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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

EM 2008

Bestenfalls halb gelungen

Oliver Fritsch | Dienstag, 10. Juni 2008 Kommentare deaktiviert für Bestenfalls halb gelungen

Christian Hackl (Der Standard/Österreich) nimmt die 0:1-Niederlage gegen Kroatien nicht allzu schwer: „Österreich hat sein erstes EM-Endrundenspiel der Geschichte knapp, aber keineswegs blamabel verloren. Ja, phasenweise konnten Österreichs Spieler die viel gerühmten Kroaten beherrschen. Eine dumme Attacke gleich nach Anpfiff brachte die Gastgeber freilich um die Früchte der ansehnlichen Arbeit. Die erste Halbzeit begann so, wie man es durchaus hat erwarten – wenn auch nicht unbedingt erhoffen – dürfen. Schon in der 3. Minute spielt Modric Stranzl aus und passt auf Olic, der im Strafraum sozusagen geaufhausert wurde. Das patscherte Foul, das sich einem zögerlichen Zuspätkommen verdankte, konnte nur deshalb zu einem ‚ungerechten’ Elfmeter führen, weil es Schiedsrichter gibt, die den frühen Zeitpunkt, für absolut elferunwürdig betrachten. (…) In Ermangelung anderer guter Nachrichten darf auch vermerkt werden: In den zweiten 45 Minuten brauchte Torwart Macho kein einziges Mal eingreifen. Wäre man Kroate, müsste man sich wohl ein wenig Sorgen über die so hoch gelobte Offensive machen. Da man aber Österreicher ist, würde man diesbezüglich mit den Kroaten wohl liebend gerne tauschen. Die Sorgen des Gastgebers sind eine Spur umfassender.“

Roland Zorn (FAZ) attestiert den Verlierern immerhin Bemühen: „Was immer der Coach und seine Spieler gegen die anfangs noch enthusiasmierten, später nur noch routinierten Kroaten anstellten – es wirkte bestenfalls halb gelungen, halb gekonnt, halb überzeugend. Und mit Halbheiten ist noch keine Fußballmannschaft vorangekommen. Aber die Spieler wissen jetzt, dass sich die intensive Arbeit an der eigenen Fitness ausgezahlt hat. Kraft für neunzig Minuten haben sie, konditionell waren sie sogar ausdauernder als die gegen Schluss doch sehr matten Kroaten. Woran es dieser jungen, keineswegs untalentierten Mannschaft mangelt, ist Kaltschnäuzigkeit, Ruhe vor dem Tor und vor allem Selbstbewusstsein. Wer in den vergangenen achtzehn Monaten nur zwei Länderspiele gewonnen hat, dürstet nach dem Erfolg, weiß aber nicht so recht, wie er ihn auf seine Seite ziehen soll.“

Apfelstrudel für alle

Der österreichische Dramaturg Roland Koberg (Berliner Zeitung) erklärt den großen Unterschied zwischen Österreichern und Schweizer anhand eines Beispiels: „Das Wehklagen, Tiefstapeln und Selbsterniedrigen der Fußballnation Österreich zeigt endlich Wirkung: Wir konnten positiv überraschen, vor allem uns selbst. Was die Schweiz in tiefe Depressionen stürzt, nämlich eine 1:0-Niederlage in ihrem Eröffnungsspiel, das gleiche Ergebnis, dem Spielverlauf gleichermaßen unangemessen, wird in Österreich gefeiert, als gäbe es Apfelstrudel für alle.“

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