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Niemand spielt alleine Fußball, auch nicht Cristiano Ronaldo

Oliver Fritsch | Samstag, 7. Juni 2008 Kommentare deaktiviert für Niemand spielt alleine Fußball, auch nicht Cristiano Ronaldo

Ronald Reng (Stuttgarter Zeitung) zweifelt an Portugal – und zweifelt an Portugals Star: „Schon lange nicht mehr, seit Diego Maradona bei der WM 1990 nicht, fokussierte sich vor einem großen Turnier die Aufmerksamkeit auf einen einzigen Spieler wie nun auf Cristiano Ronaldo. Seine berstenden Dribblings geben den Massen die Illusion zurück, einer alleine könne ein Spiel entscheiden; sein im Raum stehender Wechsel von Manchester United zu Real Madrid weckt die Sensationsgier. Doch an diesem Samstag, wenn nun alle psychoanalytischen Porträts über Ronaldo geschrieben sind, wird im Auftaktspiel gegen die Türkei endlich die wahre Frage beantwortet: Kann Ronaldo in dieser Mannschaft überhaupt der Star der EM werden? (…) Von einer EM zur nächsten ist Scolari das wunderbare Mittelfeld zerbröselt. Costinha, 2004 der Stratege bei Portugals Lauf ins Finale, ist wie Luís Figo abgetreten. Maniche verkümmert bei Inter Mailand auf der Ersatzbank und wurde deshalb für diese EM nicht nominiert. Und Deco, der Blitze ins Spiel brachte, leidet, seit zwei Jahren schon. So hat sich eine Weltklasseelf zurückentwickelt; die vortrefflichen Eigenschaften liegen nun fast ausschließlich in der Defensive. Schönheit täuscht Portugal nur noch vor. Der Ball läuft weiter elegant, jedoch meist dort, wo es nicht wehtut, im hinteren Mittelfeld. Sie spielen nun häufig 0:0 oder 1:1. In der Theorie ist Ronaldo auch in solch einer Mannschaft zu Hause. Der Konter ernährt ihn als schnellen Flügelspieler gut. In der Praxis der EM-Qualifikation blieb er zu oft isoliert. Niemand spielt alleine Fußball, auch er nicht.“

Christian Eichler (FAZ) ergänzt: „Für viele Experten mag Portugals Team nicht mehr die Klasse der EM 2004 (zweiter Platz) und WM 2006 (vierter Platz) haben: zu viele Flügelmänner, zu wenige Zentralisten, ein Torwartproblem und wie immer keinen Torjäger. Doch der Unterhaltungswert der schieren Präsenz, die Anziehungskraft aufs Showpublikum wird von keinem anderen Team übertroffen. Portugal ist der Hingucker. Das Team sieht, zumindest wo es jung ist, aus wie eine Rockband. Eine von der Art, die durch irgendein genetisches Geheimnis ganze Mädchenmassen zu spitzen Schreien bewegt. So geschieht das im Training bei jedem Ballkontakt von Cristiano Ronaldo. Aber er ist nicht allein. Da ist João Moutinho, ein zierliches Kerlchen mit braunen Knopfaugen – in der Portugal-Band wäre er der flinke Mann an den Keyboards. Dann Ricardo Veloso, ein athletischer Antreiber mit aschblond gesträhnter Mähne – einer fürs Schlagzeug. Dann Nani und Quaresma, glutäugige Kerle mit Keilfrisur und schwerem Ohrschmuck – die Gitarristen für die schnellen Soli. Und dann natürlich Ronaldo, der Mann am Mikro, vorn an der Bühne, der die Blicke auf sich zieht. Ob man mit diesen Qualitäten auch beim Gegner punkten kann, ist eine andere Frage.“

Hoffnung

Die Neue Zürcher Zeitung bemerkt vor dem Eröffnungsspiel der Schweizer: „Jedermann musste seit August 2006 erkennen, dass der Weg nicht direkt in den EM-Final führt. Nach der WM-Achtelfinal-Qualifikation, die ungebrochen als Erfolg zu werten ist, monierten Beobachter, die Equipe müsse bis Juni 2008 Fortschritte erzielen, damit sie an der Heim-Euro auch auf dem Feld eine Hauptrolle spielt. Die Fortschritte indes sind ausgeblieben – während langer Zeit hieß die Devise eher ‚Schadensbegrenzung’. War die Entwicklung unter Kuhn bis Juni 2006 fast nur aufwärts verlaufen, setzte danach Stagnation ein. Die Schweiz könnte vom Heimvorteil begünstigt oder von der Dynamik erfasst werden, die Euro-Außenseiter mitunter in die Höhe trägt. Vom Schicksal abgesehen, bleibt Kuhn in den ersten Wettbewerbsspielen seit der WM 2006 aber auch die Hoffnung, dass eine andere Konstante treu bleibt, die ihn vorab im Mitteldrittel seiner Amtszeit begleitet hat: Wenn es ernst galt, war das Team Kuhns bereit – zu Hause gegen Irland (2003), zweimal gegen Frankreich, daheim gegen die Türkei (2005), in den WM-Gruppenspielen. Die Nerven verloren die Schweizer erst im Penalty-Schießen gegen die Ukraine. Würden sie auch an der Euro 08 in eine derartige Entscheidung involviert, hätten sie zumindest die Viertelfinals erreicht – und damit beachtlich viel. Früheren, etwas gar ambitionierten Zielen zum Trotz.“

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