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Die Wettsucht ist global, Hoyzer war nur eine lokale Größe

Oliver Fritsch | Montag, 1. September 2008 Kommentare deaktiviert für Die Wettsucht ist global, Hoyzer war nur eine lokale Größe

Die Story des kanadischen Antikorruptionsjournalisten Declan Hill von einer möglichen Wettmanipulation in deutschen Bundesligen und an der WM 2006, die der Spiegel ans deutsche Licht gebracht hat, beschäftigt die Fußballschreiber; mit Kritik halten sie noch zurück, da nichts bewiesen ist

Sebastian Gehrmann (FR) tippt, dass was dran ist: „Nun hat die heile Fußballwelt erneut den Spiegel vorgehalten bekommen. Wieder soll sein, was nicht sein kann. Und wieder ist es eine neue Qualität. Ein weltweites Netz aus Korruption und Manipulation, skrupellose Kartelle, Hinter- und Mittelsmänner, Milliarden stehen auf dem Spiel. Auch die Bundesliga soll nun betroffen sein, ebenso die Weltmeisterschaft. Eigentlich unvorstellbar. Fassen wir zusammen: Spieler, die das Hundertfache und mehr verdienen, lassen sich für ein paar tausend Euro kaufen? Wirklich? Ein Sieg mit zwei Toren oder doch lieber drei. Stimmt, was jetzt enthüllt wird, dann braucht es nicht mehr als drei, vier windige Gestalten, um hochgerechnet hypothetisch 90 Bundesligaspiele im Jahr zu verschieben. Kann das sein? Die kommenden Wochen werden zeigen, wie viel Dichtung ist und wie viel Wahrheit. Erstunken und erlogen ist die Geschichte mit Sicherheit nicht. Jede Wette.“

Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) nennt es ein Versäumnis, dass die Anfälligkeit der Profifußballer für Bestechung nicht mit Präventionsmaßnahmen gemildert worden ist: „Ob die Vorwürfe nun stimmen oder nicht – es wird weitere Versuche von Wettbetrügern geben, den Fußball in Deutschland zu manipulieren, sollten die Vereine, ihre Dachorganisation DFL und der DFB dem Problem nicht entgegensteuern. Es ist zu wenig, wenn Theo Zwanziger und Reinhard Rauball ‚eine umfassende Aufklärung’ anstreben. Mindestens genauso wichtig wäre es, präventiv tätig zu werden. Die DFL sollte junge Profis besser auf die Gefahren vorbereiten, die das Geschäft bereithält – zum Beispiel mit Seminaren zu den Themen ‚Wie finde ich einen vertrauenswürdigen Berater?’ und ‚Wie gehe ich mit meinem Geld richtig um?’. Das sollten eigentlich schon lange Pflichtveranstaltungen sein. Nachhilfeunterricht in moralischen Fragen getraut man sich mittlerweile schon gar nicht mehr zu fordern.“

Wie eine Grippe

Klaus Hoeltzenbein (SZ) macht die deutschen Fußballfunktionäre darauf aufmerksam, dass sie mit ihrer Schwarzes-Schaf-Hoyzer-These diesmal nicht durchkommen werden: „Schon am Rande der Hoyzer-Ermittlungen gab es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten auch in der Ersten und Zweiten deutschen Liga. Meist kamen sie von professionellen Wettern aus England, die auf ihren Computern plötzliche Millionenbewegungen in Asien registrierten, die sie als klare Indikatoren für Unregelmäßigkeiten werteten. Nur ein Beispiel war die Zweitliga-Partie Aue-Oberhausen (2:0) im Dezember 2004, garniert mit Slapstick-reifem Eigentor, aber bis heute nicht völlig durchleuchtet. Die deutschen Instanzen, DFB und DFL, wirkten damals erleichtert, sich auf das Hoyzer-Biotop beschränken zu können. Berlin wurde – soweit bekannt – konsequent trockengelegt, Asien aber blieb unerforscht. Das könnte sich rächen. Die Wettsucht ist global, Hoyzer war in diesem Spiel nur eine lokale Größe.“

Markus Lotter (Berliner Zeitung) hingegen wiegelt ab: „Dieses potente System ist anfällig wie jedes System, in dem es vorrangig um Geld geht. Es wird sich auch in zwanzig Jahren ein verführbarer Schiedsrichter oder Spieler finden, es wird auch in zwanzig Jahren einen potenten Zocker wie Mister Lim geben, der im undurchsichtigen Hintergrund schnell Geld machen will. Es ist eben beim Verhältnis Fußball und Betrug in letzter Konsequenz wie mit der Grippe: Die Grippe schwächt einen, man muss sie behandeln, sie bringt einen aber auch nur in Ausnahmefällen um. Die Bundesliga wird auch diese kleine Krankheit weitgehend schadlos überstehen.“

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