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Rechthaberei, Dünnhäutigkeit, Larmoyanz

Oliver Fritsch | Freitag, 20. Oktober 2006 Kommentare deaktiviert für Rechthaberei, Dünnhäutigkeit, Larmoyanz

Der Zweifel an Freiburgs Trainer Volker Finke in der Presse wuchert. Ist seine Idee von Fußball veraltet? Auch gibt es Kritik an Präsident Achim Stocker, der sich des Vorwurfs erwehren muß, dem Trainer in den Rücken zu fallen

Zwei interessante Texte über den SC Freiburg, der auf Platz 17 der Zweiten Liga abgerutscht ist, weswegen der Präsident zum ersten mal vor allen über die Zukunft des Trainers spekuliert. Uwe Rogowski (Stuttgarter Zeitung) führt einem vor Augen, welchen Ansehensverlust Freiburgs Trainer in Fußballdeutschland in den letzten zwei Jahren erlitten hat: „Es ist erst zweieinhalb Jahre her, da sollte Volker Finke sogar noch Bundestrainer werden. Aus heutiger Sicht war es das letzte Aufflackern der Wertschätzung für einen Trainer, der Anfang der 90er Jahre den Fußball hierzulande generalüberholt und dabei gerade das politisch linke Lager mit seiner schnoddrigen und respektlosen Art fasziniert hat. Viele behaupten, im Sommer 2004 habe er die letzte Möglichkeit zum Absprung aus Freiburg verpaßt. Heute kräht nach Finke kein Hahn mehr.“ Rechthaberei, Dünnhäutigkeit, Larmoyanz wirft Rogowski Finke vor: „Immer öfter verheddert sich der Coach in Ausflüchten. Ständig macht er Latte, Pfosten, Standortnachteile und einen gestiegenen Anspruch für die Misere verantwortlich. Hauptadressat seiner Kritik sind die Medien geblieben, zuletzt gipfelte das in einer Wutrede im Fernsehen (‚Negativjournalismus‘). Und das, obwohl der Coach seit jeher mit Samthandschuhen angefaßt wird. Trotzdem bringen Finke die harmlosesten Schlagzeilen auf die Palme. Zuletzt wurde unter den Berichterstattern nach dem Absturz auf Platz 17 gewitzelt. ‚Darf man das Wort Abstiegsplatz erwähnen?‘“

Christoph Ruf (FR) verfaßt ein sehr ausgewogenes Einerseits-Andererseits-Urteil. Einerseits scheint ihm Finkes Idee von Fußball überholt zu sein: „In der Tat ist vieles, was früher erfrischend und zukunftsweisend war, heute zum Dogma geronnen. Nicht zuletzt die Art, Fußball zu spielen. Zwar läuft der Ball beim SCF immer noch gefällig, zwar hat man zumindest bei den Heimspielen meist ein deutliches Übergewicht an Ballbesitz. Doch wird allein das als Beweis gewertet, daß man eigentlich einen Sieg verdient gehabt hätte. Und das in Zeiten, in denen andere Teams versuchen, mit möglichst wenigen Ballkontakten in Torschußposition zu kommen, weil die meisten Tore innerhalb der ersten zwanzig Sekunden nach der Balleroberung fallen. Beim SC hingegen zirkuliert der Ball in einer Art Handballtaktik um den gegnerischen Strafraum. Selbst in bester Position unterbleibt der Schuß. Man hat nicht den Eindruck, daß auch Volker Finke das als Problem sieht.“

Andererseits kann er dem Kurzpaßspiel und dem Willen zum Ballbesitz den Charme nicht absprechen und wünscht sich von der Vereinsführung, von deren Vergangenheit wir von Ruf interessantes erfahren, mehr Rückendeckung und Dankbarkeit für Finke: „Natürlich reicht die spielerische Substanz auch im schlechtesten Fall, um in der Endabrechnung einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. Man kann sogar der Widerborstigkeit Finkes Sympathisches abgewinnen. Denn wer Prinzipien vertritt, macht sich zwar angreifbar, zeigt aber immerhin Rückgrat. Das scheint hingegen Präsident Stocker zu fehlen. Jahrelang wurde das Zerrbild von der angeblichen Männerfreundschaft (die in Wahrheit mit dem Gegenbegriff treffender beschrieben wäre) zwischen Trainer und Präsident gemalt. Jahrelang klagte Stocker nur seinen Spezis sein Leid, wie kompliziert ‚der Alte‘ doch sei. Wobei er sich mit seinem Credo ‚Was willsch mache?‘ als formal mächtigster Mann im Verein selbst ein Armutszeugnis ausstellte. Daß Stocker gerade jetzt vorprescht, wo der Trainer angeschossen ist, kann man als charakterschwach bezeichnen. Ein wenig mehr Respekt hätte Volker Finke dann doch verdient.“

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