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Ascheplatz

Herrsche und teile

Oliver Fritsch | Samstag, 13. Mai 2006 Kommentare deaktiviert für Herrsche und teile

Birgit Schönau (SZ) mißt die Tiefe des Moggi-Skandals: „Dass Moggi sich seinen journalistischen Hofstaat hielt, die Spieler zum Schweigen zwang, wann immer es ihn beliebte, und aufsässige Journalisten aus dem Stadion trieb – geschenkt. Es gab so viele andere Kollegen, für die es einer Beförderung gleichkam, wenn der Juve-Generaldirektor sie duzte. Die Schiedsrichter? Haben auch Familie. Die kleineren Klubs, die immer zu kurz kamen? Hofften auf ihren Anteil am Kuchen. Was sind ein paar Elfmeter gegen den Euro-Segen aus den TV-Übertragungsrechten, den Moggi und seine Kompagnons in der Profiliga verteilten? Moggi regierte, wie das in Italien auch noch an ganz anderen Stellen üblich war, nach dem Motto: Divide et impera. Herrsche und teile. Mach‘ den einen ein bisschen Angst, den anderen ein bisschen Hoffnung. Die Regeln galten in der Fußballrepublik ohnehin nur für den, der sie beachten wollte – denn ganz oben regierte der Fußballpräsident Berlusconi, zugleich Eigner des AC Mailand, dessen Parlamentsmehrheit flugs neue Gesetze schaffte, wenn ihm die alten nicht mehr gefielen. Das ist nun vorbei. Und deshalb bedeutet der Sturz des Luciano Moggi nicht nur das Ende einer Ära für Juventus. Sondern für Italien.“

Entzaubert

Oliver Meiler (BLZ) schildert die Enttäuschung der Juve-Anhänger: „In den Internetforen und in den Zeitungen massiert sich die Enttäuschung der Fans. Ganz zu schweigen von den Intellektuellen, von den Schriftstellern und Publizisten mit einer Passion für Juve. Der Grundton hört sich nach verletztem Stolz an. Bisher erklärte man sich als Juventino die kolportierten Verdächtigungen von der anderen Hälfte Italiens gegen die eigene Squadra mit dem Neid der Unterlegenen, der Frustrierten. Nun scheint plötzlich, als überträfe die Realität selbst die kolorierteste Version der anti-juventinischen Folklore. Entzaubert!“

Schattenreich

Gerd Schneider (FAZ) empfiehlt allen, auch vor die eigene Haustür zu schauen: „Noch läßt sich nicht absehen, ob dem Calcio jetzt bevorsteht, was in den 90er Jahren die politische Klasse Italiens umgepflügt hat: eine von der Justiz ausgelöste radikale Erneuerung. Tangentopoli, Stadt der Korruption, so nannte man seinerzeit das System aus gegenseitigen Gefälligkeiten, das das öffentliche Leben in Italien durchsetzt hatte. Im italienischen Fußball, das läßt der aktuelle Skandal ahnen, hat dieses System offenbar einen besonders guten Nährboden gefunden. Doch man muß sich davor hüten, den Fall Juventus als rein italienisches Phänomen zu begreifen. Wohin die Geldströme im europäischen Fußball auch fließen, macht sich im Verborgenen Betrug breit. Ob systematische Spielabsprachen in Tschechien, Sexaffären und Erpressung in Belgien oder Hoyzer in Deutschland: Das Schattenreich, das sich hinter dem Profifußball auftut, wächst – grenzenlos und in beängstigendem Tempo.“

Italienische Verhältnisse

Die SZ betrachtet die Moggi-Affäre mit Hohn: „In Italien reden sie vom größten Skandal der Geschichte. 1.400 Seiten Ermittlungsakten, 52 Verdächtige, Staatsanwälte, die jetzt im Dienst tun dürfen, was vermutlich einmal ihr privates Lieblingsvergnügen war: Fußball gucken. Alle Spiele der Saison 2004/05. In Zeitlupe, vor und zurück. Und kommentieren, ob da wohl alles rechtens war, vor allem bei jenem Schiedsrichter, der angeblich in Juve-Bettwäsche schläft. Im Ausland holen sie derweil ihre bewährten Sprachhülsen aus der Schublade: Chaos, Erdbeben, Mafia. Italienische Verhältnisse! Dreckiger Fußball, so kurz vor der WM mit dem Spucker Totti! Ja, haben die denn keine Stiftung Warentest?“

FAZ: Der Juve-Skandal erreicht auch Lippi und Buffon
faz.net: Video zum Skandal

BLZ: Am 2. März 1991 zeigte Premiere sein erstes Bundesligaspiel, an diesem Wochenende wohl sein letztes
Tsp: Verlust der Bundesligarechte belastet Premiere-Bilanz

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