass sie nicht darauf angewiesen sind, sich mit Hilfe des Fußballs aus dem Elend zu lösen und zu Wohlstand zu bringen?“

Dieses Menschenbild widerspricht dem Geist des Grundgesetzes

Auf Seite 1 berichtet heute die taz über die über eine Art Gewissensprüfung der WM-Arbeiter (im taz-Stil: WM-ArbeiterInnen) – ein Kommentar von Bettina Gaus (taz): „Der Vorgang ist grotesk. Aber lustig ist er nicht. Vor allem nicht für die Betroffenen. Das Ergebnis der Überprüfung bekommen nicht sie zu sehen, sondern ihre Arbeitgeber. Sie müssen also um ihren Arbeitsplatz bangen, ohne auch nur den Versuch unternehmen zu können, Vorwürfe zu widerlegen. Da empfiehlt sich Wohlverhalten. Aber was genau ist das? Darf ein Rettungssanitäter eigentlich die Politik von US-Präsident Bush für falsch halten? Eine solche Sicherheitsüberprüfung kann nur jemand gutheißen, der in allen Bürgerinnen und Bürgern zunächst und vor allem Verdächtige sieht. Dieses Menschenbild widerspricht dem Geist des Grundgesetzes. Die Urheber der Pläne sollten auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft werden.“

taz: Alle 250.000 sind verdächtig: Ob Würstchenverkäufer, ob Journalistin – wer bei der WM arbeitet, wird vom Verfassungsschutz durchleuchtet, auf zweifelhafter rechtlicher Grundlage

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