indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2006

Die Kobra

Oliver Fritsch | Freitag, 9. Juni 2006 Kommentare deaktiviert für Die Kobra

Gruppe B

Das Prinzip Wanchope

Ingo Durstewitz (FR) dokumentiert die Trainingsleistung Paulo Wanchopes, dem Stürmer Costa Ricas: „Wer den Stürmer während des Trainings verfolgt, kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wanchope mogelt sich durch die Übungen, er betrügt, man muss das so sagen, schamlos. Wenn die Mitspieler sprinten, dann tippelt er drei-, viermal auf der Stelle und bricht ab; wenn an Taktik und Spielformen getüftelt wird, steht er vor dem Tor und ruft lauthals, die Kameraden mögen ihm doch bitte schön einfach den Ball zuspielen. Damit er ihn, auch wenn es sich geradezu aufdringlich banal anhört, ins Tor befördern kann. Wenn nicht alles täuscht, dann wird das Spiel der Costaricaner nach dem Prinzip Wanchope zu funktionieren haben: hinten dicht machen und vorne auf den Torjäger hoffen. (…) Ob Wanchope sich noch einmal zu großen Taten aufschwingen kann, ist zumindest zweifelhaft: ‚Die Kobra‘, wie seine Landsleute den Angreifer einst tauften, hat in den vergangenen Jahren ein bisschen an Biss verloren, aus der Heimat heißt es, er sei bequem und satt. Wanchope lebt in einem feudalen Haus, er genießt den Luxus, die Annehmlichkeiten, die ihm Geld und Ruhm bescherten.“

FAZ: Costa Ricas Taktik: Mauern und sich Mut machen

BLZ: Am Tag des ersten WM-Spiels ist die Aufbruchstimmung im polnischen Lager verschwunden

BLZ: Ecuadors Vorbereitung verlief voller Missgeschicke

Gruppe B

Es ist aufregend geworden, den Schweden zuzusehen

Frank Heike (FAZ) schildert das Sozialmodell Schweden – und zwar ohne Anspielung auf Ikea-Metaphorik, was wohl nur wenigen Schreibern gelingen wird: „Man erlebt wieder diese typisch skandinavische Entspanntheit, die über der familiären Szenerie liegt. Keiner nimmt sich wichtiger, als er ist. Denn Wichtigtuer sind verpönt im schwedischen ‚Volksheim‘, wo am liebsten alle gleich sein sollen. Auf eine Fußballmannschaft bezogen, funktioniert das natürlich nicht. Für die schwedischen Lieblinge Henrik Larsson, Fredrik Ljungberg und Zlatan Ibrahimovic gelten nämlich andere Gesetze. Es ist kein Zufall, daß Larsson am Dienstag, Ljungberg am Mittwoch und Ibrahimovic am Donnerstag auf dem Podium der Pressekonferenz saßen. Als die Stars fertig waren, traten die weniger wichtigen Kollegen in kleinen Grüppchen in der Mixed Zone auf. Fast alles konzentriert sich derzeit auf die ‚Triangel‘, denn hinter den Namen der genialen schwedischen Offensivabteilung stehen Fragezeichen: Welche Form hat Larsson von der Bank des FC Barcelona mitgebracht? Wird Ljungberg seine Leistung vom FC Arsenal endlich auch im Nationaldress zeigen? Läßt Ibrahimovic seine maue Rückrunde bei Juventus Turin vergessen? Die drei Stars stehen auch deswegen so im Mittelpunkt, weil sie die Abkehr vom klassischen schwedischen Spiel symbolisieren. Es ist aufregend geworden, den Schweden zuzusehen – sie haben im Schnitt drei Tore pro Partie in der Qualifikation geschossen. Aus dem defensiv-orientierten Spiel der Vergangenheit um baumlange Verteidiger, ein laufstarkes Mittelfeld und lange Bälle nach vorn hat Trainer Lagerbäck ein 4-4-2-System gebastelt, das den Stars alle Freiheiten läßt, dem Team aber nichts von seiner Kompaktheit nimmt. So ist die Mannschaft zu einer eingespielten Einheit gewachsen, die am ehesten dort Schwierigkeiten hat, wo es früher keine gab: in der Abwehrmitte.“

Gewundenes Bulletin

„Rooney-Gate“ – Raphael Honigstein (SZ) faßt die letzte Folge zusammen und wartet gespannt auf die nächste: „Man musste sich diese Prognose selber zusammenbasteln. Vom englischen Verband gab es keinen Kommentar, und nach dem Willen von Eriksson soll es so schnell auch keinen geben. Das Thema wurde zum Tabu erklärt. Das wird schwierig werden, die Kontroverse hat nämlich gerade erst begonnen. Rooneys Kernspintomographie in Manchester hatte keine eindeutige Erkenntnis gebracht. Englands Mannschaftsarzt Leif Sward sah einen vollkommen geheilten Bruch, sein Gegenüber von Rooneys Verein Manchester United hatte starke Bedenken. Ein von der Fifa nominierter, unabhängiger Sachverständiger, Professor Angus Wallace, musste entscheiden. Er gab grünes Licht. In seinem Urlaubsdomizil in Südfrankreich nahm United-Trainer Alex Ferguson kurz vor Mitternacht den Hörer in die Hand und erklärte Verbandsvorstand David Davies in unmissverständlichen Worten, was er von Erikssons Entscheidung hält. Am Ende war er machtlos, der Verein muss seinen wertvollsten Spieler zur WM ziehen lassen, das verlangen die Fifa-Statuten. Auf der Internetseite des Klubs wurde ein gewundenes Bulletin veröffentlicht, das zwischen den Zeilen gewaltigen Unmut zum Ausdruck bringt. ‚Laut der Expertenmeinung des unabhängigen Sachverständigen hat Wayne Rooney eine gute Chance, nach der Gruppenphase fit zu sein‘, heißt es dort, ‚Rooney unterliegt jetzt der Obhut der medizinischen Abteilung von England.‘ Hört sich verdächtig an nach ‚Wir behalten uns rechtliche Schritte vor, falls er sich verletzt‘.“

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

111 queries. 0,511 seconds.