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DFB-Pokal

Heute an der Wassertränke, ab morgen wieder in der Wüste

Oliver Fritsch | Dienstag, 18. März 2008 Kommentare deaktiviert für Heute an der Wassertränke, ab morgen wieder in der Wüste

Im DFB-Pokal-Halbfinale steht ein traditionsreicher Zweitligist, der den Abstieg kaum noch verhindern kann: Carl Zeiss Jena. Und mit dem Klub ein Rückkehrer, dem man eine Weltkarriere voraussagte: Jan Simak

Katrin Weber-Klüver (Financial Times Deutschland) beschreibt die Janusköpfigkeit und Ausweglosigkeit Carl Zeiss Jenas: „Jenas Erfolglosigkeit ist ein Rätsel. Selten ist eine so spielstarke Mannschaft so zielstrebig der Drittklassigkeit entgegengetaumelt. Hätte die Saison weniger frustrierend begonnen, der altehrwürdige FC Carl Zeiss Jena könnte dort stehen, wo sich der künstlich traditionsreiche Verein 1899 Hoffenheim mit dem farblosen Fusionsklub Greuther Fürth um den Aufstieg in die Bundesliga balgt. Manchmal liegt im Anfang kein Zauber, sondern schon alles Verderben. Jedenfalls bei sensiblen Gemütern. Einerseits. Andererseits steht der FC Carl Zeiss Jena als einziger Zweitligist im Pokalhalbfinale und hat auf dem Weg dorthin drei Erstligisten geschlagen. Fast wirkt das, als verhöhnte der Verein sich selbst. Erreichen die Thüringer das Pokalfinale, haben sie eine bizarre Perspektive aufs internationale Geschäft als Regionalligist. Schwer zu sagen, ob sie das motiviert oder depressiv macht. Eine Chance ist ja auch nichts anderes als eine neue Möglichkeit zu scheitern.“

Ronny Blaschke (Stuttgarter Zeitung) fügt hinzu: „Was bleibt, sind 90 Minuten an der Wassertränke, vielleicht 120, danach geht es wieder raus in die Wüste, und ob sein Team so schnell noch mal auf eine Oase stößt, ist mehr als fraglich. Die neue Dritte Profiliga ist eine große Unbekannte. Zumindest werden die Pokaleinnahmen in Höhe von 2,5 Mio. Euro Jena beim Aufbau helfen.“

Das Beste, was passieren konnte

Ein trockener Alkoholiker im Halbfinale (und bald auch wieder in der Bundesliga?) – Jan Christian Müller (FR) zollt Jan Simak Respekt: „Er hat es geschafft, seine schwere Krankheit zu besiegen. Und er, der nach der Kur sechs Kilo schwerer war und schon nach dem Aufwärmen bei Sparta Prag kaum noch rennen konnte, hat sich zurückgekämpft in die gnadenlose Tretmühle Profifußball. Das ist – zumal nach anderthalb Jahren der Isolation ganz ohne Profifußball – eine Willensleistung, die ihm die allermeisten Menschen niemals zugetraut hatten. Nicht nur sein Körper war ja kaputt, auch sein Image, was in dieser Branche noch erheblich schwerer wiegt.“

Christian Kamp (FAZ) hält rückblickend Simaks Entscheidung, nach Jena zu wechseln und nicht nach St. Pauli, für richtig: „Für Simak war es vielleicht das Beste, was passieren konnte: St. Pauli und er, das hätte auf die falsche Art gepasst – die Assoziationen von Kiez und Party (und vielleicht auch die Versuchungen) wären allgegenwärtig gewesen. In Jena aber, der unaufgeregten Universitätsstadt inmitten der Kernberge, fand der neue Jan Simak die Ruhe, die er braucht. Mit seiner Frau und dem kleinen Sohn lebt er zurückgezogen in Laasdorf; im Ernst-Abbe-Sportfeld hat er ein sachkundiges Publikum, das ihn nicht nur in Extremen beurteilt.“

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