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Am Grünen Tisch

In weiten Teilen des Weltsports ist Korruption an der Tagesordnung

Oliver Fritsch | Dienstag, 11. März 2008 Kommentare deaktiviert für In weiten Teilen des Weltsports ist Korruption an der Tagesordnung

Vor dem Prozess gegen sechs ehemalige ISL-Manager, von dem Aufschlussreiches über das weltweite Sport-Business zu erwarten ist

Jens Weinreich, bis Ende letzten Monats Sportchef der Berliner Zeitung, begleitet, nun als freier Journalist, den heute beginnenden Prozess in Zug gegen sechs ehemalige Manager aus der Sportrechtevermarktungsbranche, namentlich von der ISL. Die Anklage lautet auf verschiedene Delikte, die sich mit „Korruption“ zusammenfassen lassen. Weinreich (Berliner Zeitung) merkt an: „Den Prozess darf man als spektakulär bezeichnen. Die ISL (International Sports and Leisure) mit ihrer später gegründeten Holding ISMM (International Sports and Media) war ein gigantomanisches Konstrukt. ISL-Firmen unterhielten Sponsoren- und Fernsehverträge mit dem IOC, den Weltverbänden in Fußball, Leichtathletik, Schwimmen, Basketball, der Tennis-Organisation ATP, der Uefa und vielen mehr. Manche Verträge, wie etwa mit den Fußballklubs Gremio Porto Alegre oder Flamengo Rio de Janeiro, hatten Optionen bis 2028! Unter dubiosen Umständen hatte die ISL-Gruppe gemeinsam mit Leo Kirch auch milliardenschwere Rechte an den Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Am Ende aber stand Großmannssucht und der Konkurs, der im Frühjahr 2001 angemeldet werden musste. Es war nach dem Swissair-Crash die zweitgrößte Milliardenpleite in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Den sechs Angeklagten werden nun Veruntreuung, Betrug, Gläubigerschädigung, betrügerischer Konkurs, Urkundenfälschung und unwahre Angaben über kaufmännische Gewerbe zur Last gelegt. Ihnen drohen Zuchthausstrafen von bis zu viereinhalb Jahren.“

Welche Bedeutung könnte das Verfahren für den Weltfußball haben? Weinreich ordnet ein: „Ob die ISL-Führungscrew auch die Fifa geschädigt und der Fifa Millionen aus den WM-Fernsehverträgen mit dem brasilianischen Sender Globo vorenthalten hat, erscheint beinahe nachrangig. Sportpolitischen Sprengstoff bieten andere Details. Funktionäre aus zahlreichen olympischen Weltverbänden blicken ängstlich nach Zug. Denn der Prozess wird dokumentieren, dass in weiten Teilen des Weltsports Korruption an der Tagesordnung ist. Der Erwerb von milliardenschweren Fernseh- und Marketingrechten funktionierte nur mittels Schmiergeldzahlungen – und funktioniert womöglich immer noch so.“ Ein wenig bedauernd resümiert er:„Wie immer der Prozess ausgeht, Sportfunktionäre haben zunächst nichts zu fürchten. Denn im verhandelten Zeitraum stellte das Schweizer Strafgesetzbuch ‚private Bestechung’ nicht unter Strafe.“

Weinreich, dem Korruptionsexperten, werden die nächsten Tage und Wochen einige Knochen vorgeworfen, an denen er nagen kann. Und wir werden davon profitieren, denn mit pikanten Informationen ist zu rechnen. In seinem Blog stimmt Weinreich uns zusätzlich ein und läuft sich warm.

Felix Reidhaar (Neue Zürcher Zeitung) will die letzte Hoffnung nicht aufgeben: „Weshalb soll im Sport anders sein, was in Politik und Wirtschaft weitherum spielt, nicht nur in Ländern und auf Kontinenten mit andere Kulturen und Wertvorstellungen, auch vor der Haustür (Stichwort Siemens)? Dass es mit Ehrenhaftigkeit und Moral in männerbündlerischen Sportkomitees, zusammengesetzt aus Funktionären aus allen Herren Ländern, nicht weit her ist, weiß der interessierte Beobachter. Er darf aber hoffen, dass sich mit der Übernahme der Rechtevermarktung durch große Dachverbände in Eigenregie wenigstens hier Besserung einstellt.“

NZZ/Hintergrund: Über die Geschichte der ISL und die Rolle Horst Dasslers

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