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Man ist wieder wer – und doch auf Abstand zu Europas Stars

Oliver Fritsch | Samstag, 23. Februar 2008 Kommentare deaktiviert für Man ist wieder wer – und doch auf Abstand zu Europas Stars

Der Einzug von vier (fast fünf) deutschen Klubs ins Achtelfinale wird von der Presse vorsichtig bewertet

Roland Zorn (FAZ) rückt den deutschen Erfolg zurecht: „Den feinen Unterschied zwischen begehrter deutscher Hausmannskost im Uefa-Pokal – erstmals nach achtzehn Jahren kommt wieder ein Viertel der Achtelfinalteilnehmer aus der Bundesliga – und der Delikatessabteilung mit großenteils englischen, italienischen oder spanischen Zutaten machen auch noch so viele deutsche Erfolge im Europacup 1b nicht wett. Doch der Fortschritt ist gleichwohl unaufhaltsam. Bayern, Hamburg, Werder und Bayer beweisen mit ihren Erfolgen eine Punkte-Sammlerleidenschaft, die der Bundesliga die Chance verschafft, im nächsten Jahr sogar die Franzosen auf Platz vier der Uefa-Wertung zu überholen. Kleinvieh macht eben auch Mist, so dass von dem vor kurzem noch drohenden Verlust eines zweiten festen Startplatzes in der Champions League keine Rede mehr sein kann. Man ist wieder wer – und bleibt doch auf Abstand zu den europäischen Superstars. An dieser Realität führen noch so schöne Tage im Uefa-Cup nicht vorbei.“

Auch Klaus Bellstedt (stern.de) warnt vor schnellen Schlüssen: „Sollten wir Deutschen uns ob des Siegeszuges in Europa nicht eigentlich in den Armen liegen und trotzig allen ewigen Nörglern am deutschen Fußball mit nackten Ergebnisargumenten das Maul stopfen? Gott bewahre! Sich durch die Erfolge jetzt blenden zu lassen, das wäre fast schon fahrlässig. Gegner vom Kaliber FC Zürich, Aberdeen oder Braga dürfen kein Maßstab für Bundesliga-Spitzenmannschaften sein. Siege sind da selbstverständlich. Einzig der Auftritt von Bayer Leverkusen beim 5:1 über das türkische Spitzenteam Galatasaray Istanbul war richtig beeindruckend und ist in der Wertigkeit viel höher einzuschätzen. Wie stark die Bundesliga wirklich ist, wird erst die nächste Runde zeigen.“

Aufbauprogramm

Die Meldung des Tages steht in der SZ: Lukas Podolski sei deswegen noch beim FC Bayern, weil der neue Trainer Jürgen Klinsmann auf ihn bestehe. Manager Uli Hoeneß wird mit den Worten zitiert: „Es war nie eine Frage, dass Lukas nicht bei uns bleibt, wenn Jürgen zu uns kommt. Ja, er will Lukas haben. Deswegen haben wir ihn ja auch jetzt in der Winterpause nicht hergegeben.“ Und Podolski bestätigt: „Jürgen Klinsmann hat mich vor mehreren Wochen angerufen, da hatten wir ein gutes Gespräch.“ Zum Hintergrund: Podolski wurde im Januar von mehreren Vereinen umworben, darunter Stuttgart, Bremen und Manchester City.

Elisabeth Schlammerl (FAZ) wertet die zwei Tore Podolskis beim 5:1 gegen Aberdeen allenfalls als ersten Schritt zurück ins Team: „Dass Podolski zum ersten Mal in diesem Jahr die gesamten 90 Minuten spielte hatte mit den Personalplänen für die nächste Partie, den Bundesliga-Gipfel gegen den Hamburger SV, zu tun. Podolski kann sich leicht ausrechnen, dass er am Sonntag zunächst wieder auf der Bank sitzen wird. Noch hat Podolski nur Gelegenheit, gegen Mannschaften wie Aberdeen zu glänzen. Vielleicht ist es eine Art Aufbauprogramm für den Stürmer, dessen Karriere nach der WM 2006 und dem anschließenden Wechsel von Köln nach München einen Knick bekam, dass der Trainer nicht ganz so mächtige Gegner aussucht. Der Hamburger SV ist vermutlich ein bisschen zu stark, um auf eine zweite Sternstunde von Podolski innerhalb von drei Tagen zu hoffen.“

Schmerzhaft wie immer

Aus in den letzten Spielminuten gegen Benfica Lissabon – Volker Kreisl (SZ) lässt sich täglich von Nürnberg und seinen aufrecht Scheiternden grüßen: „Es ist alles wie immer. Die Zuschauer singen und feuern an, die Mannschaft unten rennt und spielt teils begeisternden Fußball, dann liegt sie nach dem Schlusspfiff verzweifelt und händeringend am Boden, und die Zuschauer gehen wieder nach Hause. Thomas von Heesen hat sich in den vergangenen neun Tagen vor seinem ersten Trainerauftritt im Nürnberger Stadion ja noch in der Beobachtungsphase befunden, er wollte sich ein Bild von der Mannschaft machen. Die Aufstellung ließ er unverändert, im Training streute er manche neue Einheit ein und führte damit Meyers Arbeit fort, eher ergänzend als erneuernd. Das Bild von seiner Mannschaft hat er sich nun verschaffen können – ungeschönt, in kürzester Zeit und auf äußerst brutale Weise. In drei Spielen erlebte von Heesen die komplette Nürnberger Bandbreite, das Team trat teils lethargisch, teils begeisternd auf, zeigte seine spielerischen Möglichkeiten und seine nervlichen Schwächen, und stand hinterher jeweils mit leeren Händen da. Beendet wurde von Heesens Kennenlernphase nun mit diesem dramatischen 2:2 des deutschen Abstiegskandidaten gegen den portugiesischen Traditionsklub Benfica Lissabon, das in Wirklichkeit eine Niederlage war – und für die Anhänger so schmerzhaft, wie es vermutlich nur der 1. FC Nürnberg schafft.“

Christian Kamp (FAZ) schreibt über Nürnberger Stärken und Schwächen: „Natürlich machte der Auftritt Mut, auch wenn Benfica sich wenig souverän präsentierte. Der ‚Club’ zeigte eine ganze Reihe von Qualitäten, die ihn als Sechzehnten der Tabelle unterbewertet erscheinen lassen: Marco Engelhardt und Kapitän Tomas Galasek hatten gute Ideen im Spiel nach vorne, der in der Winterpause gekommene Jan Koller wird als Ballverteiler immer wertvoller, und die Flügelstürmer Saenko und Charisteas unterstrichen, warum Nürnberg auch unter von Heesen am 4-3-3-System festhält. Was diesmal hängenblieb (neben einer unbestreitbaren Menge Pech), waren die zu hohe Fehlerzahl im Passspiel und Defizite im Abwehrverhalten.“

Die Tore in Nürnberger auf Video und in Zeitlupe

Der attraktivste Fußball in Deutschland

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) rät nach dem 5:1 gegen Galatasaray, Aktien von Bayer Leverkusen zu halten und streicht den Verdienst Wolfgang Holzhäusers heraus: „Keine Mannschaft verzaubert die Nation derzeit so sehr wie Bayer Leverkusen. Sie ist auf dem besten Weg, sogar Werder Bremen als Wahrer des schönen Fußballs abzulösen. Sie ist über Galatasaray Istanbul, den Tabellenführer der türkischen Liga, hinweggerauscht. Bayer Leverkusen verspricht in den kommenden Jahren das spannendste Projekt des deutschen Fußballs zu werden. Manchmal muss man erst ganz unten sein, um wieder nach oben zu kommen. Im Mai 2002 stand Bayer im Finale der Champions League, ein Jahr später mit einem Bein in der Zweiten Liga. Und das war nur der sichtbare Ausdruck einer tieferen Zerrüttung. Der Klub hatte schlichtweg über seine Verhältnisse gelebt. ‚Kosten und Ertrag standen in keinem vernünftigen Verhältnis’, sagt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, der einen radikalen Kurswechsel einleiten musste. Geliebt wurde er dafür nicht. Holzhäuser, ein ausgewiesener Finanzexperte, galt als Sanierer ohne Vision, der den Verein zu Tode spart. Der Aufschwung trägt tatsächlich seine Handschrift: Er ist ein Triumph der Planwirtschaft.“

Peter Penders (FAZ) lobt den Trainer: „Der lange Zeit nicht unumstrittene Trainer hat in Leverkusen eine Mannschaft aufgebaut, die momentan den vermutlich attraktivsten Fußball in Deutschland spielen kann. Das hat Galatasaray zu spüren bekommen, die Türken waren mit dem 5:1 sogar noch gut bedient.“

NZZ: Zürich bleibt gegen Hamburg eine weitere Lektion erspart

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