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Nahe Vergangenheit

Oliver Fritsch | Samstag, 15. April 2006 Kommentare deaktiviert für Nahe Vergangenheit

Florian Huber (StZ) gedenkt der Toten von Hillsborough: „Heute weiß man: Die Polizei vor Ort war nie Herr der Lage. Die Liverpool-Fans wurden durch ein einziges enges Tor über einen Tunnel in einen der bereits überfüllten Blöcke geschoben. Das Öffnen eines weiteren Gitters hätte das Unglück verhindern können. Stattdessen drückten die anstehenden Fans diejenigen, die weiter vorne standen, zusammen. Kevin Williams stand ganz vorne. Seitdem sind Stehplätze im Profifußball praktisch abgeschafft. Auch an der Anfield Road. Rund um das Stadion sind heute tausende Fans der ‚Reds‘ unterwegs. Alle tragen sie ihre roten Trikots, doch anders als einem normalen Samstagnachmittag singen und lachen sie nicht. Jeder Fan hat einen Strauß Blumen dabei. An jedem 15. April werden in Liverpool mehr Blumen verkauft als am Valentinstag. Sie landen am heiligen Schrein Liverpools: dem Denkmal für die Opfer der Katastrophe, direkt am Eingang zum Stadion. Wie jedes Jahr sind die Busse dorthin so voll, wie sonst nur an Spieltagen. Eine seltsame, gedrückte Stimmung erfasst die Menschen – 80-Jährigen steht die Trauer genauso ins Gesicht geschrieben wie dem Teenager, der damals noch gar nicht geboren war. Die Geschehnisse der Vergangenheit sind plötzlich greifbar nahe. Wie zum Beispiel in den Kiosken. Dort hängen wieder die Boykottaufrufe gegen das Boulevardblatt The Sun, der englischen Version der Bild-Zeitung. Auch 17 Jahre nach Hillsborough verzeiht kein ‚Liverpudlian‘ die Schlagzeilen direkt nach der Katastrophe. Die Zeitung hatte damals behauptet, dass Liverpool-Fans die Toten bestohlen hätten und die Rettungsarbeiten behindert. Diese Anschuldigungen beruhten jedoch auf den falschen Aussagen eines Polizisten. Wurden vor 17 Jahren im Großraum Liverpool noch täglich 250.000 Ausgaben der Sun verkauft, sind es heute nur 12.000. Viele Zeitungsläden weigern sich strikt, das Boulevardblatt ins Sortiment aufzunehmen.“

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