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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Big-Money-Fraktion

Oliver Fritsch | Dienstag, 8. August 2006 Kommentare deaktiviert für Big-Money-Fraktion

Über die Entscheidung der Uefa, den AC Mailand zur Champions-League zuzulassen, haben wir nicht viele Kommentare gefunden; anscheinend hat die deutsche Presse mit nichts anderem gerechnet. Die FAZ ist als eine von wenigen dazu bereit, sich über den „Papiertiger Uefa“ zu empören. „Eintritt frei“ kommentiert Roland Zorn mit Verachtung das grüne Licht: „Milan war schon vor den italienischen Fußballgerichten der große Gewinner bei der sportrechtlichen Aufarbeitung von ‚Moggiopoli‘. Nun kann der mit Weltmeistern und anderen Stars bestückte Klub gar von einem Triumph sprechen, steht doch dem Comeback in der ‚Königsklasse‘ außer einem verheißungsvollen Qualifikationstest nichts mehr im Wege. Und auch die Fernsehpartner der Uefa – in Italien die staatliche Rai und der Murdoch-Pay-TV-Sender Sky Italia – werden aufatmen. Ein Zugpferd mehr betritt die Arena des Millionenspiels Champions League.“ Das wichtigste Kriterium des Entscheids ortet Zorn auf dem Mailänder Konto: „Milan gehört wie der beim besten Willen nicht mehr in der Champions League unterzubringende Rekordmeister Juventus Turin zu den Protagonisten der Big-Money-Fraktion im Fußball.“

Die inoffiziellen Regeln sind oft die wichtigen

Der Soziologe und Publizist Alexander Schuller (FAS/Politik) schreibt ein Essay über Sinn und Herkunft von Regeln in der Politik und im Leben. Dabei streift er die Fußball-WM, und man könnte fast auf die Idee kommen, daß er den langen Text nur geschrieben hat, um mal seinen Ärger über die Frings-Sperre loszuwerden: „Freiheit ist gut, zu viel Freiheit ist Chaos. Ordnung ist gut, zu viel Ordnung ist Terror. Jeder soll sich frei entfalten – aber nicht auf Kosten der anderen. Dafür gibt es Spielregeln. Nicht nur im wirklichen Leben, auch im Sport, auch bei einer Fußball-WM. Da geht es bekanntlich darum, daß der Beste und nur der Beste Weltmeister wird. Dafür gibt es eine eigene Einrichtung. Die heißt Fifa. Die definiert die Spielregeln, die sicherstellen sollen, daß es gerecht und zivilisiert zugeht. Die Spielregeln sind schriftlich fixiert und Ergebnis eines komplexen Entscheidungsprozesses. Darin wird alles, was man regeln kann, geregelt: in 17 Punkten. Aber alles kann man natürlich nicht regeln. In keiner der Regeln steht nämlich, ob eine Mannschaft die Zusammensetzung der gegnerischen Mannschaft bestimmen kann. Das ist dem freien Spiel der Kräfte überlassen, dem Chaos. Ein verlockendes Ziel dabei kann sein, den gefährlichsten Spieler aus der gegnerischen Mannschaft zu entfernen. Das ist zwar keine sportliche, aber unzweifelhaft eine hervorragende Leistung. Wie im wirklichen Leben gibt es eben auch im Fußball neben den offiziellen auch die inoffiziellen Regeln – wobei die inoffiziellen oft die wichtigeren sind. Bei der WM ist es der italienischen Mannschaft gelungen, im Halbfinale wie im Finale die gefährlichsten Spieler aus der gegnerischen Mannschaft zu entfernen; einmal durch Mithilfe einer einflußreichen Tageszeitung, das andere Mal durch eine leise hingehauchte tiefe Kränkung.“

Schullers kompletten Text finden Sie auf ariva.de

Die Würde des Champions anderen überlassen

Heinz-Joachim Fischer (FAZ) deutet Italiens WM-Sieg und den Erfolg von Mailand, Florenz und Lazio Rom im Gerichtssaal vor dem Hintergrund italienischer Geistesgeschichte: „Was soll man davon halten, daß ein schwerer Skandal den italienischen Fußball erschüttert, man jedoch erfährt, daß die von Manipulationen begünstigten Vereine ebendiese Korruptionsumtriebe gar nicht nötig gehabt hätten, da sie erkennbar auch ohne Mauscheleien zu denselben Ergebnissen gekommen wären? Alle Welt hat gesehen, daß Spieler derselben Teams über hinreichend Spielkunst und Kaltblütigkeit bis zur letzten Minute verfügten, um sogar den zu Hochform aufgelaufenen Lieblingsfeind Deutschland zu schlagen und schließlich Weltmeister zu werden. Doch unter öffentlichen Druck geraten anschließend nicht die Vereine, die im eigenen Land das Spielglück mit unlauteren Methoden korrigierten, sondern die Richter, die sie dafür bestrafen wollen. Die Würde des moralischen Champions überlassen die Landsleute des Machttheoretikers Machiavelli (aus dem 16. Jahrhundert) offenbar gern oder aus tieferer Erfahrung anderen.“

Helden

Wir erinnern uns gut an 2002, als der Südkoreaner Ahn Jung-hwan, Golden-Goal-Schütze des 2:1 gegen Italien im WM-Achtelfinale, anschließend von seinem Klubpräsidenten aus Perugia mit den Worten die Tür gewiesen wurde: „Ich werde nicht das Gehalt eines Spielers zahlen, der den italienischen Fußball ruiniert hat.“ Was uns heute interessiert: Wie werden eigentlich die argentinischen Provokateure aus dem WM-Viertelfinale Julio Cruz (Inter Mailand) und Leandro Cufre (AS Rom) empfangen, wenn sie zu ihren Klubs zurückkehren? Als Helden?

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